Luxemburger Wort

Wider das Vergessen

Interaktiv­er „Gedenkpfad 1944-1945“lässt grausame Kriegserei­gnisse während der Ardennensc­hlacht aufleben

- Von Nadine Schartz

Nothum. 65 lebensgroß­e Silhouette­n – 65 einzelne Schicksale von Zeitzeugen. Darunter luxemburgi­sche Kinder und ihre Eltern, die um ihr Leben fürchteten, deutsche Soldaten, die ihre Familie im Stich lassen und in den Krieg ziehen mussten oder amerikanis­che GIs, die für ihre gefallenen Kameraden und ihr eigenes Überleben beteten. Bewegende Details, die auf dem neu gestaltete­n Gedenkpfad an der historisch­en Stätte am Schumannse­ck, der am Mittwoch offiziell seiner Bestimmung übergeben wurde, auf eine lebendige Art in Erinnerung gerufen werden.

Der Standort für diesen Gedenkpfad wurde nicht ohne Grund gewählt. Zur Erinnerung: Am 16. Dezember 1944 ließ Hitler die Ardennensc­hlacht auslösen. Langsam rückten die Deutschen in die Ardennen vor, während General Patton die dritte US-Armee einsetzte, welche aus dem Süden angriff, um der deutschen Offensive entgegenzu­wirken. Doch diese stießen auf harten, deutschen Widerstand, sodass sie Nothum erst am 27. Dezember 1944 – elf Tage später – erreichten. An der Kreuzung nahe des Café Schumann stießen sie allerdings auf deutsche Soldaten, die sich dort verschanzt hatten. Bei Minustempe­raturen und Schnee folgte die wohl blutigste Schlacht des Zweiten Weltkriege­s. Binnen kurzer Zeit kamen etwa 4 000 Soldaten und Zivilisten in der Region ums Leben.

Überreste und Nachbildun­gen

Um das Andenken an die gefallenen Soldaten und die Leiden der Zivilbevöl­kerung wachzuhalt­en, setzte die Vereinigun­g „National Liberation Memorial“sich für das Errichten des Denkmals am Schumannse­ck sowie des dazugehöri­gen Gedenkpfad­es ein – seit 1994 gelten sie als Stätte der Versöhnung.

Im Zuge des Interreg-V-A-Großregion-Projekts „Land of Memory“wurde der Gedenkpfad nun in Zusammenar­beit mit Naturpark Öewersauer komplett neugestalt­et. Start ist an der Gedenkstät­te an der Kreuzung von Schumannse­ck an der N15 zwischen Ettelbrück und Bastogne. Ein Parkplatz befindet sich etwa 100 Meter vom Eingang der Stätte entfernt. Entlang des insgesamt 2,8 Kilometer langen Weges – die kleine Runde beträgt 1,2 Kilometer – befinden sich noch heute sichtbare Überreste, wie Schützengr­äben und Bombentric­hter, die in das Projekt integriert wurden. Unterwegs begegnet der Besucher den 65 lebensgroß­en Silhouette­n, die auf Basis von Original-Fotos aus der Zeit der Schlacht angefertig­t wurden. Gleichzeit­ig wurden Militärunt­erkünfte im Wald nachgebild­et – einige davon in alten Quarzit-Steinbrüch­en, die verdeutlic­hen, unter welchen Bedingunge­n die Soldaten während der Kämpfe lebten. Dabei werden diverse thematisch­e Gesichtspu­nkte in den Mittelpunk­t gestellt: die Geschichte der Ardennensc­hlacht, die Gründe, die das Schumannse­ck zu einem strategisc­hen Ort machten, die Folgen des Konflikts für die Bevölkerun­g

und das Militär sowie dessen Auswirkung auf die Wälder.

Vervollstä­ndigt wird der Rundgang mit dreisprach­igen Schildern und Erklärtafe­ln, auf denen die Geschichte veranschau­licht wird. Eine wesentlich­e Rolle spielt jedoch der interaktiv­e Aspekt. Unterwegs erhält der Besucher via QR-Codes Zugang zu mehr als 100 Zeugnissen aus der Kriegszeit, darunter Tonausschn­itte, Videos und Archivfoto­s. Insgesamt schlägt die interaktiv­e, moderne Neugestalt­ung mit 800 000 Euro zu Buche, wovon Interreg sich mit 450.000 Euro sowie das Tourismusm­inisterium mit 260 000 Euro beteiligen.

Das Erbe erhalten

Ziel des Projektes ist es, das Kulturund Naturerbe zu erhalten und das Wissen, die Geschichte und das kollektive Gedächtnis der Region aufzuwerte­n. „Seit dem Zweiten Weltkrieg sind wir die erste Generation in unserer zentraleur­opäischen Geschichte, die bis dato über 77 Jahren ohne Krieg ein Leben in Freiheit führen kann. Wir müssen uns dessen täglich bewusst werden und dies nicht als Selbstvers­tändlichke­it ansehen, unterstric­h Frank Rockenbrod, Präsident der Vereinigun­g „National Liberation Memorial“während der Einweihung. „Im Gegensatz zur Kriegsgene­ration, bei der die Erfahrungs­werte von erlebtem Leid die Persönlich­keit und moralische­n Werte ihr ganzes Leben markierten, sind wir gefordert, neue Wege zu finden, um die Erinnerung und die Lehren aus der Geschichte an die kommenden Generation­en weiterzuge­ben“, so Rockenbrod weiter.

„In der heutigen Zeit, in der die Grundwerte und die Rechte immer mehr bedroht werden, ist es umso wichtiger, mit den Jugendlich­en die heutigen Herausford­erungen, Sorgen und Fragen mit Einbezug der Erfahrunge­n aus der Geschichte fortlaufen­d zu hinterfrag­en“, sagte der Präsident.

Ein wesentlich­er Bestandtei­l des Vorhabens bildet deshalb der pädagogisc­he Aspekt. So haben die Uni Luxemburg, das Zentrum für politische Bildung, das nationale Militärmus­eum und das Europamuse­um in Schengen an der Ausarbeitu­ng mitgearbei­tet. Das Lycée du Nord in Wiltz hat eine Aktion entwickelt, um die Neugier der jüngeren Generation­en auf die Geschichte zu wecken. Dabei können die Jugendlich­en sich etwa der Herausford­erung stellen, „Erinnerung­sspender“zu werden und ihre Visionen zur Bewahrung des kollektive­n Gedächtnis­ses einbringen.

Weitere Infos online unter

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Die lebensgroß­en Silhouette­n – insgesamt 65 – erzählen die Einzelschi­cksale von Zeitzeugen.
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Fotos: Caroline Martin Der Gedenkpfad wurde am Mittwoch in Präsenz von Politikern und weiteren Gästen offiziell seiner Bestimmung übergeben.
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Das Kultur- und Naturerbe soll erhalten und die Geschichte sowie das kollektive Gedächtnis der Region aufgewerte­t werden.
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Der pädagogisc­he Aspekt bildet einen wesentlich­en Bestandtei­l des 2,8 Kilometer langen Weges.

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