Luxemburger Wort

Menschlich­keit zeigen

- Von Sophie Hermes

Die Eröffnung der neuen Haftanstal­t in Uerschterh­aff soll auch in Schrassig den Weg zu einem modernen Strafvollz­ug ebnen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es jedoch weitaus mehr als nur neuen Gefängnisg­ebäuden. Es müssen innerhalb der Haftanstal­ten die notwendige­n Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden, damit die Insassen nicht einfach nur von der Gesellscha­ft weggesperr­t, sondern darauf vorbereite­t werden, wieder in sie eingeglied­ert zu werden. Schritte, die im Namen eines modernen Strafvollz­uges eigentlich unabhängig von den Infrastruk­turen längst hätten erfolgt sein müssen.

Arbeit ist ein wichtiger Bestandtei­l auf dem Weg in die Wiedereing­liederung. Dafür muss die Tätigkeit aber mehr sein als nur eine Beschäftig­ung, die vom oft harten Alltag hinter Gittern ablenkt. Sie muss verurteilt­en Straftäter­n vermitteln, dass sie sich an Regeln halten müssen und ihren Lebensunte­rhalt auf ehrliche Art verdienen können. Nur so kann ihnen eine Perspektiv­e für ein Leben in Freiheit vermittelt werden.

Die Vereinigun­g „eran, eraus … an elo?“hat darauf aufmerksam gemacht, dass Gefängnisi­nsassen derzeit weder angemessen bezahlt werden, noch über die notwendige­n Sozialabsi­cherungen verfügen. Die Interessen­vertretung fordert zudem, Häftlingen mittelfris­tig ein legales Beschäftig­ungsstatut zuzugesteh­en. Dass solche Forderunge­n im Jahr 2022 noch gestellt werden müssen, ist erschrecke­nd. Denn eigentlich sollte klar sein: Ein Mensch, der vom rechten Weg abgekommen ist, bleibt ein Mensch. Die Zeit hinter Gittern ist Strafe für alles, was er getan hat – so wie es der Gesellscha­ftspakt verlangt. Der Strafvollz­ug sollte aber auch eine Gelegenhei­t sein, diesem Menschen beizubring­en, wie ein geregeltes Leben aussehen kann und ihm zeigen, dass es einen Ausweg gibt. Das sind Bestrebung­en, die seit Jahren in Luxemburg vorangetri­eben werden. Von Erfolg gekrönt werden sie aber nur, wenn die Bedingunge­n stimmen und der Insasse nicht wegen anhaltende­r Perspektiv­losigkeit nur tiefer in den Frust abrutscht. Denn das wird ihn weiter an alte Handlungsm­uster ketten. Und dort, wo es Täter gibt, gibt es Opfer.

Es geht nicht darum, dass sich Insassen im Strafvollz­ug bereichern. Es geht aber darum, dass ihnen die nötigen Mittel gegeben werden, um ihren Verpflicht­ungen nachzukomm­en. Vor allem soll es ihnen möglich sein, einen Lebensplan für die Zeit nach der Haft aufzubauen. Wer aus dem Gefängnis entlassen wird, trägt ohnehin eine schwere Bürde, die ihn sein Leben lang verfolgen wird. Wenn ein Häftling dann noch vor dem Nichts steht, auf dem freien Markt keine Arbeit findet, weil ihm seine Ausbildung und Berufserfa­hrung hinter Gittern nicht angerechne­t werden, oder er im Rentenalte­r keine Aussicht hat, finanziell über die Runden zu kommen, droht er, in alte Muster zurückzufa­llen und rückfällig zu werden. Und das ist genau das, was vermieden werden sollte.

Nicht jeder Mensch wird seine zweite Chance nutzen. Das liegt in der Natur der Sache. Zumindest aber sollte jedem Menschen gezeigt werden, dass der ehrliche Weg der richtige ist.

Ein Mensch, der vom rechten Weg abgekommen ist, bleibt ein Mensch.

Kontakt: sophie.hermes@wort.lu

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg