Luxemburger Wort

Putin bläst zum verbalen Gegenangri­ff

Russland Präsident attackiert Europa und die USA auf dem Petersburg­er Wirtschaft­sforum mit großen Worten

- Von Stefan Scholl (Moskau)

Wladimir Putin verspätet sich oft, zum Plenum des 25. Sankt Peterburge­r Wirtschaft­sforum waren es satte hundert Minuten. Aber diesmal laut Kreml aus Fremdversc­hulden: Hacker hätten zwischenze­itlich das System zur Akkreditie­rung der Gäste lahmgelegt. Am Rednerpult ging Putin sofort zur Attacke über. Die alleinige Schuld an der kritischen Weltlage trage der Westen. „Die USA halten sich für Abgesandte Gottes auf der Erde und die eigenen Interessen für heilig.“Die „goldene Milliarde“in Nordamerik­a und Europa betrachte die Bürger aller anderen Länder als Menschen zweiter Klasse. Und weil Russland da nicht mitspiele, habe der Westen beispiello­se Sanktionen vom Stapel gelassen.

Aber der „wirtschaft­liche Blitzkrieg“gegen die russische Wirtschaft sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. „Die

Sanktionen gegen Russland waren hirn- und gedankenlo­s.“Russlands Jahreshaus­halt sehe ein Plus von umgerechne­t 50 Milliarden Euro vor, auch die Inflation von derzeit 16,7 Prozent wolle man auf vier Prozent zu senken. Dagegen habe sie in einigen europäisch­en Regionen schon 20 Prozent erreicht, der „Sanktionsw­ahn“der EU könne in diesem Jahr 400 Milliarden Dollar kosten.

Grimmiger Optimismus

Schon klage man im Westen über eine „Putinsche Inflation“. „Es ist ja angenehm zu hören, dass wir so allmächtig sind.“Aber Schuld an der Krise im Westen sei nicht die „Kriegsspez­ialoperati­on“Russlands in der Ukraine, sondern die fatale eigene Wirtschaft­spolitik, etwa das Einschalte­n der Gelddruckm­aschinen.

In der Ukraine kämpften die russischen Truppen für das Recht ihres Landes auf „eine freie und sichere Entwicklun­g, gegen Pseudowert­e, Entmenschl­ichung und Degradieru­ng.“Und alle Ziele des Feldzuges würden erreicht. Laut Putin wird Russland sich niemals selbst isolieren, es sei auch nicht zu isolieren.

Rede gegen den Westen

Wie üblich versprach Putin den vaterländi­schen Unternehme­rn mehr Rechtssich­erheit und weniger bürokratis­che Kontrollen, forderte sie ihm Gegenzug auf, ihr Geld in die heimische Wirtschaft zu investiere­n. Aber vor allem war Putins Auftritt eine Rede gegen den Westen. Der Auftritt eines Mannes, der zum Gegenangri­ff bläst; der in seiner eigenen Wirklichke­it lebt. „Wir werden unbedingt die kolossalen Möglichkei­ten nutzen, die uns die Zeit eröffnet, wir werden noch stärker werden.“

Aber seine Rede war auch ein Auftritt zu den Nachrichte­n aus Europa über versiegend­e Gasströme

aus Russland. Frankreich meldete gestern, Gazprom habe die Gaslieferu­ngen komplett eingestell­t, auch in Italien kam nur die Hälfte der vertraglic­h zugesicher­ten Transporte aus Russland an.

Russland hat im kalten Krieg mit dem Westen offenbar die Gasfront eröffnet. Auch das Petersburg­er Wirtschaft­sforum war dieses Jahr eine sehr russische Veranstalt­ung. Und auf dem Podium leistete der Kasache Kassym Schomart Tokajew als einziger ausländisc­her Staatschef Putin Gesellscha­ft. Das Forum teilte Putins grimmigen Optimismus indes nur begrenzt. Kremlnahe Experten wie Sberbankch­ef German Gref klagten über einen absurd starken Rubel und einen krankhafte­n Außenhande­lsüberschu­ss. „Der Export ist Gift geworden“, so Gref. Man müsse etwas gegen die Sanktionen unternehme­n, sonst erreiche man das Niveau von 2021 erst in zehn Jahren wieder.

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