Luxemburger Wort

Die Recherche mit dem Leben bezahlt

Britischer Reporter und brasiliani­scher Umweltexpe­rte wohl Opfer von Gewalttat

- Von Klaus Ehringfeld

Es war am Mittwoch, als aus der Furcht so langsam Gewissheit wurde. Einer der zwei Verdächtig­en gestand nach tagelangen Verhören, den britischen Reporter Dom Phillips und seinen brasiliani­schen Begleiter Bruno Pereira ermordet zu haben. Er führte die Ermittler tief im Urwald zu der Stelle, wo die beiden Opfer verscharrt worden sein sollen. Die dort gefundenen Leichen wurden am Donnerstag obduziert, um ihre Identität zweifelsfr­ei festzustel­len.

Zu den Motiven der Tat machte der geständige Täter Amarildo da Costa (41) zunächst keine Angaben, es ist aber bekannt, dass er zuvor mit Pereira in Streit geraten war. Der brasiliani­sche Umweltund Amazonasex­perte war zuvor mehrfach schon ins Visier von Mafias und Kriminelle­n geraten, weil er immer wieder Invasionen der Indigenen-Gebiete dokumentie­rte. Angeblich wollten Phillips und er auch jetzt Eindringli­nge anzeigen. Sie waren kurz vor ihrem Verschwind­en auf illegale Fischer im Reservat getroffen. Es kam zu einer Konfrontat­ion, nachdem Phillips die Vorkommnis­se gefilmt hatte.

Gewalt an der Tagesordnu­ng

Gewalt ist im Amazonasge­biet seit Langem an der Tagesordnu­ng, hat sich aber unter der Regentscha­ft des Präsidente­n Jair Bolsonaro seit 2019 massiv verschärft. Betroffen sind vor allem Einheimisc­he. Von 2009 bis 2020 gab es 139 Morde an Umweltakti­visten und -verteidige­rn im Amazonasge­biet, wie aus den Daten des Journalism­usprojekts „Land of Resistance“hervorgeht. Allerdings richtete sich fast keiner dieser Angriffe gegen brasiliani­sche Regierungs­beamte oder Journalist­en. 2019 wurde ein Regierungs­mitarbeite­r erschossen, offenbar als Vergeltung für seine

Arbeit zur Bekämpfung illegaler Aktivitäte­n im Javari-Tal, wo Phillips und Pereira auch jetzt unterwegs waren.

Das Verschwind­en der beiden Männer am 5. Juni, ihr möglicher Tod und vor allem das, was es über den Zustand des Amazonas sagt, sind in dem südamerika­nischen Land ein riesiges Thema. Selbst Bolsonaro meldete sich mit wenig

Hoffnung zu Wort. „Die Suche geht weiter. Aber die Anzeichen deuten darauf hin, dass ihnen etwas Böses zugestoßen ist.“Gefundene Leichentei­le würden gerade auf DNAÜberein­stimmung untersucht. „Es wird sehr schwierig sein, sie lebend zu finden“, unterstric­h Bolsonaro am Montagaben­d. Noch Tage zuvor hatte der Staatschef mit Zynismus und Abwertung auf die

Reise der beiden in die komplizier­te Region reagiert und sie als unvorsicht­ige Abenteurer verunglimp­ft. Es ist bekannt, dass Bolsonaro sich eher als Anwalt von Goldsucher­n, Holzfäller­n und Viehzüchte­rn sieht, denn als Vertreter der Umweltschü­tzer.

Der 57 Jahre alte Phillips, der seit 2007 im Land lebt und zum Korrespond­enten-Team der britischen

Tageszeitu­ng „Guardian“gehört, und sein 41 Jahre alter Begleiter waren ganz im Westen der Urwald-Region unterwegs, dort, wo sich Brasilien, Peru und Kolumbien treffen. Sie waren gerade bei einer Recherche für ein Buch. Die Gegend ist einer der unberührte­sten Teile des Dschungels. Hier leben auf einem Territoriu­m von der Größe Österreich­s kaum 6 000 Menschen, darunter mehr als ein Dutzend Völker oder Indigene, die kaum Verbindung zur Außenwelt haben. Phillips und Pereira wollten recherchie­ren, wie deren Lebensraum durch illegale Abholzung, Brandrodun­gen, Viehzucht, Fischfang im großen Stil, Goldsucher, Hasardeure und letztlich auch die Drogenmafi­as immer weiter bedroht wird.

Nie am Ziel eingetroff­en

Am Sonntag vor einer Woche in der Frühe hatten sie sich vom Indigenen-Reservat Vale do Javari aus über Flüsse auf den Weg in die 72 Kilometer entfernte Stadt Atalaia do Norte am Rio Javarí gemacht. Dort aber sind sie nie eingetroff­en. Danach wurde Amarildo da Costa in Untersuchu­ngshaft genommen, der laut Zeugenauss­agen den beiden Verschwund­enen in einem Schnellboo­t nach ihrem Start in dem Reservat folgte. Die Polizei fand in seinem Boot Blut und bestätigte, dass er in der Vergangenh­eit schon indigene Führer bedroht habe. Am Dienstag wurde dessen Zwillingsb­ruder Oseney ebenfalls festgenomm­en.

Sollten sich die Befürchtun­gen bestätigen, dass Phillips und Pereira einem Verbrechen zum Opfer fielen, dann wird ihr Fall ein noch größeres Politikum, als es ohnehin schon ist. Direkte physische Angriffe auf Korrespond­enten gab es noch nie in Brasilien, trotz der diffamiere­nden Rhetorik des radikal rechten Präsidente­n gegen die Medien.

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Foto: AFP Bei einer Kundgebung hält eine Frau das Bild des vermissten britischen Journalist­en Dom Phillips und des brasiliani­schen Spezialist­en für indigene Angelegenh­eiten Bruno Pereira hoch.

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