Menschlichkeit zeigen
Die Eröffnung der neuen Haftanstalt in Uerschterhaff soll auch in Schrassig den Weg zu einem modernen Strafvollzug ebnen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es jedoch weitaus mehr als nur neuen Gefängnisgebäuden. Es müssen innerhalb der Haftanstalten die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Insassen nicht einfach nur von der Gesellschaft weggesperrt, sondern darauf vorbereitet werden, wieder in sie eingegliedert zu werden. Schritte, die im Namen eines modernen Strafvollzuges eigentlich unabhängig von den Infrastrukturen längst hätten erfolgt sein müssen.
Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg in die Wiedereingliederung. Dafür muss die Tätigkeit aber mehr sein als nur eine Beschäftigung, die vom oft harten Alltag hinter Gittern ablenkt. Sie muss verurteilten Straftätern vermitteln, dass sie sich an Regeln halten müssen und ihren Lebensunterhalt auf ehrliche Art verdienen können. Nur so kann ihnen eine Perspektive für ein Leben in Freiheit vermittelt werden.
Die Vereinigung „eran, eraus … an elo?“hat darauf aufmerksam gemacht, dass Gefängnisinsassen derzeit weder angemessen bezahlt werden, noch über die notwendigen Sozialabsicherungen verfügen. Die Interessenvertretung fordert zudem, Häftlingen mittelfristig ein legales Beschäftigungsstatut zuzugestehen. Dass solche Forderungen im Jahr 2022 noch gestellt werden müssen, ist erschreckend. Denn eigentlich sollte klar sein: Ein Mensch, der vom rechten Weg abgekommen ist, bleibt ein Mensch. Die Zeit hinter Gittern ist Strafe für alles, was er getan hat – so wie es der Gesellschaftspakt verlangt. Der Strafvollzug sollte aber auch eine Gelegenheit sein, diesem Menschen beizubringen, wie ein geregeltes Leben aussehen kann und ihm zeigen, dass es einen Ausweg gibt. Das sind Bestrebungen, die seit Jahren in Luxemburg vorangetrieben werden. Von Erfolg gekrönt werden sie aber nur, wenn die Bedingungen stimmen und der Insasse nicht wegen anhaltender Perspektivlosigkeit nur tiefer in den Frust abrutscht. Denn das wird ihn weiter an alte Handlungsmuster ketten. Und dort, wo es Täter gibt, gibt es Opfer.
Es geht nicht darum, dass sich Insassen im Strafvollzug bereichern. Es geht aber darum, dass ihnen die nötigen Mittel gegeben werden, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Vor allem soll es ihnen möglich sein, einen Lebensplan für die Zeit nach der Haft aufzubauen. Wer aus dem Gefängnis entlassen wird, trägt ohnehin eine schwere Bürde, die ihn sein Leben lang verfolgen wird. Wenn ein Häftling dann noch vor dem Nichts steht, auf dem freien Markt keine Arbeit findet, weil ihm seine Ausbildung und Berufserfahrung hinter Gittern nicht angerechnet werden, oder er im Rentenalter keine Aussicht hat, finanziell über die Runden zu kommen, droht er, in alte Muster zurückzufallen und rückfällig zu werden. Und das ist genau das, was vermieden werden sollte.
Nicht jeder Mensch wird seine zweite Chance nutzen. Das liegt in der Natur der Sache. Zumindest aber sollte jedem Menschen gezeigt werden, dass der ehrliche Weg der richtige ist.
Ein Mensch, der vom rechten Weg abgekommen ist, bleibt ein Mensch.
Kontakt: sophie.hermes@wort.lu