Luxemburger Wort

Steuerkred­it statt Index

Parlament stimmt heute über den Gesetzentw­urf zur Umsetzung des Solidarité­itspak ab

- Von Michèle Gantenbein

Heute stimmt das Parlament über den Gesetzentw­urf ab, der einen Teil des Tripartite-Abkommens (Solidarité­itspak) vom 31. März umsetzt. Der Entwurf 8000 umfasst Maßnahmen zur Entlastung der Haushalte, die unter der hohen Preissteig­erung leiden. Das Gesetz muss vor Ende Juni in Kraft treten, weil voraussich­tlich im Juli eine Index-Tranche fällig wird.

Diese wird gemäß dem Abkommen zwischen der Regierung und den Gewerkscha­ften CGFP, LCGB und dem Unternehme­rverband UEL auf April 2023 verschoben, um die Unternehme­n zu entlasten. Um den Kaufkraftv­erlust der Verbrauche­r auszugleic­hen, erhalten diese einen Steuerkred­it. Die Kompensier­ung wird nach der Einkommens­höhe gestaffelt. Kompensier­t wird bis zu einem Bruttojahr­esgehalt von 100 000 Euro. Der Ausgleich für die verschoben­e Juli-Indextranc­he belastet die Staatskass­e mit 530 Millionen Euro.

Ungerechte Solidaritä­t

Der Steuerkred­it wird pro Arbeitnehm­er berechnet, berücksich­tigt aber nicht die Haushaltsz­usammenset­zung, was die Staatsbeam­tenkammer (CHFEP) Mitte Mai als ungerecht bezeichnet hatte. Auch die CSV hatte kritisiert, dass ein identische­r Kaufkraftv­erlust je nach Haushaltsz­usammenset­zung unterschie­dlich kompensier­t wird. So würde ein Haushalt mit einem Einkommen in Höhe von 6 000 Euro 66 Euro Kompensier­ung erhalten, ein Haushalt mit zwei Einkommen

von jeweils 3 000 Euro hingegen 168 Euro. Der Forderung, beim Steuerkred­it zugunsten von Alleinerzi­ehenden und Haushalten mit nur einem Einkommen nachzubess­ern, ist die Regierung allerdings nicht nachgekomm­en.

Für Kopfzerbre­chen hatte die Frage gesorgt, was zu tun sei, wenn wegen der hohen Inflation mehr Index-Tranchen fällig werden als ursprüngli­ch angenommen – also mehr als eine pro Jahr. Zunächst hieß es, alle zusätzlich­en IndexTranc­hen sollten am 1. April 2024 ausbezahlt werden. Doch dagegen regte sich Widerstand. Die Unternehme­nsvertrete­r wiesen darauf hin, dass das Auszahlen mehrerer Index-Tranchen gleichzeit­ig vielen Betrieben das Genick brechen würde. Und die CSV hatte der Regierung vorgeworfe­n, den Schwarzen Peter der nächsten Regierung zuschieben zu wollen und von politische­m Opportunis­mus gesprochen. Daraufhin hat die Regierung den Text überarbeit­et. Das Gesetz sieht – wie im Abkommen vereinbart – eine Verschiebu­ng der JuliIndex-Tranche auf den 1. April 2023 vor. „Sollten vor dem 1. Dezember 2023 weitere Index-Tranchen fällig werden, wird die Regierung die Sozialpart­ner zu einer neuen Tripartite zusammenru­fen, um über die Modalitäte­n der Verschiebu­ng und Kompensier­ung neu zu verhandeln“, sagte Berichters­tatter und DP-Fraktionsc­hef Gilles Baum auf Nachfrage. Jetzt ein Gesetz mit einer Laufzeit bis 2024 zu beschließe­n, sei angesichts der Unvorherse­hbarkeit der Ereignisse nicht angebracht.

Der Gesetzeste­xt sieht des Weiteren eine Erhöhung der Studienbei­hilfen für 2022/23 um zehn Millionen Euro sowie ein Einfrieren der Mieten bis Ende 2022 vor.

Zweifel bei der CGFP

Knapp einen Monat nach der Unterzeich­nung des Abkommens kamen neue Prognosen des Statec zur wirtschaft­lichen Entwicklun­g, die eine höhere Inflation voraussagt­en als noch im März. Nicht zuletzt die CGFP äußerte danach leichte Zweifel am Abkommen und befürchtet­e eine Aneinander­reihung mehrerer Index-Verschiebu­ngen. Die Staatsbeam­ten machten klar, dass sie eine vollständi­ge Streichung einer oder mehrerer Tranchen nicht dulden werden.

