Dem Populisten droht das politische Aus
Am Sonntag finden in Italien Kommunalwahlen statt – und für Lega-Chef Matteo Salvini geht es um alles oder nichts
In Verona sind Lega-Chef Matteo Salvini und seine Erzrivalin Georgia Meloni, Chefin der postfaschistischen Fratelli d'Italia, in dieser Woche nach Monaten wieder einmal gemeinsam auf einer Wahlkampftribüne gestanden – ihre Parteien unterstützen bei den Kommunalwahlen den gleichen Kandidaten. In der Stadt von Romeo und Julia – im historischen Zentrum ist der (angebliche) Balkon der schönen Adelstochter eine viel besuchte Touristenattraktion – gaben sich die beiden sehr harmonisch, sie neckten und herzten sich. Und Giorgia Meloni versicherte dem Publikum, „dass wir nicht das gleiche Ende wie Romeo und Julia nehmen werden“. Das berühmteste Liebespaar der Weltliteratur nahm sich, wie man weiß, das Leben.
Soweit wird es in der Tat nicht kommen bei den beiden Rechtsaußen der italienischen Politik – aber Romeo alias Salvini hat große Angst vor Julia alias Meloni. Salvinis Lega ist in den Umfragen auf 15 Prozent abgesackt, nach 34 Prozent
bei den Europawahlen 2019. Umgekehrt haben Melonis Fratelli d'Italia im gleichen Zeitraum ihren Stimmenanteil von sechs auf 22 Prozent beinahe vervierfacht.
Stunde der Wahrheit
Bisher handelte es sich nur um Umfragewerte, aber am Sonntag werden echte Stimmen ausgezählt – es naht die Stunde der Wahrheit. Falls sich die Prognosen bestätigen, dann ist Salvini im Hinblick auf die Parlamentswahlen im März 2023 seinen Führungsanspruch im Rechtslager los. Denn zwischen Salvini und Meloni gibt es einen ungeschriebenen Pakt, der in Verona einmal mehr bekräftigt wurde: „Wer von uns bei den Parlamentswahlen eine einzige Stimme mehr erzielt, wird das Land regieren“, erklärte Salvini, der vom Sieg der Rechten in neun Monaten überzeugt ist. Diese Überzeugung teilen viele in Italien – aber nur noch wenige würden heute noch darauf wetten, dass der nächste Premier Salvini heißen wird. Bei den Kommunalwahlen droht ihm weiteres Ungemach: Je nach Ausmaß der eventuellen Niederlage gegen Meloni riskiert Salvini auch seinen Posten als Parteichef. Mit besonderer Spannung werden innerhalb der ehemals autonomistischen Lega die Resultate in Norditalien erwartet. Sollte Meloni ihren Konkurrenten nun auch in traditionellen Lega-Hochburgen überflügeln, dürfte es sehr eng werden für Salvini. Im Zentrum und im Süden des Landes ist die Lega ohnehin chancenlos gegen Melonis Partei. Wie sehr sich die Gewichte aber auch schon im Norden verschoben haben, belegt das Beispiel von Verona: Der gemeinsame Kandidat von Salvini und
Meloni für das Bürgermeisteramt ist ein Mitglied der Fratelli d'Italia. Noch vor wenigen Jahren hatte der Lega-Kandidat hier 57 Prozent der Stimmen erzielt.
Von einer Pleite in die nächste
Für den Sinkflug der Lega ist Salvini verantwortlich. Der einstige Shooting-Star der europäischen Rechten scheint jeden politischen Instinkt verloren zu haben und stolpert von einer Pleite in die nächste. Besonders desaströs agiert er, seit sein politisches Idol Wladimir Putin die Ukraine überfallen hat. Um sich von ihm ein wenig zu distanzieren, reiste Salvini kurz nach der Invasion an die polnisch-ukrainische Grenze, um dort einige Flüchtlinge in Empfang zu nehmen. Doch der dortige Bürgermeister zeigte ihm ein T-Shirt mit Putin-Konterfei, wie es Salvini vor ein paar Jahren auf dem Moskauer Roten Platz zur Schau getragen hatte, und erklärte den Lega-Chef zur „unerwünschten Person“.
Zuletzt blamierte sich der LegaChef, indem er eine neue Reise nach Moskau ankündigte – als selbst ernannter Friedensstifter. Als sich herausstellte, dass die Mission weder mit Regierungschef Mario Draghi noch mit dem Außenministerium abgesprochen war, musste Salvini zum Rückzug blasen und die Reise absagen. Selbst Parteifreunde schlugen entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen, und Giorgia Meloni rieb sich die Hände.
Tatsächlich muss Meloni gar nicht viel tun – Salvini demontiert sich seit Wochen selber. In Italien wird er inzwischen mit Vorliebe als Freund Putins, verspottet, zum Teil auch in der eigenen Partei. Sie nehmen Salvini seit Langem übel, dass er die autonomistischen Ideale von Parteigründer Umberto Bossi verraten hat. Eine krachende Niederlage gegen Meloni könnte das Fass in der Lega endgültig zum Überlaufen bringen. Der über die Parteigrenzen hinaus respektierte Luca Zaia gälte als aussichtsreichster möglicher Nachfolger Salvinis als Parteichef. Gewählt wird am Sonntag in rund tausend Kommunen; zu den Urnen gerufen sind neun Millionen Stimmberechtigte.
Eine krachende Niederlage gegen Meloni könnte das Fass in der Lega endgültig zum Überlaufen bringen.