„Hören Sie Ihren Kindern zu!“
Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Kanner-Jugendtelefon spricht über ihren Alltag als Telefonseelsorgerin
Wenn es etwas gibt, was ein Kind bedrückt und es jemanden zum Reden und Zuhören braucht, findet es beim Kanner-Jugendtelefon (KJT) unter der Nummer 116 111 Hilfe. Doch wer sind die Personen, die am anderen Ende der Leitung sitzen? Das „Luxemburger Wort“hat sich mit einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin über ihre Beweggründe und den Alltag eines Telefonseelsorgers unterhalten.
Wie lautet der erste Satz, den Sie am häufigsten hören, wenn das Telefon klingelt?
Das Gespräch beginnt oft mit „Ich habe ein Problem, bin ich hier richtig?“oder „Kann ich hier reden?“Viele Anrufer legen Wert darauf, dass niemand etwas erfährt von all dem, was der Mitarbeiter zu hören bekommt.
Die Gespräche finden anonym statt. Selbst die Namen der Mitarbeiter des KJT dürfen nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Warum legen Sie so viel Wert darauf und wie weit geht diese Anonymität?
Unser Grundsatz lautet: „Mir lauschteren dir no, an alles bleift ënnert eis“. Die Anrufer können offen über ihre Sorgen reden. Wenn sie uns vertrauen sollen, muss garantiert sein, dass das, was sie uns sagen, auch anonym bleibt. Sie brauchen ihren Namen nicht zu nennen. Wir wissen oftmals nicht, wer genau anruft oder wo er lebt. Wir sehen die Telefonnummer des Anrufers auch nicht.
Welche sind die Sorgen und Ängste der Jugend?
Bei den Gesprächen geht es um all das, was ein Kind oder einen Jugendlichen bedrücken kann. Oftmals leben die Anrufer in einer Familie, in der es Streit gibt, etwa, wenn sich die Eltern scheiden lassen. Manche Kinder leben in einem gewalttätigen Umfeld oder erleben sexuelle Gewalt und wenden sich deshalb an das KJT.
Dann gibt es auch viele Fragen
Die Gespräche mit den Telefonseelsorgern finden anonym statt. zur Sexualität oder die Fragen drehen sich um Rauschmittel. Die Schule ist ein weiteres ganz großes Thema. Aktuell gibt es viele Anrufer, die ganz starkem Mobbing ausgesetzt sind.
Auf wen treffen die Anrufer des KJT am anderen Ende der Leitung?
Das ist ganz unterschiedlich. Die freiwilligen Mitarbeiter stammen aus ganz verschiedenen Berufen. Meistens sind es Frauen, die den Hörer abnehmen. Es wäre gut, wenn sich mehr männliche Freiwillige melden würden. Das Alter ist ebenfalls ganz unterschiedlich, es gibt ganz junge Mitarbeiter
und solche, die das Pensionsalter bereits erreicht haben. Jeder, der Freude am Kontakt mit Kindern und Jugendlichen hat, kann sich melden.
Bekommen Sie Feedback? Was passiert nach dem Gespräch?
Wenn wir den Telefonhörer auflegen, wissen wir nicht, was die Kinder machen werden. Sie selbst entscheiden, ob und welche Folgen das Gespräch hat. Wir können mit ihnen keinen Kontakt aufnehmen. Manchmal rufen sie zu einem späteren Zeitpunkt an, um sich für die Unterstützung zu bedanken.
Welches sind die schöneren Momente Ihres Alltages?
Ich erkenne an der Stimme des Anrufers, wie bedrückt er ist. Wenn ein Kind sehr traurig ist, merkt man das an der Art, wie es spricht. Im Laufe des Gesprächs merke ich manchmal, dass sich die Stimme aufhellt, klarer wird und das Kind freier redet. Das ist ein sehr schönes Gefühl. Als ich das zum ersten Mal erleben durfte, war ich „total verkaaf“.
Was war Ihre Motivation, sich zur ehrenamtlichen Mitarbeit zu melden?
Ich mache diese Arbeit leidenschaftlich gerne, das schon seit Jahren. Eigentlich gab es zwei Gründe: Einerseits bin ich schrecklich froh mit Kindern, anderseits hatte ich selbst eine Jugend, die nicht immer einfach war. Wenn es damals schon ein Kanner-Jugendtelefon gegeben hätte, hätte es mir sehr geholfen.
Es gibt zunehmend Familien, die unter ständigem Druck stehen. Für Gespräche bleibt da wenig Zeit. Die Eltern sind zu beschäftigt und die Kinder werden oftmals mit ihren Sorgen allein gelassen. Bei Kindern ist es so, dass sie, wenn sie bis ein-, zweimal abgewiesen wurden, die Frage nicht ein drittes Mal stellen. Sie fühlen sich fallen gelassen.
Hören Sie Ihren Kindern zu und nehmen Sie sich auch die notwendige Zeit dazu! Zeigen Sie Interesse für das Kind. Uns fällt immer wieder auf, dass das nicht überall der Fall ist. Wenn man in dem Moment, in dem das Kind auf einen zukommt, gerade keine Zeit hat, soll man das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt suchen. „Komm, lass uns jetzt reden.“Auch dann, wenn das Kind den ursprünglichen Grund scheinbar bereits vergessen hat.
Um die Anonymität der Mitarbeiterin zu wahren, hat die Redaktion sich dafür entschieden, keinen Namen zu nennen und kein Bild des Interviewpartners zu zeigen.
Ich erkenne an der Stimme des Anrufers, wie bedrückt er ist. Ehrenamtliche Mitarbeiterin des KJT