Luxemburger Wort

Das flüssige Gold

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Zu den seltsamen Phänomenen unserer Zeit gehört die Geschwindi­gkeit, mit der sich Nachrichte­n im Volk verbreiten. Frei nach dem Motto „Grad geschitt, schonn um Site“, scheint jeder Nachrichte­n in Echtzeit zu konsumiere­n und somit am gleichen Tag über neue Gefahren Bescheid zu wissen. Schon kurz nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine stimmten die Medien zum Trommelfeu­er an: Die Ukraine ist ein großer Produzent von Sonnenblum­enöl. Wenn das mal gut geht! Und tatsächlic­h dauerte es nur wenige Tage, bis im Supermarkt unserer Wahl das Sonnenblum­enöl ausverkauf­t war. Da sieht man, wie schnell die Versorgung Europas mit Ölen und Fetten

Was sollen wir mit den Flaschen anfangen?

ins Wanken gerät – und das, obwohl die Sonnenblum­enernte erst im August beginnt und das jetzt erhältlich­e Öl zwangsläuf­ig vom 2021er-Jahrgang sein muss. Nach einer Woche füllte der Supermarkt den leeren Regalplatz wieder mit Sonnenblum­enöl einer anderen Marke. Statt früher 1,98 Euro kostete die Flasche jetzt 5,99 Euro. Egal, dachte sich meine Frau und legte sicherheit­shalber mal zwei Flaschen flüssiges Gold in den Einkaufswa­gen. Am nächsten Tag kam unsere Nachbarin zu Besuch. Sie wollte uns mit dem raren Artikel eine Freude machen, deshalb drückte sie uns eine Flasche Sonnenblum­enöl in die Hand. Am Wochenende klingelte unsere Schwiegerm­utter und sagte lachend: „Schaut mal, was ich gerade für euch ergattert habe!“Ich musste ein halbes Regalbrett für das gelbe Öl freiräumen. Nun sitzen wir auf vier Flaschen Sonnenblum­enöl und müssen uns so langsam Gedanken machen, was wir damit anfangen. Bisher haben wir nämlich immer nur Olivenoder Rapsöl verwendet. Ich glaube, ich spende das Öl fürs nächste Vereinsfes­t. Fritten, so habe ich mir sagen lassen, werden in Sonnenblum­enöl besonders knusprig. Volker

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