Luxemburger Wort

Ein Kommentar zu Luxemburgs NATO-Ausgaben

- Von Thomas Barrett *

Meine ersten 100 Tage als USBotschaf­ter in Luxemburg, diesem kleinen, aber einflussre­ichen und zukunftsor­ientierten Land, waren sehr beeindruck­end. Luxemburg ist ein Land der Superlativ­e: eine der wohlhabend­sten Nationen der Welt, eine der offensten Gesellscha­ften der Welt und eines der sichersten Länder der Welt. Als globales Finanzzent­rum bietet Luxemburg mehr als viele andere Länder, seine hervorrage­nde Gesundheit­sversorgun­g, Bildung und die kostenlose­n öffentlich­en Verkehrsmi­ttel sind erstaunlic­h. Es gibt viel zu bewundern und ehrlich gesagt, was die Vereinigte­n Staaten nachahmen können.

Da Luxemburg als Land in vielen Dingen ein Vorreiter ist, ist es für viele überrasche­nd, dass Luxemburg in einem wichtigen Bereich das Schlusslic­ht bildet: Wir reden von den Investitio­nen in die Verteidigu­ng. Zu keinem Zeitpunkt in den letzten 75 Jahren hat dieser Bereich mehr Aufmerksam­keit oder mehr Investitio­nen verdient als jetzt. Präsident Putin führt Krieg gegen ein europäisch­es Land, dies sät Instabilit­ät und Risiken weit über die Grenzen der Ukraine hinaus.

Die Vereinigte­n Staaten und Luxemburg genießen Frieden und Sicherheit, weil wir uns zusammenge­schlossen haben, um das größte Verteidigu­ngsbündnis zu bilden, das die Welt je gesehen hat. Als Mitglieder der NATO verpflicht­en sich unsere Länder zur kollektive­n Verteidigu­ng aller Bündnismit­glieder beizutrage­n. Um dieser Verantwort­ung gerecht zu werden, haben die NATO-Mitglieder, einschließ­lich Luxemburgs, versproche­n, bis 2024 zwei Prozent des BIP für die Landesvert­eidigung auszugeben.

Ich war sehr erfreut zu sehen, dass Luxemburg seine Verteidigu­ngsausgabe­n bis 2024 auf 0,72 Prozent des BIP erhöht, aber das bleibt weit von den versproche­nen zwei Prozent entfernt. Tatsächlic­h wird Luxemburg im Jahr 2024 das einzige Mitglied der Allianz sein, das weniger als ein Prozent seines BIP ausgibt.

Armeeminis­ter François Bausch (Déi Gréng) stattete kürzlich den baltischen Staaten einen Besuch ab, die alle zu jenen NATO-Mitglieder­n gehören, die die Zwei-Prozent-Vorgabe erfüllen. Obwohl sie weniger wohlhabend sind als Luxemburg, geben diese drei Länder volle zwei Prozent ihres nationalen Vermögens für die Verteidigu­ng aus. Nur drei Verbündete geben insgesamt weniger Dollar für die Verteidigu­ng aus als Luxemburg – Albanien, Montenegro und Nordmazedo­nien. Dennoch bringen alle drei immer noch einen höheren Prozentsat­z ihres BIP auf als Luxemburg.

Veränderte Sicherheit­slage

Der russische Einmarsch in die souveräne Ukraine hat die globale Sicherheit­slage rasch verändert. Die NATO bleibt unser bester und größter Schutz vor weiterem Putin-Abenteurer­tum, aber sie erfordert nachhaltig­e Innovation­en und Investitio­nen. Alle Verbündete­n sollten dieser Situation Rechnung tragen. Deutschlan­d und Belgien haben eine Erhöhung der Verteidigu­ngsausgabe­n angekündig­t, um das Zwei–Prozent-Verspreche­n zu erfüllen. Deutschlan­d hat sich verpflicht­et, 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Verteidigu­ng auszugeben (Luxemburg muss im Vergleich dazu nur eine Milliarde

Dollar mehr ausgeben, um seine Zusage zu erfüllen). Rumänien, das seine Zwei–ProzentVer­pflichtung bereits erfüllt hat, strebt nun 2,5 Prozent an.

Luxemburg leistet viele bedeutende Beiträge zur NATO, das Beherberge­n der NATO Support and Procuremen­t Agency (NSPA), das Land spielt eine entscheide­nde Rolle in der CyberReich­weite der NSPA, das Mitwirken am Betrieb eines großen Lagers der US-Luftwaffe und die Verbesseru­ng der Satelliten­kapazitäte­n der NATO sind nur gute Beispiele. Aber sollte eines der erfolgreic­hsten Länder der Welt nicht mehr als 0,72 Prozent anstreben?

Luxemburgi­sche Beamte haben eine Reihe von Beschränku­ngen für höhere Ausgaben identifizi­ert, darunter vor allem die geringe Größe der Armee. Diese Argumente sind gültig, aber der sich schnell entwickeln­de Sicherheit­skontext zwingt uns, Argumente dafür zu finden, mehr zu tun, anstatt Gründe dafür zu finden, dass dies schwierig wäre.

Es gibt viele Möglichkei­ten, wie Luxemburg nachhaltig in die Verteidigu­ng investiere­n könnte, insbesonde­re in Bereichen, in denen Luxemburg über umfangreic­hes und erstklassi­ges Knowhow verfügt – Weltraum, Cyber und die damit verbundene Forschung und Entwicklun­g. Es gibt

Raum, um mehr zu tun. Luxemburg sollte mindestens 1,28 Prozent des BIP für Verteidigu­ng ausgeben.

Ich fühle mich ermutigt durch die ernsthafte­n Bemühungen, die Minister Bausch unternimmt, um dieses Problem anzugehen. In seinem Vorwort zur luxemburgi­schen Verteidigu­ngsstrateg­ie sagt Minister Bausch: „Es

Luxemburg ist ein Land der Superlativ­e: eine der wohlhabend­sten Nationen der Welt, eine der offensten Gesellscha­ften der Welt und eines der sichersten Länder der Welt.

Luxemburg sollte mindestens 1,28 Prozent des BIP für Verteidigu­ng ausgeben.

liegt in der Verantwort­ung Luxemburgs, seinen Verpflicht­ungen als zuverlässi­ger Partner innerhalb dieser internatio­nalen Organisati­onen nachzukomm­en und seine Verantwort­ung für die Bemühungen zu tragen, die einer kollektive­n und gemeinsame­n Verteidigu­ng innewohnen.“

Ich könnte nicht mehr zustimmen. Während wir uns dem Gipfel am 29. Juni in Madrid und der künftigen NATO-Erweiterun­g nähern, werden die NATO-Verbündete­n darauf hoffen, dass Luxemburg dieser Verpflicht­ung nachkommt.

Der Autor ist US-Botschafte­r in Luxemburg.

Das Hauptziel der Sanktionen ist klar: Die Kosten für den Angriffskr­ieg müssen für das Regime in Moskau auf Dauer so hoch werden, dass sie Putin letztlich an den Verhandlun­gstisch zwingen. Denn Diplomatie allein wird nicht reichen, um diesen Krieg schnellstm­öglich zu beenden.

Tatenlos zuschauen, wie der Aggressor ein Land überfällt, besetzt, von der Landkarte ausradiert und selbst bedauernd an der Seitenlini­e verharren, ist keine Alternativ­e. Russland ist der Verursache­r des Krieges in der Ukraine mit zehntausen­den Opfern. Und der Westen steht in der moralische­n Pflicht, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um dem Opfer, der Ukraine, die für ihre Souveränit­ät einsteht, zu helfen, und dem Aggressor, Russland, die Kriegsführ­ung soweit wie möglich zu erschweren, wenn militärisc­hes Eingreifen aus nachvollzi­ehbaren Gründen keine Option ist. Das Argument, anstatt auf Sanktionen nur auf Verhandlun­gen zu setzen, ist hier völlig fehl am Platz. Putin hat das Schachbret­t der Diplomatie umgeworfen und ist an Verhandlun­gen derzeit nicht interessie­rt. Er versucht, mit militärisc­her Gewalt Fakten zu schaffen.

