Blick unter die Haut
Flen Health mit Sitz in Esch/Alzette erhält 2,3 Millionen Euro vom Wirtschaftsministerium, um die Wundheilung zu erforschen
Dass die Haut das größte Organ im menschlichen Körper ist, gehört inzwischen zum Standardwissen bei Quizshows. Weniger bekannt dürfte sein, wie komplex die Funktionsweise der Haut tatsächlich ist. Sie besteht aus einer Vielzahl von Schichten, die wiederum von einer Vielzahl von unterschiedlichen Zelltypen wie Keratinozyten oder Melanozyten sowie Bakterien und Mikropilzen bevölkert sind. „Die Zellen an der Oberfläche sterben beständig ab und werden ersetzt. Man kann sich das ganze wie ein Apartmentgebäude mit verschiedenen Stockwerken vorstellen, das kontinuierlich renoviert und erneuert wird“, erklärt Gilles Brackman, der die Forschungsaktivitäten des Pharmaunternehmens Flen Health mit Sitz in Esch/ Alzette leitet, das Produkte zur Wundheilung entwickelt.
Noch komplexer werden die Vorgänge in der Haut bei einer Verletzung und dem anschließenden Heilungsprozess. „Das ist dann, als ob ein Stockwerk des Gebäudes plötzlich verschwindet und neu gebaut werden muss. Wir wollen besser verstehen, welche Rolle die einzelnen Zellen in diesem Prozess spielen, wie sie untereinander und mit der Umgebung kommunizieren und wie sie mit Bakterien oder Pilzen interagieren“, so der Wissenschaftler. Schließlich kommt eine weitere Schicht Komplexität hinzu, wenn der Patient, bei dem die Verletzung aufgetreten ist, eine Erkrankung wie Diabetes hat, die die Wundheilungsprozesse beeinträchtigt. Unter solchen Umständen können Wunden chronisch werden und einfach nicht mehr abheilen.
2,3 Millionen Euro Förderung vom Wirtschaftsministerium
Flen Health will in den nächsten Jahren versuchen, ein umfassendes Computermodell zu erstellen, dass dieser Komplexität Rechnung trägt. Das Ziel ist es, die Vorgänge in Wunden besser zu verstehen und zu sehen, wie sich zum Beispiel das Zusammenwirken individueller Veranlagungen und von Umwelteinflüssen auf den Heilungsprozess auswirken.
Das Luxemburger Wirtschaftsministerium verkündete kürzlich, dass es das Projekt mit einer Förderung von 2,3
Millionen Euro im Rahmen eines Research, Development und Innovation (RDI)-Grant unterstützen werde. „In den letzten Jahren haben wir bereits gesehen, dass es für einen Wundheilungsprozess nicht nur darauf ankommt, eine ideale Umgebung zu schaffen, sondern auch die chemische Kommunikation zwischen den beteiligten Zellen richtig zu managen“, so Brackman.
„Mithilfe des Grants wollen wir nun diese Forschung vertiefen und das Computermodell so weit entwickeln, dass wir die volle Komplexität der Vorgänge verstehen.“Das Modell soll dabei beständig mit Daten aus dem Labor
des Unternehmens und Ergebnissen aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen gefüttert werden. Die so gewonnen Erkenntnisse sollen zur Produktentwicklung genutzt werden, um so etwa die Pflege chronischer Wunden zu verbessern.
Weiterer Ausbau der Forschungsaktivitäten in Luxemburg
Mit der Förderung will das belgische Unternehmen sein Forschungsteam ausbauen und zusätzliche Ausrüstung für das 2017 gegründete Labor in Esch anschaffen. Die entsprechende Expertise will die Gesellschaft hier vor Ort aufbauen. Derzeit hat der Luxemburger
Standort 22 Beschäftigte. Für das Labor wurden bereits drei zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, weitere sollen folgen. Neben Spezialisten im pharmazeutischen Bereich sucht Flen Health auch Bioinformatiker und Datenanalysten, um an den komplexen Modellen zu arbeiten. Geplant sei, dass der überwiegende Teil der wissenschaftlichen Aktivitäten im Rahmen des Projekts in Luxemburg stattfindet, sagt Brackman. Entsprechend arbeitet das Team auch mit lokalen Forschungspartnern zusammen. Zum Beispiel unterhält das Unternehmen eine Kooperation mit dem Luxembourg Institute of Health (LIH), um dessen fortgeschrittene Mikroskopietechnik nutzen zu können.
Die Laufzeit des geförderten Projekts geht bis Mitte 2024. Angesichts der Vielschichtigkeit des Vorhabens sei das eine recht kurze Zeitspanne, sagt Brackman. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen darüber hinaus noch lange in die Produktentwicklung des Unternehmens, mögliche Patente und in wissenschaftliche Publikationen fließen.
„Wenn aber unsere Technologieplattform einmal läuft und wir gezeigt haben, dass das Prinzip funktioniert, könnten wir die Modelle auch für andere Wissenschaftler und Firmen öffnen, die Möglichkeiten sehen, dadurch ihre Forschung zu beschleunigen“, so Brackman.
Mithilfe der Förderung wollen wir die Komplexität der Wundheilung besser verstehen. Gilles Brackman, Flen Health