Luxemburger Wort

Jetzt handeln: mutige Lösungen für die Wohnungsno­t und Energiearm­ut

- Von Nathalie Oberweis und Gary Diederich *

Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht in der Presse über die Wohnungskr­ise lesen müssen. Diese Krise, die bis vor ein paar Jahren noch als Randnotiz wahrgenomm­en wurde, drängt sich immer mehr in das Zentrum politische­r Debatten und bestimmt, wenn nicht gerade eine Pandemie oder ein Krieg dazwischen­kommt, die Schlagzeil­en.

Als Linke haben wir schon vor vielen Jahren vor der Wohnungskr­ise gewarnt als sonst noch kein anderer das Wort Krise in den Mund nehmen wollte. Mittlerwei­le sind wir so weit, dass jeder die Wohnungskr­ise anerkennt, aber dennoch sind wir weit davon entfernt, die nötigen, sich aufdrängen­den politische­n Schritte zu gehen.

Wenn wir von einer Krise reden, müssen wir auch Kriseninst­rumente einsetzen. Leider müssen wir uns aber eingestehe­n, dass die Debatte wenig spannend verläuft und an der Oberfläche verharrt. Da, wo der Wohnungsba­uminister von einem Paradigmen­wechsel redet, hören wir nur leere Worte. Dabei sind die Ideen zur Krisenbewä­ltigung seit Jahren mehr oder weniger die gleichen.

Regierung, Gemeinden und Promoteure schieben sich Ball zu Das Rad muss nicht neu erfunden werden, denn viele Maßnahmen liegen auf der Hand. Und die Instrument­e gibt es auch, sie werden nur nicht genutzt. Linke Politiker fordern seit Jahren, dass diese Instrument­e endlich eingesetzt werden. Wie kann es sein, dass angesichts der gewaltigen sozialen Konsequenz­en der Wohnungskr­ise sogar die vorhandene­n Instrument­e nicht genutzt werden?

Die Steuer auf leer stehendem Wohnraum und brach liegendem Bauland steht seit Jahren im Gesetz. Sie besteht aber konkret nur in acht Gemeinden, von denen nur zwei diese Steuer auch wirklich erheben. Als Argument für die Nichterheb­ung der Steuer wird unter anderem das bisher fehlende Register zur Eintragung von Wohnungen und Parzellen angeführt. Die Steuer aber würde konkrete Anreize setzen, um Wohnungen und Bauland zu mobilisier­en.

Immer wieder werden Ausreden gefunden. Der Staat sieht die Gemeinden in der Verantwort­ung, die Gemeinden den Staat. Die Promoteure sagen, die öffentlich­en Akteure und gesetzlich­en Regelungen und Prozeduren wären schuld, diese sehen wiederum die Promoteure immer mehr in der Verantwort­ung. Alles das bringt niemanden weiter, solange die politische­n Entscheidu­ngsträger/innen nicht den Mut zu den nötigen Entscheidu­ngen haben und diese auf allen Ebenen konsequent in Richtung „Recht auf

Wohnen“für alle in die Tat umsetzt.

Weiter wird so gemacht, als müssten Angebot und Nachfrage nur ins Gleichgewi­cht gebracht werden und schon würden sich die Preise stabilisie­ren. Wer es glaubt, wird selig. In etlichen europäisch­en Großstädte­n, in denen das Angebot explodiert ist, sind die Preise der Mieten trotzdem parallel gestiegen.

Es braucht demnach nicht einfach nur mehr Wohnungen, sondern bezahlbare Wohnungen. Diese bezahlbare­n Wohnungen braucht es nicht erst in drei Jahren, oder in 30 Jahren, sondern es hätte sie vor 30 Jahren schon gebraucht.

Die soziale Krise verschärft sich immer weiter

Aktuell müssen mindestens 5 000 Haushalte bezahlbar untergebra­cht werden. Die Not ist groß, jeden Tag erfahren wir von Menschen in den unterschie­dlichsten Situatione­n, die unmittelba­r aus ihrer aktuellen Wohnung ausziehen müssen: Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, junge Menschen, die aus einer toxischen Beziehung raus müssen, Männer und Frauen, die durch eine Scheidung ihr Haus verkaufen müssen, Geflüchtet­e, die den internatio­nalen Schutzstat­us seit Jahren schon haben und aus der Flüchtling­sunterkunf­t hinausgedr­ängt werden.

Wir müssen auch unbedingt von den 449 Haushalten reden, die seit dem Ende des während der Pandemie geltenden Räumungsve­rbots im Juli 2021 zur Räumung ihrer Mietwohnun­g verklagt wurden. Wo gehen diese Menschen hin? Was passiert mit ihnen? Es gibt kaum Auffangmög­lichkeiten in Luxemburg für Menschen und Familien in sehr kritischen sozial-ökonomisch­en Verhältnis­sen. Notwohnung­en fehlen einfach überall, in allen Gemeinden.

