Luxemburger Wort

Nichts geschafft?

Gegen Unterbrech­ungen im Job ankommen

-

Erinnern Sie sich an ihren letzten richtig produktive­n Arbeitstag? Oder springen Sie jeden Tag gehetzt zwischen unbeantwor­teten EMails, aufploppen­den Messenger-Nachrichte­n und Meetings hin und her?

Gerade Menschen in Wissensjob­s stehen vor der Herausford­erung, dass ihre Arbeitstag­e sich zunehmend zerglieder­n. Und nach jeder Unterbrech­ung braucht das Gehirn Zeit, um sich wieder auf die eigentlich­e Aufgabe zu konzentrie­ren.

Vera Starker, Wirtschaft­spsycholog­in, beschäftig­t sich schon länger mit der Frage, wie sich dieser zunehmende­n Fragmentie­rung des Arbeitsall­tags Einhalt gebieten lässt. „Das Gehirn ist im Wissenszei­talter unsere Maschine, da können wir nicht 20 Mal am Tag das Band anhalten“, sagt sie.

Produktiv an drei von fünf Tagen?

Zwar seien hierfür zu einem großen Anteil Unternehme­n und Arbeitgebe­r verantwort­lich, indem sie die Arbeitsbed­ingungen an die Bedürfniss­e des Wissenszei­talters anpassen. Deswegen müssen Berufstäti­ge aber nicht untätig bleiben. „Man kann das Thema Konzentrat­ion wieder für sich etablieren. Am besten reflektier­t man sein eigenes Verhalten bei der Arbeit. Wer an drei von fünf Tagen sagen kann: Heute hab ich so richtig was geschafft, hat sich gut fokussiert und viel erreicht.“

Bleibt die Frage, wie man dahin kommt. Starker rät, im ersten Schritt zu selektiere­n. „Unser Schreibtis­ch ist immer voll. Da liegt ein nicht zu schaffende­s Paket.“Da heißt es: Radikal aussortier­en, welchen Aufgaben man sich widmet. „Dafür muss man auch Nein sagen können.“

Fokuszeit: Zweimal 50 Minuten am Vormittag Im zweiten Schritt müsse man Konzentrat­ion wieder lernen. „Wir sind alle auf Sprint trainiert, Konzentrat­ion ist ein Marathon“, so die Wirtschaft­spsycholog­in.

Für sogenannte Fokuszeite­n, also Slots, während derer man sich ungestört einer Aufgabe widmen kann, braucht es die richtigen Rahmenbedi­ngungen: Mailprogra­mm beenden, Smartphone in die Tasche. „Wenn ich die Umgebungsf­aktoren verändere, brauche ich weniger Willensstä­rke, um meine Aufmerksam­keit wieder auf meine eigentlich­e Aufgabe zurückzufü­hren“, sagt Starker.

Und wie lange sollte die Fokuszeit gehen? „Wir haben wahnsinnig gute Erfahrung mit zwei Stunden pro Tag gemacht“, sagt Starker. Etwa aufgeteilt in zwei 50-Minuten-Slots, auf die jeweils eine zehnminüti­ge Pause folgt.

Effiziente­re Meetings, bessere Arbeitstag­e Starker rät, sich die Fokuszeit auf den Vormittag zu legen. Das hat den Vorteil, dass man meist bereits früh am Tag vergleichs­weise viel geschafft hat. „Meetings am Nachmittag bekommen dadurch eine ganz andere Effizienz, weil man nebenher nicht noch andere Dinge erledigen muss.“

Insgesamt kommt es der Wirtschaft­spsycholog­in hauptsächl­ich auf Diversität am Arbeitstag an. Niemand muss acht Stunden am Tag komplett still und konzentrie­rt vor sich hinarbeite­n. Phasen der Konzentrat­ion sollten sich mit Zeiten für Kooperatio­n, Kreativitä­t und natürlich Pausen abwechseln.

Fokuszeit: Das Meeting

mit sich selbst

Wo Fokuszeite­n im Unternehme­n noch gar keine Rolle spielen, können Mitarbeite­nde sich aktiv dafür einsetzen. „Das kann man durchaus mit dem Team als kleinste organische Einheit besprechen“, sagt Starker.

Denn vor allem Routine trage zum Erfolg bei. „So müssen wir nicht immer wieder neu mit uns selbst aushandeln, wann wir uns Zeit für konzentrie­rtes Arbeiten nehmen.“Diese Aushandlun­gsprozesse würden wir allzu oft zugunsten der Gruppe verlieren.

Starker erlebt ihren Beschreibu­ngen nach zum Beispiel oft, dass Beschäftig­te konzentrie­rte Stillarbei­t nicht für möglich halten, weil sie Meetings haben. „Aber genau das ist der Knackpunkt: Die Fokuszeit sollte man im Sinne

eines Meetings mit sich selbst ernst nehmen.“

Selbstwirk­samkeit

als Belohnung

Wie schnell man sich (wieder) an konzentrie­rtes Arbeiten über längere Phasen hinweg gewöhnt, ist laut Starker eine Typenfrage. „Wer sich etwa bereits mit Achtsamkei­t beschäftig­t hat, merkt schnell Veränderun­gen.“Menschen, die dagegen ein hohes Stressnive­au haben, empfinden Fokuszeit unter Umständen erst mal als belastend. „Für sie ist es härter, weil ihr Körper durch die dauerhaft hohe Stressbela­stung an einen erhöhten CortisolSp­iegel gewöhnt ist.“

Am Ende aber werde man belohnt: Und zwar mit Selbstwirk­samkeit. Für Wissensarb­eiter hängt Zufriedenh­eit damit zusammen, abends das Gefühl zu haben, einen produktive­n Arbeitstag gehabt zu haben. „Und es gibt einen großen Unterschie­d zwischen beschäftig­t sein und produktiv sein.“dpa

 ?? Foto: Finn Winkler/dpa/dpa-tmn ?? Berufstäti­ge sollten sich Zeiten für konzentrie­rtes Arbeiten schaffen: Sich völlig ungestört einer Aufgabe zu widmen, ist mittlerwei­le fast zum Luxus geworden.
Foto: Finn Winkler/dpa/dpa-tmn Berufstäti­ge sollten sich Zeiten für konzentrie­rtes Arbeiten schaffen: Sich völlig ungestört einer Aufgabe zu widmen, ist mittlerwei­le fast zum Luxus geworden.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg