In unsicherem Fahrwasser
In Remich regt sich Kritik am defizitären Betrieb des Ausflugsschiffs Marie-Astrid
Remich. Den sieben Mitgliedsgemeinden der „Entente touristique de la Moselle“ist dieser Tage eine Rechnung in den Briefkasten geflattert. Für den Tourismusbetrieb, der das Ausflugsschiff MS Marie-Astrid betreibt, sollen sie einmalig zehn Euro pro Einwohner zahlen. In den zurückliegenden Jahren lag der Beitrag immer bei zwei Euro pro Einwohner.
Bei der Opposition im Gemeinderat Remich kam die Zahlungsaufforderung schlecht an. Es war weniger die Höhe des Geldbetrags – für Remich sind es rund 40 000 Euro -, sondern eher die Art und Weise, wie die Entente sich an die Gemeinde wendet. JeanPaul Wiltz (Déi Gréng) spricht von „kompletter Intransparenz“und hätte sich von der Entente wenigstens eine Begründung erwartet, wofür das zusätzliche Geld gebraucht wird. Daniel Frères (Piraten) findet, es sei ein Unding, dass die Gemeinden „die Rechnung einfach so hingeknallt kriegen“.
Private Konkurrenz
Beide Gemeindepolitiker wiesen auf die private Konkurrenz der Marie-Astrid hin, nämlich die Firma Navitours aus Remich. Das Unternehmen hätte es mit drei Schiffen und ohne staatliche Unterstützung geschafft, selbst während der Pandemie einen Gewinn zu erwirtschaften, meinten Wiltz und Frères unisono.
Gleich in zwei Sitzungen hintereinander debattierte der Gemeinderat über das bekannte Ausflugsschiff und die Verluste, die es in den zwei Jahren der Pandemie erwirtschaftet hat. In der ersten Sitzung stimmten die drei Fraktionen der Opposition gegen den einmaligen Zuschuss. DP und CSV votierten zwar dafür; Schöffe Jean-Paul Kieffer (DP), der die Sitzung für den krankheitsbedingt fehlenden Bürgermeister leitete, sprach allerdings später von „berechtigten Fragen der Opposition“.
Bürgermeister Jacques Sitz (DP) wies in der zweiten Sitzung auf die Solidarität der Mitgliedsgemeinden hin, die sich alle für den einmaligen Zuschuss ausgesprochen hätten. Auch der Staat habe die MS Marie-Astrid mit viel Geld unterstützt, das habe aber nicht ausgereicht, um die Kosten zu decken.
Léon Gloden, Präsident der Entente touristique de la Moselle, erklärt die Verluste mit geringeren Einnahmen aufgrund der Pandemie. 2021 erzielte das Ausflugsschiff Erlöse von 860 000 Euro, vor Corona im Jahr 2019 waren es noch 1,4 Millionen Euro. Aufgrund der ausgefallenen Fahrten schickte die Entente das Personal in Kurzarbeit. Die Kosten dafür übernahm zwar größtenteils das Arbeitsministerium durch den Chômage partiel in Höhe von 245 000 Euro. Während zwei Monaten stockte die Entente allerdings aus eigener Tasche zusätzlich das Kurzarbeitergeld auf, sodass die Mitarbeiter 100 Prozent ihres Gehalts bekamen.
Im Laufe des Jahres habe die Entente eine im Januar 2021 vereinbarte Kreditlinie in Höhe von 350.000 Euro ausschöpfen müssen. Durch die langen Liegezeiten des Schiffs hatten sich zudem ungewöhnlich viele Muscheln am Rumpf festgesetzt und der Propeller war durch Hochwasser beschädigt worden. Beides musste in der Werft repariert werden und sorgte für weitere Kosten. Was jedoch nicht an die Öffentlichkeit drang, ist die Tatsache, dass die Entente hohe Rückstände
bei der Sozialversicherungskasse hat. Für nicht gezahlte Versicherungsbeiträge der Mitarbeiter müssten noch 400 000 bis 500 000 Euro nachgereicht werden, sagte Léon Gloden gegenüber dem LW. Genau dafür sei der einmalige Beitrag der Gemeinden von zehn Euro pro Einwohner gedacht.
Dagegen nimmt sich die Unterstützung durch das Wirtschaftsministerium regelrecht bescheiden aus. Die Generaldirektion für Tourismus greift der Entente alljährlich mit 165 000 Euro unter die Arme. Inklusive Extra-Zuschüssen wegen der Corona-Folgen und der Beteiligung an den Personalkosten erreichte der Beitrag der Generaldirektion für Tourismus im vergangenen Jahr 306 000 Euro.
Mondorf steht hinter dem Schiff
Die Marie-Astrid bewegt sich also nach wie vor auf finanziell unsicheren Gewässern. In Mondorf, ebenfalls Mitglied der Moselentente, ist man sich des großen Kostenpunkts bewusst. „Für uns bedeutet der einmalige Beitrag eine Extra-Ausgabe von 55 000 Euro, das ist viel Geld“, sagt Bürgermeister Steve Reckel, ebenso wie sein Remicher Kollege Vizepräsident der Entente. Dennoch stehe die Gemeinde hinter der Marie-Astrid und im Gemeinderat habe es keine Diskussion darüber gegeben, ob die Mitgliedschaft noch Sinn mache.
In Remich bleiben trotz allem die Zweifel. Ratsmitglied Guy Mathay (LSAP) fordert, wenn seine Gemeinde schon so viel Geld bezahle, müsse die Marie-Astrid auch häufiger in Remich zu sehen sein. Jean-Paul Wiltz sieht das Ausflugsschiff zwar nach wie vor als „Aushängeschild“des Luxemburger Moseltourismus. „Dennoch sollte die Entente etwas unternehmen, damit eine solche Situation mit hohen Nachzahlungen nicht mehr vorkommt“, meint er. Präsident Léon Gloden entgegnet: „Das ist schön gesprochen. Wir sind ein Saisonbetrieb, der vom Wetter abhängt.“Ein verregneter Sommer könne durchaus ein weiteres Mal die Bilanz verhageln. Fürs Erste freut man sich bei der Entente darüber, dass die Corona-Restriktionen gefallen sind und hofft auf einen Sommer mit vielen Fahrgästen. Dank einer verlängerten Saison möchte der Tourismusbetrieb in diesem Jahr auf 1,3 Millionen Euro Umsatz kommen – also fast so viel wie vor der Pandemie.