Die chronische Verspätung
Ich fahre regelmäßig mit der Bahn. Dabei fällt mir mit schöner Regelmäßigkeit ein Phänomen auf, das sich immer wieder auf dem Bahnsteig abspielt. Oh nein, es geht nicht um Pärchen, die von der Abfahrt des Zuges aus ihrem romantischen Beisammensein aufgeschreckt werden. Es ist vielmehr ein anderes menschliches Verhalten, das mich immer wieder zum Staunen und Schmunzeln bringt. Zu welcher Zeit ein Zug abfahren soll, ist den allermeisten Fahrgästen wohlbekannt, bevor sie zum Bahnhof kommen. Wenn dann aber der Schaffner pfeift, damit die Türen geschlossen werden, ist es nur eine Sache von Sekunden, bis das Phänomen einsetzt.
Irgend jemand kommt immer gelaufen.
Wie von Geisterhand taucht dann urplötzlich von irgendwo her ein Mensch auf, der vollkommen gehetzt in Richtung Zug läuft, bis er dann vor verschlossenen Türen steht und der Zug sich in Bewegung setzt. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob der Zug pünktlich ist oder ob er Verspätung hat. Irgendjemand kommt immer im letzten Augenblick auf den Bahnsteig gehetzt. Wenn ich das noch verstehe, wenn es knapp wird für die fahrplanmäßige Abfahrt, so wundere ich mich jedoch immer wieder, wenn es passiert, obwohl der Zug Verspätung hat. In dem
Fall sollte der Zug eigentlich überhaupt nicht mehr am Bahnsteig sein und jegliche Passagiere bräuchten sich zu dem Zeitpunkt nicht zu beeilen, weil sie sowieso zu spät dran sind. Aber nein, knapp ertönt der Pfiff zur Abfahrt und schon kommt jemand angerannt. Manchmal frage ich mich, ob diese Passagiere überhaupt wahrnehmen, wann ein Zug fahren soll oder ob sie durch das Pfeifen erst von der Wirklichkeit eingeholt werden. Wenn Sie das nächste Mal auf irgendeinem Bahnsteig sind und ich überhole Sie im Laufschritt, dann wissen Sie, was ich meine. Frank
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