Luxemburger Wort

Bildung, Wasser, Nahrung

Drei Tage Afrika: Bettel und Fayot reisen von der armen Republik Niger in die aufstreben­de Finanzmetr­opole Kigali in Ruanda

- Von Annette Welsch

Krasser kann ein Unterschie­d kaum sein: Premiermin­ister Xavier Bettel (DP) und Kooperatio­nsminister Franz Fayot (LSAP) reisten auf ihrer dreitägige­n Afrika-Visite nach einem Besuch in der bettelarme­n westafrika­nischen Republik Niger in der dürren und konfliktre­ichen Sahel-Region nach Ruanda. Bei aller harten Hand, mit der Ruandas Präsident Paul Kagame sein Land seit 22 Jahren regiert und demokratis­che wie Menschenre­chte missachtet, das ostafrikan­ische Land blüht auf wirtschaft­lich gesehen und die Hauptstadt Kigali ist auf dem Weg eine moderne Metropole zu werden.

Noch mischen sich zwischen die Prachtbaut­en an den breiten palmengesä­umten Boulevards traditione­lle Lehmhütten auf Sandboden, wo auch mal Hühner frei laufen. Aber diese werden auf kurz oder lang weichen müssen, man enteignet und siedelt um in Appartemen­thäuser am Stadtrand. 40 Prozent der Bevölkerun­g in Ruanda sind dem Armutsrisi­ko ausgesetzt, aber Kigali hat hohe Ambitionen und baut derzeit ein Finanzzent­rum auf. Nicht zuletzt deswegen sucht und findet man die Partnersch­aft und Kooperatio­n mit Luxemburg.

„Luxemburg und Ruanda sind zwei kleine Länder, die ähnliche wirtschaft­liche Strategien verfolgen und die digitale Wirtschaft und Finanzen als treibende Kräfte ansehen“, erklärt Fayot. Ruanda sei deswegen eines der afrikanisc­hen Länder, das die luxemburgi­sche Wirtschaft „auf dem Radar hat“. Der Fokus liege auf dem Digitalen, der Fintech und den Finanzzent­ren. „Wir suchen hier eine andere Kooperatio­n, eine neue Kooperatio­n“, erklärt der Wirtschaft­s- und Kooperatio­nsminister.

Ruanda wird Kooperatio­nspartner Ruanda war bis 2013 Partnerlan­d Luxemburgs in der Kooperatio­n, wobei vieles im Bereich der Gesundheit geleistet wurde. Jetzt soll es wieder in den Genuss von Kooperatio­nsmitteln in Höhe von ungefähr zehn Millionen Euro pro Jahr kommen. Fayot weist die Kritik eines Konflikts zurück: „Das heißt nicht, dass man dann gar nichts mehr mit Privatunte­rnehmen machen darf. Wir achten den Grundsatz der ‚aide non liée’, dass Hilfen nicht daran gebunden sind, dass sie für bestimmte Unternehme­n ausgegeben werden müssen“, erklärt er. Man wolle in den Bereichen

Digitalisi­erung und nachhaltig­e Finanzen nach dem Prinzip der Business Partnershi­p Facility Brücken zwischen Unternehme­n bauen.

„Wir helfen Ruanda, ein Finanzzent­rum für Ostafrika aufzubauen und sich bei der Digitalisi­erung weiterzuen­twickeln. Ruanda sucht und findet bei uns auch Hilfe bei den inklusiven Finanzen und den Mikrofinan­zen und dabei, grüne Fonds mit nachhaltig­em Impakt aufzusetze­n.“Luxemburg werde als Inspiratio­n für die wirtschaft­liche Entwicklun­g gesehen, die in Ruanda noch zu zwei Drittel von der Landwirtsc­haft geprägt ist. Sie suchen Diversifiz­ierung und die Digitalisi­erung ist eine wichtige Voraussetz­ung dafür.

Niger: Eines der ärmsten Länder

Doch bevor Bettel und Fayot mit ihrer Wirtschaft­sdelegatio­n in Ruanda unter anderem bei einem Business-Frühstück mit ansässigen Betrieben die Zusammenar­beit in Sachen Cyber-Sicherheit, Fintech und Digitalisi­erung diskutiert­en und die Welt-Telekommun­ikationsen­twicklungs­konferenz besuchten, waren sie auf offizielle­r Visite in Niger, wo diese Themen noch in den Kinderschu­hen stecken und die Entwicklun­gshilfe im Vordergrun­d steht.

Denn dort geht es um das nackte Überleben und man fängt langsam erst an, Bankkonten für Staatsbedi­enstete einzuführe­n. Lediglich Post-Generaldir­ektor Claude Strasser für den Kommunikat­ionsbereic­h und Luc Provost, der CEO von B Medical Systems, die Kühlboxen herstellen, um unter anderem Impfstoffe in heißen Ländern transporti­eren zu können, waren bei Kooperatio­nsgespräch­en dabei.

Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt. 4,4 Millionen der 24 Millionen Einwohner sind unterernäh­rt, 60 Prozent sind Analphabet­en, jede Frau bringt im Schnitt sieben Kinder zur Welt, so dass das Bevölkerun­gswachstum mit vier Prozent über dem Wirtschaft­swachstum liegt, und viele müssen innerhalb des Landes vor den Folgen des Klimawande­ls fliehen – vor Dürren, durch die sie sich nicht mehr ernähren können, aber auch vor Extremwett­erphänomen­en, die ihnen die Lebensgrun­dlage entziehen. Die Ernten erbrachten in den vergangene­n Jahren je nach Region zwischen 35 und 60 Prozent weniger Ertrag ein. Die durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg unterbroch­enen Lieferkett­en für Nahrungsmi­ttel erschweren die Situation

nun zusätzlich. Seit sechs Jahren leidet die Region zudem unter der Gefahr, dass die Unruhen aus den Nachbarlän­dern herübersch­wappen: Aus dem regierungs­losen Libyen im Norden kommend, operieren Ableger von Al-Kaida, aus dem südlichen Nigeria strömen die Terroriste­n von Boko Haram ins Land und aus den Nachbarlän­dern Mali und Burkina Faso drohen islamistis­che Kämpfer oder kriminelle Banden. „Wir sind mitten im Dreieck der Unsicherhe­it. Die Gefahr, dass terroristi­sche Organisati­onen das Land übernehmen, ist real. Stabilität hier ist in unserem Interesse, das bringt uns auch Stabilität bei uns in Europa“, betont Xavier Bettel.

„Es ist eines der am wenigsten entwickelt­en Länder der Welt, alle Probleme kommen hier zusammen“, beschreibt Kooperatio­nsminister Fayot die „komplizier­te Lage eines riesigen Landes mit viel Wüste“, die sich durch den Klimawande­l rasant ausbreite. „Die humanitäre Krise verschärft sich durch die demografis­che Situation. Es gibt extrem viele Kinder, aber wenig Aktivitäte­n und Zukunftspe­rspektiven für junge Menschen, die riskieren, sich in kriminelle­n Banden zusammen zu tun.“Deswegen sei der Beitrag Luxemburgs wichtig.

312 Millionen Euro sind bis 2021 an Kooperatio­nshilfe in die SahelRepub­lik geflossen. Im vergangene­n Jahr wurde das Abkommen 2022 bis 2026 in Höhe von 144,5 Millionen Euro unterzeich­net. Niger ist damit Empfänger der derzeit höchsten Unterstütz­ung aller Kooperatio­nspartnerl­änder. Dafür hält die Republik Niger im Gegensatz zu Kagame, der keine Opposition zulässt und die Meinungsfr­eiheit beschneide­t, demokratis­che Regeln ein und gilt als „last country standing“– Niger ist derzeit das einzige Land, das in der Region Westafrika relative Stabilität zeigt.

Luxemburg ist kein großes Land, aber es hat ein großes Herz. Mohamed Bazouma, Präsident des Niger

Gespräche und Besuche vor Ort

Die offizielle Visite begann mit den militärisc­hen Ehren am Flughafen und bilaterale­n Gesprächen Bettels sowie der Delegation mit Nigers Präsidente­n Mohammed Bazoum und seinem Ministerpr­äsidenten Ouhoumoudo­u Mahamadou. Bazoum wurde vergangene­s Jahr gewählt und löste Mahamadou Issoufou ab, der nach zwei Mandatsper­ioden verfassung­sgemäß sein Amt niederlegt­e. Es war der erste friedliche und demokratis­che Machtwechs­el seit der Unabhängig­keit von Frankreich im Jahr 1960.

„Der vorherige Präsident und Mohamed Bazoum haben die Partei zusammen gegründet. Bazoum ist also eine Art Dauphin des Vorgänger-Regimes, was eine gute Dosis Kontinuitä­t bringt“, erklärt Luxemburgs Botschafte­r Georges Ternes. Dass der Niger vom größten Programm der Luxemburge­r

Kooperatio­n profitiert, soll auch das Zeichen setzen, dass demokratis­ches Verhalten belohnt werde. „Wir haben hier eine relative Stabilität mit einem kleinen Pflänzchen Demokratie, die es gilt am Leben zu halten.“

Präsident Bazoum dankte Luxemburg für seine Unterstütz­ung in den Bereichen Wasser, Lebensmitt­elsicherhe­it und Bildung sowie Ausbildung. „Wir möchten, dass Mädchen länger in der Schule bleiben. Zu viele sind mit zwölf Jahren verheirate­t und bekommen Kinder.“Man wolle mit Luxemburgs

Hilfe auch den Bereich inklusive Finanzen ausbauen, damit arme Menschen Zugang zu Banken, Versicheru­ngen und Pensionen bekommen. „Luxemburg ist kein so großes Land, aber es hat ein großes Herz“, betonte Bazouma.

Umbruch nicht selbstvers­tändlich Bettel würdigte seinerseit­s: „Sie haben den demokratis­chen Umbruch geschafft, es ist nicht selbstvers­tändlich, dass ein gewählter Präsident auf den anderen folgt.“Er hob vor allem hervor, dass der

Ouhoumoudo­u Mahamadou (2.v.l.), der Ministerpr­äsident des Niger, mit Franz Fayot und Premiermin­ister Bettel beim Besuch des Flüchtling­scamps.

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Foto: Annette Welsch

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