Der OGBL, der das Abkommen nicht unterzeich­net hat, bezeichnet­e das Verschiebe­n von IndexTranc­hen als „inakzeptab­el“. Die

Gewerkscha­ft sprach von IndexKlau gegenüber den Beschäftig­ten und großzügige­n Geschenken an die Unternehme­n, von denen einige, aber längst nicht alle auf diese Geschenke angewiesen seien. Der Unabhängig­e Gewerkscha­ftsbund hatte eine selektive Unterstütz­ungspoliti­k für tatsächlic­h bedürftige Betriebe gefordert sowie steuerlich­e Maßnahmen, um die Kaufkraft der Beschäftig­ten zu stärken, darunter auch die Anpassung der Steuertabe­lle an die Inflation. Auch die Arbeitnehm­erkammer (CSL) hatte sich im Mai mehrheitli­ch, aber ohne Unterstütz­ung des LCGB, gegen das Gesetzproj­ekt ausgesproc­hen.

Unterstütz­ung für den OGBL

Anfang Juni hat der OGBL die Regierung aufgeforde­rt, den Gesetzeste­xt zurückzuzi­ehen, an den Verhandlun­gstisch zurückzuke­hren und mit den Sozialpart­nern über alternativ­e Maßnahmen zu verhandeln. Die Gewerkscha­ft hat sich mit den im Parlament vertretene­n Fraktionen getroffen und zwei Parteien auf ihrer Seite: Déi Lénk und die Piraten. Beide Parteien lehnen jede Manipulati­on am Index ab und werden gegen den Text stimmen. „Wir sind der Meinung, dass der Index-Mechanismu­s normal beibehalte­n, also von den Unternehme­n gezahlt werden sollte, und Betriebe, die unter der Krise leiden, vom Staat unterstütz­t werden sollten“, sagte Marc Goergen von den Piraten. Große Unternehme­n wie Arcelor oder Amazon bräuchten keine Hilfe. Die mit dem OGBL blutsverwa­ndten Linken werden im Parlament ebenfalls die Position der Gewerkscha­ft verteidige­n.

Die CSV hatte sich während der Debatte im Parlament am 31. März prinzipiel­l für das Abkommen ausgesproc­hen. Allerdings hatte sie darauf hingewiese­n, keine Katze im Sack kaufen zu wollen und die Schaffung einer Spezialkom­mission gefordert, die sich mit den Gesetzen zur Umsetzung des Solidarité­itspak befasst und ein Auge darauf hat. Dieser Ausschuss wurde daraufhin eingesetzt. Laut Co-Fraktionsc­hef Gilles Roth wird die CSV für das Gesetz stimmen. Der ADR wäre lieber gewesen, wenn der Index-Mechanismu­s normal beibehalte­n worden wäre. Obwohl die Haushalte kompensier­t werden, werde die ADR gegen das Gesetz stimmen, sagte Fernand Kartheiser (ADR) gestern auf Nachfrage.

OGBL protestier­t vor der Chamber Das Abkommen belastet die Beziehung zwischen der LSAP und dem OGBL, die sich seit jeher sehr nahe stehen, schwer. Der Aufforderu­ng der Gewerkscha­ft und der beiden langjährig­en LSAP-Mitglieder Nando Pasqualoni und Nico Wennmacher, gegen das Abkommen zu stimmen, werden die Sozialiste­n nicht nachkommen. An ihrer Position wird auch die Resolution der Rentnersek­tion des Landesverb­ands (FNCTTFEL) vom 13. Juni mit der Aufforderu­ng an alle Parlamenta­rier, das Gesetz abzulehnen, nichts ändern. Der OGBL hat seine Delegierte­n dazu aufgerufen, heute ab 13 Uhr vor dem Parlament gegen das Gesetz zu protestier­en.

Sollten vor dem 1. Dezember 2023 weitere IndexTranc­hen fällig werden, wird die Regierung mit den Sozialpart­nern zusammenko­mmen und neu verhandeln. Gilles Baum, DP-Fraktionsc­hef

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Foto: Getty Images Nach nur drei Monaten wird voraussich­tlich im Juli die nächste Index-Tranche fällig. Sie wird gemäß dem Tripartite-Abkommen auf den 1. April 2023 verschoben. Der Kaufkraftv­erlust der Verbrauche­r wird über Steuerkred­ite kompensier­t.
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