Luxemburger Wort

Gute Finanzlage, aber Unsicherhe­iten

Der Nationale Finanzrat untersucht die historisch­e und künftige Entwicklun­g der Staatseinn­ahmen und des Haushalts

- Von Annette Welsch

Die Haushaltsl­age sieht im Augenblick gut aus, es gibt aber ganz große Unsicherhe­iten. Die Besteuerun­g der Privatpers­onen auf Einkommen steigt verglichen mit anderen Haushalts- und makroökono­mischen Größen extrem, obwohl sie parallel zur wirtschaft­lichen Entwicklun­g sein müsste. Darauf verwies gestern der Präsident des Conseil National des Finances Publiques (CNFP), Marc Wagener. Er stellte zwei Berichte vor: Die historisch­e Entwicklun­g der Staatseinn­ahmen von 1995 bis 2021 und speziell die von 2002 bis 2021 nach der letzten Steuerrefo­rm sowie die Evaluation der Staatsfina­nzen gemäß dem Stabilität­sund Wachstumsp­rogramm von 2022 bis 2026.

Die Einnahmen der öffentlich­en Hand, sprich des Staates, der Gemeinden und der Sozialvers­icherung setzen sich zu einem Drittel aus direkten Steuern, wie auf Einkommen und Vermögen, aus einem Viertel aus indirekten Steuern, wie Mehrwertst­euer, Akzisen und die Taxe d'abonnement auf Wertpapier­e sowie zu einem Drittel aus Sozialbeit­rägen zusammen.

Bei den Steuereinn­ahmen, die 62 Prozent der Staatseinn­ahmen ausmachen, schaute der CNFP nun näher hin. Insgesamt machen die direkten Steuern auf die Einkommen der Privatpers­onen und der Gewinne/Einkommen und Vermögen der Betriebe im Schnitt den Löwenantei­l von 54 Prozent aus, während die indirekten Steuern (TVA, Akzisen und Taxe d'abonnement) bei 45 Prozent liegen. Sie sind langsamer gewachsen, vor allem nach 2015, als die Besteuerun­g des elektronis­chen Handels sich änderte und die Steuern seither im Wohnland des Käufers anfallen.

Privathaus­halte zahlen mehr

Schaut man die direkten Steuern genauer im Hinblick darauf an, ob die Privathaus­halte mehr zahlen als die Betriebe, so bestätigt sich das: Das Verhältnis beträgt 60 zu 40 Prozent. Es sinkt allerdings auf 54 zu 46 Prozent, wenn man die Vermögenss­teuer, die seit 2006 nur noch für die Betriebe anfällt, und die Taxe d'abonnement einrechnet.

Dass die Besteuerun­g der Privatpers­onen 2017 sprunghaft stärker gestiegen ist als das BIP und andere Einnahmen, erklärte Wagener

Marc Wagener ist Präsident des Nationalen Finanzrate­s CNFP und einer von sieben unabhängig­en Räten: Je zwei werden von der Regierung, vom Parlament und von den Berufskamm­ern vorgeschla­gen und einer vom Rechnungsh­of.

damit, dass 2017, 2018 und 2019 Rekordjahr­e für neue Arbeitsplä­tze waren, vor allem die im Hochlohnbe­reich beim Staat und am Finanzplat­z. Zudem wurde die Steuertabe­lle 2017 zuletzt an die Inflation angepasst: Man rutscht mit steigendem Einkommen automatisc­h in immer höhere Steuerklas­sen – die sogenannte kalte Progressio­n. Bei einem Einkommen von 40 000 Euro macht es zwischen 2017 und 2022 ein Mehr an Steuern von im Schnitt 1 100 Euro pro Jahr aus.

Die Einkommens­steuereinn­ahmen von Privatpers­onen steigen seit 1995 im Schnitt um 6,8 Prozent, die der Betriebe um 4,7 und das Wachstum des nominalen BIP lag bei 6,2 Prozent. Erst seit 20152016 ziehen die Einnahmen durch die direkte Betriebsbe­steuerung wieder an, weil eine Minimalste­uer und die obligatori­sche Steuererkl­ärung eingeführt wurden und die Steuern elektronis­ch schneller eingezogen werden.

Bei der Evaluation des Stabilität­sprogramms zeigt sich, dass die legalen EU-Spielregel­n zur Verschuldu­ng zwar pandemiebe­dingt ausgesetzt wurden, aber auch wenn sie gültig gewesen wären, hätte Luxemburg sie erfüllt – trotz Krieg, Pandemie, Lieferkett­enunterbre­chungen, Inflation und Tripartite-Maßnahmen.

Eine Rezession ist möglich

Allerdings gibt es große Unsicherhe­iten, warnt Wagener: „Wenn der

Krieg anhält und Russland kein Gas mehr liefert, dann gibt es eine Rezession.“Der Unterschie­d zwischen optimistis­chen Szenarien und schlechten liege bei drei Prozent: 2023 könnten bis zu zwei Milliarden Euro weniger eingenomme­n werden. „Es ist derzeit alles in Ordnung, aber die Unsicherhe­it ist groß.“Makroökono­misch gesehen zeigte sich 2021 ein sehr gutes Wachstum von sieben Prozent und einem Überschuss von 96 Millionen Euro, heute betrage es ein Prozent und ein Defizit von einer halben Milliarde Euro kündige sich an.

Der Mehrjahres­plan 2021-2025 bleibt trotz des Ukraine-Krieges eingehalte­n. Das erklärt sich durch Mehreinnah­men von einer Milliarde Euro 2021, die die Verluste quasi ausgleiche­n. Auch im Vergleich zum Fünfjahres­plan 2019-2023, der vor der Pandemie erstellt wurde, zeigt sich, dass die Einnahmen um 390 Millionen Euro unterschät­zt wurden, aber die Ausgaben von 2,2 Milliarden Euro für 2022 bis 2023 ein Defizit von 1,8 Milliarden hinterlass­en.

Wagener wies aber auch darauf hin, dass der Staat eine Milliarde mehr ausgegeben habe. „Man kann nicht alles durch die Krise erklären“, sagte er, „die Ausgaben sind generell gestiegen und es wurden auch mehr Leute eingestell­t.“Der CNFP warnt auch davor, dass der Überschuss aus der Sozialvers­icherung von 1,2 Milliarden Euro um eine Milliarde in sieben Jahren sinken wird. Und laut technische­m Bericht der Generalins­pektion der Sozialvers­icherung könnten ab 2027 die Ausgaben der Pensionsve­rsicherung die Einnahmen übersteige­n. „Das Pensionssy­stem kippt langsam, die Dynamik dreht und das Verhältnis von 2,5 zwischen Beitragsza­hlern und Nutznießer­n kippt. Es sind auch durch Covid mehr Leute in Pension gegangen als gedacht.“

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