Der mühsame Weg zur Parität
Gegenüber Männern werden Frauen in der beruflichen Karriere nach wie vor benachteiligt
Die Männer dominieren zwar in den Führungsetagen großer Unternehmen, sind dafür aber genau dort unterrepräsentiert, wo es darum geht, daran etwas zu ändern. Denn bei der von FT Live und Luxembourg Times gemeinsam in der Philharmonie organisierten Veranstaltung „The path to parity“(Der Pfad zur Parität) sind überwiegend Frauen. Diese lassen sich wiederum ganz grob in zwei Gruppen einteilen. Da gibt es zum einen die Frauen, die es geschafft haben, sich in der Männerwelt erfolgreich durchzusetzen, und zum anderen eben diejenigen, denen das bislang noch nicht gelungen ist. Letztere finden sich an diesem Tag eher im Publikum. Auf dem Podium sitzen derweil ausschließlich Frauen, die es bis zur Spitze geschafft haben – oder aber zumindest wissen, wie man dorthin kommt.
So wie Grace Lordan. Sie ist Professorin an der London School of Economics and Political Science und Autorin des Ratgebers „Think big“. „Wir müssen im Großen denken und im Kleinen handeln“, sagt Lordan. Und wenn sich eine Gelegenheit ergebe, beruflich voranzukommen, dann solle man diese Chance auch nutzen und keine Gedanken an ein mögliches Scheitern verschwenden. „Wer nicht glaubt, dass das funktioniert, sollte einfach Boris Johnson fragen“, sagt die Professorin für Verhaltenswissenschaften in Anspielung auf das Talent des britischen Premiers, sich trotz seiner vielen Fehltritte im Amt zu halten.
Ausrede bei der Suche nach Frauen
Während Johnson die Zeit der Pandemie unter anderem für Verstöße gegen die eigenen Lockdown-Regelungen nutzte, hat Giny Boer in dieser Zeit einen neuen Posten übernommen. Seit vergangenem Jahr ist sie Geschäftsführerin von C&A Europe, einer der führenden Modeketten Europas. Eigentlich wollte Boer nach Beendigung ihrer langjährigen Tätigkeit beim schwedischen Einrichtungskonzern Ikea ein Sabatical einlegen. Doch wie sie sagt, habe sie nach kurzer Zeit festgestellt, dass das nichts für sie sei, sie deshalb wieder arbeiten wolle. Und so ist Boer dann also zu C&A gekommen, wo sie nun als CEO eines Unternehmens mit 25 000 Mitarbeitern in 18 europäischen Ländern eine durchaus erfolgreiche Etappe einer sehr guten Karriere aufweisen kann. Bei der Veranstaltung in der Philharmonie ist sie deshalb ein idealer Gesprächspartner.
Wohin ihre berufliche Entwicklung am Ende führen soll, darüber habe sie nie großartig nachgedacht, sagt sie. „Mir war immer wichtig, dass ich unabhängig bin.“Und ob der Weg, den sie gegangen sei, als Vorlage für andere dienen könne, wisse sie auch nicht. „Ich kann nur sagen: Sei Du selbst und habe vor allem auch immer Spaß an dem, was Du tust“, ist ihr Rat an das Publikum, das zudem noch von Boer erfährt, dass sie wenig von der Ausrede hält, mit der die Besetzung von Posten in Führungspositionen durch männliche Kandidaten begründet wird, wenn es eigentlich darum gehen soll, den Frauenanteil zu erhöhen. „Wenn die Begründung heißt, dass keine Frauen für den Job gefunden wurden, dann kann ich nur sagen: Sucht weiter“, so die C&A-Geschäftsführerin.
Nie unter Wert verkaufen
Nun gibt es aber auch durchaus Männer, die mit Blick auf die Parität einiges richtig machen. Und dazu gehört allem Anschein nach auch der Vater von Martine Reicherts, Vorsitzende des Verwaltungsrats von Mediahuis Luxembourg. „Mein Vater hat immer gesagt: Du musst Deinen Lebensunterhalt selbst verdienen und Du solltest niemals abhängig sein“, sagt Reicherts, die den Frauen im Publikum den Rat mit auf den Weg gibt, sich nie unter Wert zu verkaufen und stattdessen ruhig auch mal ein wenig Ellbogen zu zeigen. Es könne nicht sein, dass vor allem die jungen Frauen nun das richten müssten, was in den vergangenen Jahrhunderten an Entwicklung falsch gelaufen sei, so Reicherts.
Ähnlich sieht das auch Manou Hoss, Partnerin der Kanzlei Elvinger Hoss Prussen. „Wir können nicht von der nächsten Generation erwarten, dass sie das ändert, wozu wir nicht in der Lage waren“, sagt Hoss. „Wir sitzen in den Führungspositionen“, erklärt sie. Von daher sei es auch Aufgabe der jetzigen
Generation an Führungskräften, für gerechte Verhältnisse zu sorgen.
Wie die Diskussion zeigt, ist einer der entscheidenden Abschnitte für den weiteren Verlauf eine Karriere die Geburt der eigenen Kinder und die damit verbundene Frage, was einem wichtiger ist: die berufliche Karriere oder aber die
Mir war immer wichtig, dass ich unabhängig bin. Giny Boer, CEO von C&A Europe
Zeit, die man mit den Kindern verbringt. Eine Frage, auf die nach wie vor insbesondere Frauen eine Antwort finden müssen – was in der Diskussion um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Beruf auch immer kritisiert wird, nach Auffassung der Kanzlei-Partnerin aber zu kurz greift. „Männer können bei dieser Sache viel mehr gewinnen als Frauen“, sagt Hoss. Diese seien zwar beruflich meist erfolgreicher, verbrächten dafür aber im Gegenzug viel weniger Zeit mit den Kindern.
Wenn man sich für einen beruflichen Weg entscheide, dann sei es wichtig, auch sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, sagt Karin Scholtes, Managerin bei der Banque Internationale à Luxembourg (BIL). Und das gelte für Männer und Frauen gleichermaßen. „Mein größter Alptraum wäre“, so Scholtes, „von einem Mitarbeiter nach 40 Jahren am Ende der Karriere zu hören: Jetzt, wo ich in Ruhestand gehe, kann ich endlich machen, was mir Spaß macht.“