„Wir finden einfach keine Mitarbeiter“
Gastronomen sind verzweifelt – erst fehlten die Gäste, jetzt fehlen die Kellner und Köche
Thomas Xiberras arbeitet seit 20 Jahren in der Gastronomie in Luxemburg, ist mit Leib und Seele Servicekraft. Nach einer Pause in der schwierigen Corona-Zeit ist er wieder in den Beruf eingestiegen und erlebt jetzt eine Krise wie er sie noch nie erlebt hat. Erst fehlten die Gäste, jetzt fehlen die Mitarbeiter. „Das ist ganz schlimm“, sagt er. „Viele Kollegen haben den Job gewechselt und kommen nicht mehr zurück.“Für ihn und sein Team heißt das: mehr Arbeit, mehr Stress, mehr laufen.
„Die Lage ist hochdramatisch“, sagt Jean S., Geschäftsführer des Restaurants Le Rabelais in Luxemburg-Stadt. „Der Markt ist leer, es meldet sich einfach keiner.“Auch Studenten würden sich nicht bewerben. „Es kommt niemand vorbei. Viele junge Menschen haben keine Lust auf Arbeit, beziehen offensichtlich lieber Arbeitslosengeld als monatlich 200 oder 300 Euro mehr zu verdienen. Ein Bewerber hat mir mal gesagt: Ich möchte gerne Bürozeiten haben und von 10 bis 16 Uhr arbeiten.“Wenn nicht gegengesteuert werde, „dann sei der Beruf am Ende“.
Für den Geschäftsführer an der Place d'Armes und auch seine Gäste hat diese Personalnot inzwischen Folgen: „Wir haben nur die Hälfte der Terrasse geöffnet, 45 Tische statt 80.“Sein dringender Appell an die Politik: Endlich klare Beschlüsse fassen! „Ich habe dem Mittelstandsminister Delles erklärt, wo genau die Probleme liegen, und seine Antwort lautete: Ah, das wird schon gehen!“
Die Personalnot in der Branche bekommt auch Pierre Godin zu spüren. Er ist Manager einer bekannten Brasserie auf der Place d'Armes. „Fünf, sechs Mitarbeiter mehr könnten wir hier sicher gut gebrauchen“, sagt er. Doch die zu finden, sei seit Beginn der Pandemie noch schwieriger geworden als früher. Auf die Anzeigen melde sich niemand. Nach den Lockdowns habe die Branche die verlorenen Mitarbeiter nicht zurückgewinnen können, die seien in andere Wirtschaftsbereiche abgewandert, mit durchgehenden Arbeitszeiten. „Sie haben einen Job als Bus- oder LKW-Fahrer oder als Lagerarbeiter gefunden“, sagt der Manager. „Die wollen nicht mehr an Wochenenden und spätabends arbeiten.“Auch die Hotelfachschule könne keine Abhilfe schaffen. „Die Kapazität liegt bei ungefähr 1 000 Plätzen, aber nur ein Viertel der Schüler beginnt eine Ausbildung in der Gastronomie, die Zahl ist seit Jahren rückläufig.“Hinzu kommt, dass in der Gastro-Branche auch Minijobber beschäftigt waren. Das war im Lockdown ein entscheidender Nachteil, denn diese Jobs konnten nicht über Kurzarbeit gehalten werden. Zurück seien sie nicht mehr gekommen, da vielen die Branche zu unsicher geworden sei.
Der Roboter, Freund oder Feind?
Fachkräfte aus dem Ausland zu holen, „daran haben wir gedacht, aber die Immobilienpreise halten die Fachkräfte davon ab, ins Land zu kommen“, sagt Pierre Godin und schmunzelt: „Bald werden im Gastrogewerbe Roboter eingesetzt, die werden den Job in der Küche selbst erledigen!“
Luxemburg ist mit diesem Phänomen nicht allein: In Frankreich und bei den deutschen Nachbarn haben Restaurants inzwischen die Öffnungszeiten angepasst und bleiben wegen des Personalmangels
öfter geschlossen. In Asien und in den USA kämpfen Betriebe mit ähnlichen Problemen – und sie versuchen es tatsächlich mit Automatisierung und Digitalisierung zu lösen. In China setzt man in den großen Metropolen immer öfter auf digitale Lösungen und Maschinen: Service-Roboter stellen Kaffee zu und fahrende Kellner-Roboter nehmen die Bestellung auf. In den USA setzen große FastFood-Ketten angesichts der angespannten Lage am Arbeitsmarkt Roboter in der Küche ein.
Und Luxemburg? Ein Branchenkenner meint, dass die zunehmende Automatisierung in der Gastronomiebranche zwar eine Antwort auf den Personalmangel sein könne – das aber nur in wenigen Teilbereichen. „Den Koch kann man nicht ersetzen, dafür bin ich zu lange in der Branche. Wir kochen täglich frisch, haben saisonale Produkte. Diese Aufgabe werden die Roboter nicht meistern können.“
„Es fehlen 2 000 Arbeitskräfte“
„In Luxemburg ist der Markt völlig leer gefegt“, bestätigt François Koepp, Generalsekretär des Verbands der Hoteliers, Restaurantbesitzer und Cafetiers (Horesca). Die Reserven in der Großregion seien aufgebraucht. „Wenn das Geschäftsklima bis Ende des Jahres unverändert bleibt, werden rund 2 000 Fachkräfte fehlen“, hat er berechnet. Aushilfen wie Schüler und Studenten hätten sich merklich rarer gemacht. Auch Saisonarbeitskräfte seien keine wichtige Unterstützung mehr. „Ich glaube, Luxemburg hat nur noch 400 Saisonarbeiter.“
Was kann getan werden, um die Jobs in der Gastronomie attraktiver zu gestalten? „Das große Problem ist der Wohnungsmarkt, das ist klar.“Nur die Regierung könne dieses Problem lösen. Fachkräfte aus den direkten Nachbarländern zu nehmen, sei keine Alternative: „Dort steigen jetzt auch die Löhne.“Ab Oktober soll etwa der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland verbessert werden. „Viele Mitarbeiter werden dann wohl zurück in die Heimat kehren, weil sich der Job in Luxemburg nicht mehr lohnt. Dort gibt es schließlich auch einen großen Personalmangel.“
Den Fortschritt sieht François Koepp im Bereich der Ausbildung von Nachwuchskräften und der Zuwanderung aus Drittländern. „Es könnte zum Beispiel um die Frage gehen, wie wir Personal etwa auf Kap Verde ausbilden und dann qualifizierte Mitarbeiter in unsere Betriebe holen.“Gleichzeitig müsse aber auch die Wohnungsfrage geklärt werden. Neben der Zuwanderung sieht Koepp die neuen und alternativen Arbeitszeitmodelle als Lösungsvorschlag. „Wir müssen unsere Gesetzgebung ändern, neue Modelle einführen, ohne dabei sofort wieder in etwas zu verfallen, in dem man für alles Extragebühren bezahlen müsste. Eine Änderung der Verteilung der Arbeitszeit wäre ein guter Weg, um die Mitarbeiter an uns zu binden.“
Bald werden im Gastrogewerbe Roboter eingesetzt, die werden den Job in der Küche selbst erledigen! Pierre Godin