Der Schriftsteller und die Fatwa
Mit dem Buch „Satanische Verse“wurde Salman Rushdie zum Gejagten islamistischer Eiferer – nun wird er 75 Jahre alt
Sein Leben trägt Züge eines (Schauer-)Märchens: Auf ihn ist ein Kopfgeld ausgelobt – und er ist ein Ritter. In seinen Büchern verleiht Salman Rushdie politischen Themen eine magische Komponente. Nun wird er 75 Jahre alt.
Unlösbar sind Person, Leben und Werk von Salman Rushdie mit einem Datum verknüpft: dem 14. Februar 1989. An diesem Tag verurteilte der iranische Religionsführer Ayatollah Khomeini den Schriftsteller mit einer Fatwa zum Tode. Begründet wurde der islamische Richtspruch damit, dass Rushdies Buch „Die satanischen Verse“, ein Jahr zuvor erschienen, „gegen den Islam, den Propheten
Die französischen Aufklärer hätten vor 200 Jahren die Macht der Kirche gebrochen – heute gelte es erneut, gegen Versuche von Religionen anzugehen, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken.
Bereits nach dem Attentat auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“bezeichnete Rushdie die Religion als „eine mittelalterliche Form der Unvernunft“. Mit modernen Waffen kombiniert werde sie „zu einer echten Gefahr unserer Freiheiten“, hieß es noch am Tag des Anschlags in einer Erklärung des Autors. Derartiger religiöser Totalitarismus habe „zu einer tödlichen Mutation im Herzen des Islam geführt“.
Bei aller Religionskritik mahnt Rushdie auch immer wieder zu Gelassenheit. „Den Krieg gegen den Terror kann man nicht gewinnen“, sagte er einmal der Deutschen Welle. Man könne dem Terror nur trotzen, so der Schriftsteller, indem man nicht zu Hause bleibe – und der Furcht keinen Raum gebe.
„Sprachen der Wahrheit“
– sein neuestes Buch Wahrheit, die er als Konzept zunehmend in Gefahr sieht, steht im Zentrum seiner jüngsten Veröffentlichung, einer Sammlung von Essays, die in Deutschland unter dem Titel „Sprachen der Wahrheit“herauskam. Der seit vielen Jahren in New York lebende Schriftsteller stemmt sich gegen Trumpisten und Corona-Leugner. „Die Wahrheit ist ein Kampf, das ist keine Frage. Und vielleicht noch nie so sehr wie jetzt“, sagte er in einem Interview des US-Senders PBS im vergangenen Jahr.
Die in „Sprachen der Wahrheit“erstmals versammelten und zum Teil bisher unveröffentlichten Texte aus den vergangenen zwei Jahrzehnten veranschaulichen, wie ernst Salman Rushdie seine Verantwortung als Weltautor nimmt. So sind seine geistreichen Schriften immer auch ein Plädoyer für das vielstimmige Miteinander der Kulturen. KNA/dpa