„Die Ukraine gehört zur EU“
Außenminister Jean Asselborn spricht sich dafür aus, dass die Ukraine Beitrittskandidat wird
Brüssel/Luxemburg. Die von Russland angegriffene Ukraine will unbedingt die Aussicht auf einen EUBeitritt. Eine erste Hürde auf dem Weg ist nun genommen. Die EUKommission hat sich dafür ausgesprochen, die Ukraine und Moldau offiziell zu Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union zu ernennen. „Die Ukrainer sind bereit, für die europäische Perspektive zu sterben“, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Freitag in Brüssel. Man wolle es ihnen ermöglichen, den europäischen Traum zu leben.
Nach Auffassung der EU-Kommission habe das Land deutlich das Bestreben und Engagement zum Ausdruck gebracht, den europäischen Werten und Standards gerecht zu werden. Die Behörde legt damit die Grundlage für einen möglichen Beschluss der EU-Mitgliedstaaten. Die Staats- und Regierungschefs wollen bereits bei einem EU-Gipfel Ende kommender Woche über das Thema beraten.
„Klares Signal an Putin“
„Es ist wichtig, als EU ein Zeichen zu setzen und ein klares Signal an Putin zu senden. Wir lassen die Ukraine nicht alleine. Sie kämpft für unsere Werte und gehört zur EU“, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn (LSAP) auf Nachfrage dem „Luxemburger Wort“. Auch wenn natürlich klar sei, dass die Ukraine nach dem erhofften Abzug russischer Truppen Reformen in die Wege leiten müsse, um die Beitrittskriterien zu erfüllen. Dies gelte ebenso für einen möglichen EU-Beitritt Moldaus.
Daneben sei es aber auch wichtig, „den Balkan nicht links liegen zu lassen“. „Denn Nord-Mazedonien und Albanien erfüllen alle Kriterien bezüglich des Beitrittskandidatenstatus. Und es ist fundamental uneuropäisch, dass ein Land, nämlich Bulgarien, diesen Prozess bis dato noch immer blockiert.“Den anderen Balkan-Staaten wie Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Kosovo müsse man weiterhin „die europäische Perspektive aufrechterhalten und ihnen helfen, in die Zukunft zu blicken, anstatt in der Vergangenheit zu verharren“.
In Rekordgeschwindigkeit
Die mehr als 40 Millionen Bürger zählende Ukraine hatte vor rund dreieinhalb Monaten kurz nach Beginn des russischen Angriffs die Aufnahme in die EU beantragt. Kurz darauf reichten auch der Nachbar Moldau sowie das im Südosten Europas gelegene Georgien Beitrittsanträge ein. Moldau hat rund 2,6 Millionen Einwohner, Georgien etwa 3,7 Millionen.
Der Beitrittsprozess zieht sich üblicherweise über viele Jahre oder gar Jahrzehnte hin. Das nun von der EU-Kommission vorgeschlagene Vorgehen sieht vor, der Ukraine und Moldau den Status als EU-Beitrittskandidaten zu geben. Zugleich sollten weitere Fortschritte im Beitrittsprozess an konkrete Bedingungen geknüpft werden. In beiden Ländern gibt es unter anderem Defizite im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und im Kampf gegen Korruption.
Das ebenfalls einen EU-Beitritt anstrebende Georgien soll nach der Empfehlung der EU-Kommission hingegen erst nach der Erfüllung von Auflagen den Kandidatenstatus bekommen. Das Land würde demnach wie derzeit Bosnien-Herzegowina und das Kosovo vorerst nur ein potenzieller Beitrittskandidat sein.
Der Kreml hat sich zur EU-Perspektive der Ukraine zurückhaltend gezeigt. Es handele sich hier nicht um eine militärpolitische Ebene, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag. Aber: „Es finden verschiedene Transformationen statt, die wir natürlich sehr genau beobachten.“
Auf Grundlage der Empfehlung der Kommission müssen nun die EU-Staaten entscheiden, wie es weitergeht. Die Ansichten der Regierungen zum Thema gehen bislang weit auseinander. So halten Länder wie Portugal und die Niederlande die Vergabe des Kandidatenstatus nach Angaben von Diplomaten für verfrüht und rein symbolisch. Ein weiteres Argument von Skeptikern ist, dass die
EU mit ihrem Prinzip der Einstimmigkeit etwa in Fragen der Außenund Sicherheitspolitik schon jetzt als schwerfällig gilt. Sie mahnen zunächst interne Reformen an, ehe neuen Mitgliedern die Tür geöffnet wird.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi und der rumänische Präsident Klaus Johannis hatten sich dagegen am Donnerstag in Kiew dafür ausgesprochen, dass die Ukraine Beitrittskandidat wird. Sie argumentieren, dass der Kandidatenstatus eines Landes die Aufnahmeentscheidung nicht vorwegnimmt und auch nicht mit einem Zeitrahmen verbunden ist. dpa/stb