Luxemburger Wort

Profiteure der Krise

- Von Thomas Klein

Die Fahrt zur Tankstelle wird angesichts steigender Preise für viele Luxemburge­r zunehmend zur Tortur. Daran hat auch die im April in Kraft getretene Senkung der Steuern auf Treibstoff­e nichts geändert. Ebenso mussten die meisten Verbrauche­r in diesem Jahr fette Zusatzkost­en bei ihrer Strom- und Heizrechnu­ng hinnehmen – im kommenden Jahr wird wohl ein weiterer Aufschlag fällig. Gleichzeit­ig verkünden zahlreiche Energiekon­zerne im ersten Quartal satte Gewinnstei­gerungen. BP verdoppelt­e seinen Profit, und der von Shell verdreifac­hte sich fast. Daher haben einige Länder wie Großbritan­nien, Italien oder Ungarn angekündig­t, eine sogenannte „Windfall-Tax“oder Übergewinn­steuer einzuführe­n. Selbst in den sonst sozialisti­schen Umtrieben unverdächt­igen

USA wird laut über eine solche Sonderabga­be nachgedach­t.

Die Idee klingt einleuchte­nd: Dass Konzerne sich aufgrund einer globalen Krise an der Verknappun­g des Angebots von Öl und Gas dumm und dusselig verdienen, während ihre Kunden im Winter im

Haus einen Anorak überwerfen müssen, um nicht zu frieren, und energieint­ensive Firmen plötzlich am Rande der Pleite stehen, widerspric­ht jedem Gerechtigk­eitsempfin­den. Die Unternehme­n sollten also zumindest einen Teil der Gewinne wieder abführen, die sie durch die für sie günstige Marktentwi­cklung einstreich­en.

In der Praxis werfen solche Ideen aber eine Menge Fragen auf: Zum einen ist es in der Realität sehr schwer zu bestimmen, welcher Teil des Profits nun einen Übergewinn darstellt und was einfach durch normale Marktentwi­cklungen zustande gekommen ist. Immerhin mussten die gleichen Firmen aufgrund der geringeren Nachfrage während der Lockdowns deutliche Umsatzrück­gänge hinnehmen und müssen nun in Russland und der Ukraine frühere Investitio­nen abschreibe­n. Zum anderen ist eine Festlegung, auf wen eine solche Sondersteu­er für Krisengewi­nner denn nun anwendbar wäre, zwangsläuf­ig etwas willkürlic­h. So zählen auch Betreiber von Solarparks und Windkrafta­nlagen zu den Profiteure­n der hohen Energiepre­ise. In Italien fordern Politiker, dass die Sondersteu­er auch auf Gewinne von Banken ausgeweite­t wird, die mit Energieder­ivaten handeln. In der Pandemie gehörten die Hersteller der Impfstoffe wie Moderna und Biontech ebenso zu den Krisengewi­nnern wie Technologi­eunternehm­en, die Telearbeit ermöglicht­en oder Waren nach Hause lieferten. In Ungarn werden sogar die Fluggesell­schaften zur Kasse gebeten, die in den letzten beiden Jahren eindeutig nicht zu den Krisengewi­nnern zählten. Unternehme­n treffen Investitio­nsentschei­dungen auch im Hinblick auf bestehende Steuerrege­ln; diese rückwirken­d zu ändern, setzt nicht nur die falschen Anreize, es ist auch fraglich, ob sie im Streitfall gerichtsfe­st sind. Erdölkonze­rne dürften wohl kaum hinnehmen, dass sie steuerlich anders behandelt werden als andere Firmen. Das Steuersyst­em kann helfen, grobe Ungerechti­gkeiten auszugleic­hen, indem es von Gewinnern zu Verlierern umverteilt. Um aber zu beurteilen, welche Gewinne in Krisenzeit­en akzeptabel sind und welche nicht, dafür fehlen ihm die Instrument­e.

Eine Sondersteu­er für Krisengewi­nner ist zwangsläuf­ig willkürlic­h.

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