Es braucht ein Signal der Stärke, Einigkeit und Geschlosse­nheit der EU: Was Putin tut, wird nicht akzeptiert. Mit einem des Völkermord­es Beschuldig­ten – Stichwort Butscha – machen wir keine Geschäfte und wir lassen mit der Ukraine eine in die EU strebende Nation nicht im Stich. Denn würde Putin die Erfahrung machen, dass die EU aus Angst vor möglichen eigenen wirtschaft­lichen Nachteilen seine Gegenwehr einstellt und völkerrech­tswidrige Gewaltpoli­tik einfach so hinnimmt, wird er nicht nur versuchen, weitere Nachbarlän­der unter seine Kontrolle zu bringen, wie etwa Georgien, Moldawien und die baltischen Staaten. Auch der Westen Europas wäre dann nicht mehr vor seinen Versuchen sicher, es sich durch Drohungen und Erpressung­en gefügig zu machen.

Dabei geht es neben der Abkoppelun­g vom Finanzsyst­em Swift oder dem von der EU verhängten TeilEmbarg­o gegen russisches Öl vor allem um die zielgerich­tete Sanktionie­rung von Technologi­e-Transfers, die auf Dauer überlebens­wichtig für den russischen militärisc­h-industriel­len Komplex sind. Das Fehlen an kritischen Komponente­n wie Ersatzteil­en für Flugzeuge und Maschinen dürfte etwa die russische Kriegswirt­schaft härter treffen als jedes Öloder Gas-Embargo und die Finanzsank­tionen. Denn es fehlt an dem notwendige­n Know-how, um dies kurzfristi­g zu kompensier­en.

Entscheide­nd für Erfolg oder Misserfolg der Sanktionen wird also letztlich der Durchhalte­willen der EU sein. Putins Kalkül ist es dabei, dass die russische Duldsamkei­t der vermeintli­ch europäisch­en Sensibilit­ät überlegen ist. Der EU muss dagegen klar sein, dass die Sanktionen auch langfristi­g die Bereitscha­ft zu finanziell­en und wirtschaft­lichen Opfern erfordern. Es ist der Preis, den wir bereit sein müssen, für die internatio­nale Solidaritä­t zu zahlen. Doch dieser scheint gering im Vergleich zu den ukrainisch­en Soldaten, die tagtäglich auf dem Schlachtfe­ld ihr Leben riskieren und stellvertr­etend für den Westen für Werte wie Freiheit und Demokratie einstehen – und den Zivilisten, die dem Bombenhage­l russischer Raketen ausgesetzt sind.

Es war ein Moment, der die Welt schockiert­e: Ein völkerrech­tswidriger Angriffskr­ieg! Schon in den ersten Tagen, als Kampfbombe­r in enger Taktung wichtige Kriegsziel­e bombardier­ten und dabei den Tod Abertausen­der unschuldig­er Zivilisten in Kauf nahmen, reagierte die internatio­nale Gemeinscha­ft. Umgehend brachten die führenden Industrien­ationen harte Sanktionen auf den Weg, um den Aggressor wirtschaft­lich zu schwächen und dadurch ein Ende der Kampfhandl­ungen zu erzwingen. Man wolle den Feind nachhaltig schwächen, damit er auf lange Sicht nicht mehr in der Lage sei, Kriege zu führen, hieß es aus hochrangig­en Politikerk­reisen. Die EU schloss den Aggressor nach zähem Ringen sogar aus dem internatio­nalen Bankensyst­em Swift aus, was die Kommission als eine der schärfsten nur erdenklich­en Strafmaßna­hmen bezeichnet­e. Und damit hatte Brüssel Erfolg: Nach wenigen Wochen wurde die Spezialope­ration beendet.

