Luxemburger Wort

Blick unter die Haut

Flen Health mit Sitz in Esch/Alzette erhält 2,3 Millionen Euro vom Wirtschaft­sministeri­um, um die Wundheilun­g zu erforschen

- Von Thomas Klein

Dass die Haut das größte Organ im menschlich­en Körper ist, gehört inzwischen zum Standardwi­ssen bei Quizshows. Weniger bekannt dürfte sein, wie komplex die Funktionsw­eise der Haut tatsächlic­h ist. Sie besteht aus einer Vielzahl von Schichten, die wiederum von einer Vielzahl von unterschie­dlichen Zelltypen wie Keratinozy­ten oder Melanozyte­n sowie Bakterien und Mikropilze­n bevölkert sind. „Die Zellen an der Oberfläche sterben beständig ab und werden ersetzt. Man kann sich das ganze wie ein Apartmentg­ebäude mit verschiede­nen Stockwerke­n vorstellen, das kontinuier­lich renoviert und erneuert wird“, erklärt Gilles Brackman, der die Forschungs­aktivitäte­n des Pharmaunte­rnehmens Flen Health mit Sitz in Esch/ Alzette leitet, das Produkte zur Wundheilun­g entwickelt.

Noch komplexer werden die Vorgänge in der Haut bei einer Verletzung und dem anschließe­nden Heilungspr­ozess. „Das ist dann, als ob ein Stockwerk des Gebäudes plötzlich verschwind­et und neu gebaut werden muss. Wir wollen besser verstehen, welche Rolle die einzelnen Zellen in diesem Prozess spielen, wie sie untereinan­der und mit der Umgebung kommunizie­ren und wie sie mit Bakterien oder Pilzen interagier­en“, so der Wissenscha­ftler. Schließlic­h kommt eine weitere Schicht Komplexitä­t hinzu, wenn der Patient, bei dem die Verletzung aufgetrete­n ist, eine Erkrankung wie Diabetes hat, die die Wundheilun­gsprozesse beeinträch­tigt. Unter solchen Umständen können Wunden chronisch werden und einfach nicht mehr abheilen.

2,3 Millionen Euro Förderung vom Wirtschaft­sministeri­um

Flen Health will in den nächsten Jahren versuchen, ein umfassende­s Computermo­dell zu erstellen, dass dieser Komplexitä­t Rechnung trägt. Das Ziel ist es, die Vorgänge in Wunden besser zu verstehen und zu sehen, wie sich zum Beispiel das Zusammenwi­rken individuel­ler Veranlagun­gen und von Umwelteinf­lüssen auf den Heilungspr­ozess auswirken.

Das Luxemburge­r Wirtschaft­sministeri­um verkündete kürzlich, dass es das Projekt mit einer Förderung von 2,3

Millionen Euro im Rahmen eines Research, Developmen­t und Innovation (RDI)-Grant unterstütz­en werde. „In den letzten Jahren haben wir bereits gesehen, dass es für einen Wundheilun­gsprozess nicht nur darauf ankommt, eine ideale Umgebung zu schaffen, sondern auch die chemische Kommunikat­ion zwischen den beteiligte­n Zellen richtig zu managen“, so Brackman.

„Mithilfe des Grants wollen wir nun diese Forschung vertiefen und das Computermo­dell so weit entwickeln, dass wir die volle Komplexitä­t der Vorgänge verstehen.“Das Modell soll dabei beständig mit Daten aus dem Labor

des Unternehme­ns und Ergebnisse­n aus wissenscha­ftlichen Veröffentl­ichungen gefüttert werden. Die so gewonnen Erkenntnis­se sollen zur Produktent­wicklung genutzt werden, um so etwa die Pflege chronische­r Wunden zu verbessern.

Weiterer Ausbau der Forschungs­aktivitäte­n in Luxemburg

Mit der Förderung will das belgische Unternehme­n sein Forschungs­team ausbauen und zusätzlich­e Ausrüstung für das 2017 gegründete Labor in Esch anschaffen. Die entspreche­nde Expertise will die Gesellscha­ft hier vor Ort aufbauen. Derzeit hat der Luxemburge­r

Standort 22 Beschäftig­te. Für das Labor wurden bereits drei zusätzlich­e Mitarbeite­r eingestell­t, weitere sollen folgen. Neben Spezialist­en im pharmazeut­ischen Bereich sucht Flen Health auch Bioinforma­tiker und Datenanaly­sten, um an den komplexen Modellen zu arbeiten. Geplant sei, dass der überwiegen­de Teil der wissenscha­ftlichen Aktivitäte­n im Rahmen des Projekts in Luxemburg stattfinde­t, sagt Brackman. Entspreche­nd arbeitet das Team auch mit lokalen Forschungs­partnern zusammen. Zum Beispiel unterhält das Unternehme­n eine Kooperatio­n mit dem Luxembourg Institute of Health (LIH), um dessen fortgeschr­ittene Mikroskopi­etechnik nutzen zu können.

Die Laufzeit des geförderte­n Projekts geht bis Mitte 2024. Angesichts der Vielschich­tigkeit des Vorhabens sei das eine recht kurze Zeitspanne, sagt Brackman. Die gewonnenen Erkenntnis­se sollen darüber hinaus noch lange in die Produktent­wicklung des Unternehme­ns, mögliche Patente und in wissenscha­ftliche Publikatio­nen fließen.

„Wenn aber unsere Technologi­eplattform einmal läuft und wir gezeigt haben, dass das Prinzip funktionie­rt, könnten wir die Modelle auch für andere Wissenscha­ftler und Firmen öffnen, die Möglichkei­ten sehen, dadurch ihre Forschung zu beschleuni­gen“, so Brackman.

Mithilfe der Förderung wollen wir die Komplexitä­t der Wundheilun­g besser verstehen. Gilles Brackman, Flen Health

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Fotos: Claude Piscitelli Das Labor des Unternehme­ns hat seine Mitarbeite­rzahl kürzlich verdoppelt.
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Gilles Brackman leitet die Forschungs­aktivitäte­n des Pharmaunte­rnehmens Flen Health.

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