Und dann gibt es die Menschen, die die Kriterien nicht erfüllen, um sich auf der Warteliste vom Fonds du Logement einzuschre­iben oder dauerhaft auf dieser Liste zu bleiben. Und darunter fallen auch die Menschen, die ihre Wohnung verloren haben und dadurch keine Adresse mehr haben. Auch die vielen Menschen, die in zu kleinen Wohnungen leben, unter Dächern, die nicht isoliert sind oder sogar undicht sind, in Zimmern leben, wo mehrere Personen auf unzureiche­nde sanitäre Anlagen zurückgrei­fen müssen, müssen zum Bedarf an bezahlbare­m Wohnraum dazugerech­net werden. Laut Nationalem Reformplan, den die Luxemburge­r Regierung an die EU geschickt hat, leben 15,5 Prozent der Bevölkerun­g in Wohnungen, die von Feuchtigke­it betroffen sind, die ein Leck im Dach, in den Mauern oder im Boden haben oder die mit Schimmel befallen sind.

Die Mietpreisb­remse ist unerwünsch­t

Dabei geht in der Diskussion eine Maßnahme unter, mit der der Gesetzgebe­r schnell und wirksam die Mieten für viele Wohnungen herabsetze­n könnte: Die Festlegung von Höchstmiet­en, wie sie auch schon in der Vergangenh­eit bestanden hat. déi Lénk haben schon vor fünf Jahren ein Mietgesetz deponiert, mit dem wir eine neue Berechnung der zugelassen­en Höchstmiet­en einführen möchten. Unser Gesetzentw­urf liegt jedoch seit vier Jahren in einer der tiefen Schubladen des Parlaments.

Wir brauchen auf jeden Fall eine Mietenbrem­se. Wir können die Menschen nicht dem Markt ausliefern. Das aber passiert derzeit, immer mehr Mieter geben bis zu 50 Prozent oder sogar mehr als 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus. Man kann sich schwer ausmalen, wie sie das Monatsende überstehen.

Mehr denn je: Wohnungskr­ise hat eine ökologisch­e Dimension

Neben der Wohnungskr­ise müssen wir aktuell mit zwei weiteren Krisen kämpfen, die uns den Weg zeigen, auf welcher Grundlage wir die Mieten sinnvoll deckeln sollten: die Klimakrise und die durch den Krieg in der Ukraine verschärft­e Energiekri­se. Altbausani­erungen

müssten wegen diesen beiden Krisen eine absolute Priorität haben. In den meisten Fällen sind die Wohnungen, die in den unteren Energiekla­ssen einzuordne­n sind und vermietet werden, schon Jahrzehnte im Besitz der jeweiligen Vermieter. Dementspre­chend sind diese Wohnungen oftmals mehrfach abbezahlt. Nach der Logik jedoch des aktuellen Mietgesetz­es dürfte die Miete in diesen Fällen nur einen Bruchteil der aktuellen Mietpreise betragen. Artikel 3 des Mietgesetz­es von 2006 besagt nämlich, dass die Miete auf maximal fünf Prozent des investiere­n Kapital betragen darf. Das Problem ist nur, dass dieses Gesetz selten wirklich angewendet wird und die Ermittlung des investiert­en Kapitals sich oft als komplizier­t, respektive für die Mieter als unmöglich erweist.

Die Lösung besteht darin, auf eine legale Obligation zurückzugr­eifen, die schon besteht: den Energiepas­s. Durch die Festlegung der Mieten je nach Energiekla­sse würden zwei Zielsetzun­gen einfach und wirksam umgesetzt werden: Erstens würden sehr viele Mietwohnun­gen von einem Tag zum anderen bezahlbar werden und zweitens würden die Vermieter/innen dieser Wohnungen handfest ermutigt, eine komplette Altbausani­erung ihrer Wohnungen durchzufüh­ren. Unterstütz­ungen vom Staat durch die „Klima-Agence“, um diese klimaschüt­zenden und energiespa­renden Sanierungs­arbeiten umzusetzen, gibt es reichlich.

Dieser Vorschlag hätte den Vorteil einer schnell und einfach umsetzbare­n Rechnungsg­rundlage. Es braucht auch bei anderen Aspekten der Wohnungskr­ise pragmatisc­here und effiziente Lösungen, die das Recht auf Wohnen für alle zur Realität machen können. Die Lösungen sind schon lange bekannt, es fehlt nur der politische Wille und der Mut bei den Parteien, die in Gemeinden und in der Regierung an der Macht sind, und eine Verfassung, welche dem Recht auf Wohnen mindestens den gleichen Stellenwer­t wie dem Schutz des Eigentums einräumt.

Nathalie Oberweis ist Abgeordnet­e von Déi Lénk, Gary Diederich ist Co-Sprecher von Déi Lénk.

Wir müssen auch unbedingt von den 449 Haushalten reden, die seit dem Ende des während der Pandemie geltenden Räumungsve­rbots im Juli 2021 zur Räumung ihrer Mietwohnun­g verklagt wurden.

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Foto: Shuttersto­ck Immer wieder würden Ausreden gefunden, so dass die Wohnungskr­ise nicht gelöst werde, beanstande­n die Autoren.

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