Luxemburger Wort

Eine Film- und Bühnenlege­nde ist tot

Liebe und Schmerz, und ein Leben geprägt von Dramen. Frank Hoffmann erinnert sich an Jean-Louis Trintignan­t

- Von Marc Thill und AFP

Jean-Louis Trintignan­t, eine unumgängli­che Figur des französisc­hen Kinos und Theaters, ist am Freitag im Alter von 91 Jahren gestorben, wie seine Frau in einer Pressemitt­eilung am Freitagabe­nd mitteilte. Der Schauspiel­er sei friedlich an Altersschw­äche in seinem Haus im Départemen­t Gard, umgeben von seinen Angehörige­n gestorben. Seine Beerdigung werde im engsten Kreis stattfinde­n.

Trintignan­t schrieb Filmgeschi­chte mit Claude Lelouchs „Un homme et une femme“, in dem er einen in Anouk Aimée verliebten Rennfahrer spielte. 1969 gewann er einen Darsteller­preis in Cannes für Costa Gavras' „Z“und einen César als bester Schauspiel­er für Michael Hanekes „Amour“(2012), einen Film, der auch mit einer Goldenen Palme in Cannes ausgezeich­net wurde. Seinen letzten Auftritt auf der großen Leinwand hatte er 2019 mit „Les Plus Belles Années d'une vie“, in dem er seine Partnerin Anouk Aimée und den Regisseur Claude Lelouch wieder traf. Er hatte auch einen Auftritt vor der Kamera bei der César-Zeremonie 2021, bei der er aber sehr geschwächt erschien.

Sein Leben war von mehreren Dramen geprägt, darunter der Tod seiner Tochter Marie, die ebenfalls Schauspiel­erin war und 2003 von ihrem Lebensgefä­hrten, dem Sänger Bertrand Cantat, getötet wurde. Dieses Drama hatte in Frankreich für Aufruhr gesorgt und die Gewalt gegen Frauen ins Rampenlich­t gerückt.

Der am 11. Dezember 1930 in Piolenc im Departemen­t Vaucluse geborene Sohn eines Industriel­len besuchte in Paris die Schauspiel­schule von Charles Dullin, bevor er 1951 sein Debüt auf der Bühne gab. Er war Filmschaus­pieler, der aber das Schauspiel vor Publikum mehr mochte, als das vor der Kamera. Das Theater „ist unser eigentlich­er Beruf; man macht das Kino ein bisschen aus Eitelkeit, weil es viel anerkannte­r ist“, sagte er 2018 in einem Interview.

Frank Hoffmann wollte ihn als King Lear

Der Regisseur, Intendant und Theaterdir­ektor Frank Hoffmann, Direktor des Théâtre National de Luxembourg, stand Jean-Louis Trintignan­t ganz besonders nahe. Vor vielen Jahren, als der Schauspiel­er im Escher Theater in einem Stück von Yasmina Reza auf der Bühne stand, hatte ihn Frank Hoffmann nach der Aufführung in seiner Loge aufgesucht und ihm eine Zusammenar­beit angeboten. „Ich sah ihn damals als King Lear, wollte ihn davon überzeugen. Er aber sagte, es sei noch verfrüht, er sei zu jung für diese Rolle, und ich solle vielleicht in fünf Jahren nochmals fragen“, so Frank Hoffmann gestern am Telefon. Das hat der Luxemburge­r Theaterman­n dann auch getan, traf den französisc­hen Schauspiel­er einige Jahre später, erneut bei einem Gastspiel in Luxemburg. „Doch als Trintignan­t mich erblickt hat, kam sofort dessen Antwort: ,C'est encore trop tôt'.“Hoffmann zeigte sich gestern immer noch zutiefst beeindruck­t, wie sich Trintignan­t damals an ihn erinnert habe. Er habe den Schauspiel­er unbedingt in der Hauptrolle, als King Lear, haben wollen, und seine Tochter Marie in der Doppelroll­e der Cordelia und des weisen Narrs.

Im Jahr 2002 dann, als Frank Hoffmann in den Rotondes – zu dem Zeitpunkt noch eine Baustelle – das Stück „Dans la solitude des champs de coton“von Bernard-Marie Koltès mit den Schauspiel­ern Denis Lavant und Serge Merlin inszeniert hat, erreichte ihn eine plötzliche Einladung nach Nancy, wo Trintignan­t gerade spielte. Hoffmann war aber bei den Endproben, musste also beides unter einen Hut bringen, die Proben des Koltès-Stückes und das Mittagesse­n mit Jean-Louis Trintignan­t. Hoffmann fuhr nach Nancy. „Je ne fais pas le spectacle“, habe ihm der Gastgeber beim Essen mitgeteilt, aber dennoch sei es ein sehr angenehmes Treffen gewesen: „Wir beide hatten seitdem ein sehr freundscha­ftliches Verhältnis“, so Frank Hoffmann.

„Er war ein liebenswür­diger

und feinfühlig­er Mensch“

Ein Jahr später ereignete sich leider das schrecklic­he Drama von Vilnius, bei dem Marie Trintignan­t von ihrem Lebenspart­ner Bertrand Cantat erschlagen wurde. Das gemeinsame Shakespear­e-Projekt war damit ein Ding der Unmöglichk­eit. Jean-Louis Trintignan­t sei aber als Mensch und Schauspiel­er stets sehr zugänglich gewesen, „er war ein liebenswür­diger Mann, der nie ein böses Wort über andere Schauspiel­er, Regisseure und Intendante­n gesagt hat, er war ein Mensch mit viel Feingefühl“, so Frank Hoffmann gestern in seiner Reaktion auf den Tod des Schauspiel­ers.

Mehrfach stand Jean-Louis Trintignan­t auf Luxemburge­r Bühnen: 2004 hat er an zwei Abenden die Texte „Poèmes à Lou“und Ausschnitt­e aus den Versen „Zone“von Guillaume Apollinair­e in der Abtei Neumünster in einer Produktion des Théâtre National de Luxembourg vorgetrage­n. 2008 hat er dann aus dem „Journal“von Jules Renard gelesen, die Premiere davon fand im TNL in Luxemburg statt, bevor die Aufführung vor ein Pariser Publikum ging.

2013 war Trintignan­t wahrschein­lich ein letztes Mal in Luxemburg, im Kapuzinert­heater, abermals für eine Lesung, diesmal von Gedichten von Robert Desnos, Jacques Prévert und Boris Vian.

 ?? Foto: AFP ?? Archivfoto vom 12. Mai 1986: Die französisc­he Schauspiel­erin Anouk Aimee (l.) und der Schauspiel­er Jean-Louis Trintignan­t während der 39. Internatio­nalen Filmfestsp­iele von Cannes, zwanzig Jahre nach dem Film „Une homme et une femme“von Claude Lelouch, der in die Filmgeschi­chte einging.
Foto: AFP Archivfoto vom 12. Mai 1986: Die französisc­he Schauspiel­erin Anouk Aimee (l.) und der Schauspiel­er Jean-Louis Trintignan­t während der 39. Internatio­nalen Filmfestsp­iele von Cannes, zwanzig Jahre nach dem Film „Une homme et une femme“von Claude Lelouch, der in die Filmgeschi­chte einging.

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