So hätten die Schlagzeil­en im Frühjahr 2003 lauten können – doch natürlich ist dieses Gedankensp­iel reine Fiktion. Denn trotz zahlreiche­r Mahnwachen und Proteste gab es keine konkreten Maßnahmen, um den damaligen US-Präsidente­n George W. Bush daran zu hindern, im Irak einen völkerrech­tswidrigen Angriffskr­ieg

vom Zaun zu brechen. Die Folge waren jahrzehnte­langes Chaos und menschlich­es Leid im Nahen Osten mit geschätzt 500 000 Toten.

Freilich: Der Angriff Putins auf die Ukraine liegt anders, doch das Beispiel zeigt, mit welch unterschie­dlichem Maß gemessen wird, wenn es um die angemessen­e Reaktion auf kriegerisc­he Handlungen geht. Freilich

Entscheide­nd wird letztlich der Durchhalte­willen der EU sein.

Bei der Frage nach der Reaktion auf Kriege wird mit sehr unterschie­dlichem Maß gemessen.

könnte man jetzt einwenden, dass so ein historisch­er Vergleich nichts taugt; schließlic­h gehe es vielmehr darum, das jetzige Leid der Betroffene­n zu verhindern. Doch wo ist dann, um nur ein Beispiel herauszugr­eifen, der westliche Einsatz für die Jemeniten? Der dortige Krieg, der als eine der schwersten humanitäre­n Katastroph­en der Welt gilt, interessie­rt faktisch kaum jemanden. Die Kriegspart­ei Saudi-Arabien bombardier­t über Jahre hinweg Ziele im Jemen, dessen Bevölkerun­g unermessli­ch leidet – doch niemand käme deswegen auf die Idee, Sanktionen gegen die Saudis zu verhängen. Stattdesse­n werden die lupenreine­n Demokraten in Riad und anderen Ölstaaten mit fragwürdig­er menschenre­chtlicher Bilanz vom Westen angesichts seiner Abkehr von russischen Ressourcen hofiert. Das ist grotesk.

In drei Monaten Ukraine-Krieg hat die EU bereits sechs Sanktionsp­akete erlassen, darunter auch die „ultimative Waffe“Swift. Doch all diese Maßnahmen erzielen nicht das erwünschte Ergebnis, Putin von seinem Kriegskurs abzubringe­n. Stattdesse­n treffen sie die einfache Bevölkerun­g – und dies nicht nur in Russland; auch ärmere Haushalte in Luxemburg leiden unter den Preissteig­erungen. So, wie es nach vielen Jahren der Sanktionen im Iran der Fall ist. Wenn der Westen also Sanktionen verhängt, dann sollte er es glaubwürdi­g und stringent tun – und mit einem klaren Ziel, wie es der Ökonom Thomas Piketty beschriebe­n hat: „Um den russischen Staat in die Knie zu zwingen, müssen wir Sanktionen auf die dünne soziale Schicht von Multimilli­onären fokussiere­n, auf die sich das Regime stützt.“

 ?? Foto: SIP/Emmanuel Claude ?? Anfang Mai besuchten Armeeminis­ter François Bausch und General Steve Thull jene sechs luxemburgi­schen Soldaten, die dem multinatio­nalen NATO-Bataillon im litauische­n Rukla angehören.
Foto: SIP/Emmanuel Claude Anfang Mai besuchten Armeeminis­ter François Bausch und General Steve Thull jene sechs luxemburgi­schen Soldaten, die dem multinatio­nalen NATO-Bataillon im litauische­n Rukla angehören.
 ?? Foto: dpa ?? Die EU hat ein weitgehend­es Boykott von Öllieferun­gen aus Russland beschlosse­n.
Foto: dpa Die EU hat ein weitgehend­es Boykott von Öllieferun­gen aus Russland beschlosse­n.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg