Musikalisch in der Zeitschleife
Nick Mason, 78, tourt mit seinem Programm „Saucerful of Secrets“aus frühen Pink-Floyd-Stücken um die Welt
Nick Mason ist Schlagzeuger bei Pink Floyd, deren letztes reguläres Album 1994 erschien. Vor ein paar Wochen veröffentlichte Mason gemeinsam mit Gitarrist David Gilmour den ersten neuen Pink-Floyd-Song seit langem. „Hey Hey Rise Up“ist eine Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Sänger Andrij Chlywnjuk, der a-capella ein patriotisches Volkslied singt. Den typischen Pink Floyd-Sound hört man dennoch raus. Eine Wiedervereinigung Pink Floyds stehe aber nicht im Raum, dafür brauche es „jemanden vom Format eines Nelson Mandela“, so Mason. Gilmour und sein früherer Bandkollege Roger Waters sind seit Jahrzehnten heillos zerstritten. Schlagzeuger Mason genießt vielmehr die Tour mit seinen 2018 gegründeten „Nick Mason's Saucerful of Secrets“, in der er nur Songs aus der Frühzeit von Pink Floyd spielt. Die Tour führt den 78Jährigen durch 86 Städte in Europa und Amerika. Am 15. Juni gastiert Mason im Luxemburger Atelier – zum zweiten Mal seit dem Tourstopp im Jahr 2018. Das Konzert ist ausverkauft. hochfuhren. Das war genauso aufregend und neu wie im New Yorker Shea Stadium zu spielen.
David Gilmour und Roger Waters, die als Köpfe von Pink Floyd gelten, sind seit Jahrzehnten zerstritten. Sie stehen aber mit beiden in Kontakt.
Mein Eindruck ist, dass ich da nicht viel machen kann. Es macht nicht viel Sinn, in der Mitte dieses Konflikts zu stehen. Ich überlasse es großteils ihnen, das eines Tages zu klären.
Für einen der größten Rockmusiker aller Zeiten wirken Sie recht bescheiden, nicht so egozentrisch wie zuweilen Ihre Pink Floyd-Kollegen. Sind Sie deshalb das dienstälteste, einzig konstante Bandmitglied?
Das wäre schön, aber ich glaube nicht, dass man das sagen kann. Im Übrigen ist es für Drummer wie mich schwieriger, SoloPfade einzuschlagen. Daher würde man zwangsläufig eher in seiner Band bleiben als eine neue zu gründen. Ich habe 50 Jahre gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen.
Schlagzeuger stehen oft im Hintergrund. 2014 sagten Sie dem „Spiegel“, Sie seien so ein bisschen der Ringo Starr von Pink Floyd. Bekommen Sie nun die Anerkennung, die Ihnen in der Vergangenheit nicht zuteilwurde?
Ich hatte nie das Gefühl, zu wenig Wertschätzung erfahren zu haben. Mit dem, was ich tue und wovon ich Teil war, habe ich mich immer wohlgefühlt. Aber was ich mir wünsche, wäre Anerkennung für unsere jetzige Band – für das, was sie tut und nicht für meine Solo-Karriere.
Roger Waters ist für streitbare und undiplomatische Äußerungen bekannt. Während der Corona-Pandemie hat er entschieden, seine Memoiren zu schreiben. Haben Sie Angst?
(lacht) Nein, ich habe keine Angst davor. Ich würde sagen, ich freue mich darauf. Denn ich habe meine Memoiren geschrieben – Roger fand, sie würden einen guten Roman abgeben. Ich denke, ich werde eine ähnliche Herangehensweise an seine haben.
Sie nervt die Frage vielleicht, aber für viele Fans lebt die Hoffnung: Wird es eines Tages eine Reunion von Pink Floyd geben?
Das nervt nicht, nur ist die Antwort immer die gleiche: Ich sehe diese Möglichkeit nicht. Der einzige Weg wäre, wenn eine Persönlichkeit von der Größe Nelson Mandelas es in ein Event für Weltfrieden, gegen Welthunger oder Ähnliches verwandelt. So wie es bei Live 8 war.
Sie haben kürzlich zusammen mit David Gilmour und dem ukrainischen Sänger Andriy Khlyvnyuk den Song „Hey Hey Rise Up“veröffentlicht, den ersten neuen Pink-Floyd-Song seit 1994. Der Song und das Musikvideo thematisieren den Krieg, alle Einnahmen gehen an die Ukraine. Wie kam das?
David spielte mit Andriys Band, seine Schwiegertochter ist Ukrainerin – daher hatte er den starken Wunsch, etwas zu tun. Er rief mich an und fragte: Wärst du dabei? Und ich sagte: absolut! Das A-Capella von Andriy in den Vordergrund zu stellen und die Instrumentierung drumherum bauen: Das ist total untypisch, aber es ist ein bemerkenswertes Stück Musik geworden.
Sind Sie in irgendeiner Form persönlich betroffen vom Krieg in der Ukraine, geht Ihnen das nahe?
Ich finde es zutiefst traurig. Abgesehen davon wollten wir auf der laufenden Tournee sowohl in St. Petersburg als auch in Moskau spielen. Nun bezweifle ich aber stark, dass ich noch mal nach Russland kommen werde. Ich weiß, dass wir dort fantastische Fans haben, die Pink Floyd lieben. Ja, es ist bitter enttäuschend.
Pink Floyd ist bekannt für hochpolitische Songs, zur Thatcher-Ära, dem Falklandkrieg und so weiter. Wie politisch wollen Sie als Künstler sein?
Die Sache ist die: Ich bin kein Songwriter. Die aber sind es, die Messages rüberbringen. Wissen Sie, vor allem Roger. Insofern ist es durchaus bemerkenswert, wie entschieden David sich zum Ukrainekrieg eingebracht hat. Ich für meinen Teil unterstütze eher die Songwriter, statt allein irgendwas zu machen.
Sie spielen an kleineren Veranstaltungsorten als früher mit Pink Floyd. Genießen Sie das?
Oh ja. Sobald du in einem Stadion spielst, hast du vielleicht die Aufmerksamkeit von 70 Prozent der Leute. Es gibt immer welche, die Frisbee spielen, Drogen nehmen oder nicht so richtig dabei sind. Dagegen ist es toll, an einem schönen Ort so richtig mit dem Publikum zu interagieren.
Was sind das eigentlich so für Leute im Publikum, auch vom Alter her?
Ich denke, das tendiert schon sehr zu einer älteren Generation, die gewissermaßen zurückreisen zu etwas, das sie selbst von früher erinnern. Manchmal bringen sie aber ihre Kinder mit, das ist schön.
Welche Musik finden Sie heutzutage selbst interessant, was hören Sie so?
Das meiste davon ist das Zeug meiner Altersgruppe, also Musik von vor 40 Jahren. Ich höre immer noch Eric Clapton, Jimi Hendrix, Joni Mitchell, Linda Ronstadt und so weiter. Ich entdecke kaum neue Musik. Nicht weil sie nicht gut wäre. Komischerweise ist man musikalisch in einer Art Zeitschleife hängengeblieben – meistens in der Jugend.
Mit 78 muss das Touren ganz schön anstrengend sein. Warum entspannen Sie sich nicht und genießen Ihre exquisite Sammlung von rund 50 Autos?
So sehr ich meine Autos liebe, sehe ich meine größten Fähigkeiten im Musikspielen. Und ich will kein Automechaniker werden, sondern Schlagzeuger bleiben.
Es wird also nicht Ihre letzte Tour sein?
Ich hoffe nicht. So eine lange Tournee würde ich aber wohl nicht mehr antreten. Ein solides Basis-Publikum aufzubauen wäre schön, sodass wir das richtig spielen können, worauf wir Lust haben. Um dann hoffentlich wieder losziehen zu können – auf eine kürzere Tour. Vielleicht auch nur zu neuen oder exotischen Orten.
Ich bezweifle, dass ich in meinem Leben noch mal nach Russland komme. Nick Mason
Was ist wirklich wichtig im Leben?
Hm, ich würde sagen, zuvorderst die Familie. Insbesondere wenn man ein Leben wie ich gelebt hat, unter dem die Familie wahrscheinlich ein bisschen gelitten hat. Außerdem ist es wichtig, das zu genießen, was man tut – möglichst auch die Arbeit.