Irgendeiner muss es am Ende bezahlen
Die Baubranche kämpft mit steigenden Kosten und der Frage, inwieweit diese an die Kunden weitergegeben werden können
Immerhin, eine gute Nachricht gibt es. Oder besser gesagt: Es gibt einen Bereich, in dem sich die Probleme derzeit noch in Grenzen halten. „Mit Lieferengpässen sind wir momentan insgesamt weniger geplagt“, sagt Bob Rinnen, Geschäftsführer von Rinnen Constructions Générales. Was benötigt wird, kann größtenteils auch alles geliefert. Die Frage ist nur: zu welchem Preis? Die Beschaffungskosten für Eisen hätten sich seit Beginn der Pandemie verdoppelt, und bei Granit und Beton seien die Preise ebenfalls extrem gestiegen, erklärt der Bauunternehmer. Und dann sind da noch die hohen Energiekosten, die sich zum einen auf die Produktion und den Transport der Waren auswirken, zum anderen aber auch auf den eigenen Fuhrpark. „Wenn man im Jahr zwischen 1,4 und 1,8 Millionen Liter Sprit benötigt und der Preis pro Liter von einem Euro auf zwei steigt, dann ist die Rechnung schnell gemacht“, sagt Rinnen.
Kostenvoranschläge sind riskant
„Im Moment bekommen die Betriebe zwar noch die Materialien, doch die Lieferanten zögern aufgrund der extremen Preisschwankungen, feste Preise zu nennen, die dann für die gesamte Bauzeit eines Projekts gelten“, erklärt Patrick Koehnen, Generalsekretär der Fédération des Artisans (FDA). Was durch die Corona-Pandemie bereits schwierig geworden sei, habe sich im Zuge des Ukraine-Konflikts weiter verschärft, sagt er. „Der Krieg in der Ukraine und die Lockdowns in Asien verstärken den Mangel an bestimmten Materialien“, heißt es dazu auch seitens der Chambre des Métiers. In einigen Fällen habe dies zu einem rasanten Anstieg der Kosten sowie zu erheblichen Preisschwankungen geführt. Und das mache es den Unternehmen schwer, verbindliche Kostenvorschläge zu erstellen, ohne gleichzeitig ein unternehmerisches Risiko einzugehen. „In einem inflationären Kontext, der wohl noch anhalten wird, fühlen sich die Unternehmen zwischen Hammer und Amboss – da sie direkt vom Preisanstieg ihrer Produktionsmittel betroffen sind und indirekt vom Druck, den die Inflation und der Arbeitskräftemangel auf die Personalkosten ausüben“, so die Handwerkskammer in ihrem vor wenigen Tagen veröffentlichten Quartalsbericht.
Das einfachste für die Betriebe wäre natürlich, die Mehrkosten einfach an die Kunden weiterzugeben. Das allerdings ist nicht so einfach, da die Kunden bei allem Verständnis für die Lage dazu oft nicht bereit oder aber in der Lage sind. „Bei privaten Aufträgen können wir die Mehrkosten nicht einfach eins zu eins auf die Auftraggeber übertragen, und es kommt auch darauf an, was vertraglich vereinbart wurde“, erklärt Koehnen. Je nach Situation müssten sich Unternehmen und Kunden zusammensetzen, um gemeinsam eine Lösung zu finden.
„Bei den privaten Aufträgen ist es in der Regel so, dass bei bereits begonnenen Projekten nicht mehr großartig nachverhandelt werden kann“, erklärt Marco Junk, Inhaber das Bauunternehmens Solid. Schließlich sei das ja in den Aufträgen auch so festgehalten. Anders hingegen sei die Situation bei neuen Projekten. Dort würden sich die extremen Preisanstiege bei Materialien und Energiekosten natürlich auch in den Angeboten niederschlagen, erklärt Junk. Und das bleibe natürlich nicht ohne Folgen: „Den typischen
Wir sind im Blindflug unterwegs Marco Junk, Chef der Baufirma Solid
Einfamilienhausbau gibt es im Moment eigentlich so gut wie gar nicht mehr“, sagt der Solid-Chef. Viele Menschen, die einen Hausbau geplant hätten, wüssten inzwischen gar nicht mehr, wie sie es finanzieren sollen, so Junk. Zumal ja nicht nur die Baukosten gestiegen seien, sondern auch die
Zinsen. „Im Prinzip weiß derzeit keiner, wo die Reise hingeht“, sagt der Unternehmer. „Wir sind im Blindflug unterwegs.“
Letzteres gilt für alle Aufträge und damit auch für die öffentlichen, wo die Situation noch mal eine andere ist. Denn auch dort machen sich die extremen Preisentwicklungen bemerkbar – das allerdings mitunter in völlig anderen Dimensionen. Und das sowohl, was das Bauvolumen betrifft als auch die Bauzeit. Wenn sich ein Projekt über mehrere Jahre zieht, dann wird angesichts des Preisanstiegs die Lücke zwischen den ursprünglich veranschlagten Kosten und denen, die inzwischen dafür in Rechnung gestellt werden müssten, immer größer. Und das könne das Überleben einiger Bauunternehmen gefährden, meint die Handwerkskammer. „Insbesondere, wenn ein Unternehmen, das im Rahmen eines öffentlichen Auftrags den Zuschlag erhält, aufgrund von außerordentlichen Preiserhöhungen die Verpflichtungen nicht mehr einhalten kann, die sich aus der Angebotsabgabe ergeben.“
Dazu muss man wissen, dass die öffentliche Auftragsvergabe gesetzlich dahingehend geregelt ist, dass ein Auftrag dann angepasst werden kann, wenn seit der Einreichung des Angebots erhebliche und unvorhersehbare Preisschwankungen bei den Materialien zu beobachten sind. Das Problem ist allerdings, dass diese Anpassung über eine sogenannte Preisrevisionsformel berechnet wird, die auf dem deutschen Baupreisindex Destatis basiert. Und dieser Index wiederum ist nur auf Preisschwankungen im unteren Prozentbereich ausgerichtet. Bei einem Preisanstieg von drei oder fünf Prozent pro Jahr, kommen die Unternehmen damit zurecht. Bei dem, was sich derzeit auf den Weltmärkten abspielt, ist die Formel jedoch schon längst an ihre Grenzen gestoßen.
Aufwand zu hoch
Um die Kontinuität der öffentlichen Arbeiten zu gewährleisten und das Überleben der Unternehmen nicht zu gefährden, wurde deshalb auf Regierungsebene eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Deren Einsatz soll vorübergehend für Liquidität in den Firmen zu sorgen. Der bürokratische Aufwand ist jedoch recht hoch, weshalb Bauunternehmer wie Junk darauf lieber verzichten. Zumal es ja letztlich auch nicht die Kostenfrage klärt. Der Solid-Chef ist der Meinung, dass die gesetzliche Regelung den Gegebenheiten angepasst werden muss. Und ähnlich sieht das auch der FDA-Generalsekretär. „Wir begrüßen selbstverständlich diese vorübergehenden Lösungen“, so Koehnen. „Jedoch ist es unabdinglich, die aktuelle Preisrevisionsformel definitiv zu überarbeiten.“