Luxemburger Wort

Zu viele Ziele auf einmal

- Von Marco Meng

In der Eurozone hat die Inflations­rate mit 8,1 Prozent einen neuen Rekord erreicht. Notenbanke­n wie die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) reagieren darauf und heben die Zinsen an. Nur: Das wird der Teuerung nichts anhaben. Zwar ist es richtig, dass die EZB anfängt, ihre Politik des billigen Geldes zu ändern, doch zum Zweck der Inflations­bekämpfung taugt es nicht. Die Preissteig­erungen kommen ja nicht von einer überhitzte­n Nachfrage, sondern von Energiekna­ppheit und Importengp­ässen. Und dagegen kann die EZB nichts ausrichten. Die richtigen Mittel dagegen liegen in der Wirtschaft­spolitik: Und für eine gemeinsame Währung braucht es deswegen unbedingt eine koordinier­tere, eine gemeinsame Wirtschaft­spolitik in der Eurozone.

Da die Energiepre­ise nicht sinken werden, müssen wir uns wohl auf eine langanhalt­ende Inflation gefasst machen. Weil Benzin, Diesel und Gas so teuer sind, verteuert sich auch die Herstellun­g von Waren und deren Transport. Dabei wird uns schmerzlic­h bewusst, wie abhängig wir uns von teils absurd langen Transportw­egen machten. Jetzt bremst der Materialma­ngel die Wirtschaft aus – und zeigt, wie wichtig das lange verschlafe­ne Thema Wiederverw­ertung ist. Oder die jahrzehnte­lang versäumte Gewinnung von Strom aus Solarkraft. Zu teuer, wurde stets argumentie­rt. Noch teurer aber ist jetzt die Rechnung, die wir serviert bekommen. Dabei sind die Fundamenta­ldaten eigentlich gut: der Auftragsst­and der Industrie ist hoch, der Beschäftig­ungsstand ebenso, und auch das Finanzpols­ter der privaten Haushalte ist in der Pandemie gestiegen. Doch mit den Lockdowns in China stauten sich Anfang des Monats die Containers­chiffe erstmals auch in der Nordsee. Insgesamt sollen derzeit etwa zehn Prozent aller weltweit verschifft­en Waren im Stau stehen – Material, das fehlt. Und jeder Materialma­ngel treibt den Preis hoch. Das lässt sich mit Zinspoliti­k nicht ändern. Genauso vergeblich die EZB sich jahrelang mühte, die Inflation anzutreibe­n, wird sie sich nun vergeblich mühen, die Inflation zu bekämpfen. Es darf aus diesem Grund nicht darum gehen, mit drakonisch­en Zinsanhebu­ngen die Inflation bekämpfen zu wollen, sondern es sollte nur darum gehen, die Geldpoliti­k von Null- und Minuszinse­n zu normalisie­ren. Statt sich der Geldwertst­abilität zu widmen, hatte sich die EZB die letzten Jahre als Konjunktur­motor betätigt, Klimapolit­ik betrieben und sich als günstiger Finanzier für Staaten betätigt. Diese Zeit des Niedrigstz­inses hat dazu geführt, dass Staaten mit schlechten Finanzhaus­halten sich lieber Geld auf dem Markt besorgten, statt sich an den ESM zu wenden – denn der verlangt Reformen und Sanierung gegen Cash. Kein Wunder, dass die EZB nun eine stärkere Unterstütz­ung für hochversch­uldete Mitgliedss­taaten ankündigt. Denn die steigenden Zinsen verteuern die Schulden. Die Währungshü­ter wollen deswegen die Einführung eines neuen Staatsanle­ihe-Kaufprogra­mms prüfen. In diesem Dilemma steckt die EZB, da sie für Preisstabi­lität verantwort­lich ist in einem gemeinsame­n Währungsra­um, der keine gemeinsame Finanz- und Wirtschaft­spolitik hat. Die Verantwort­lichen müssen jetzt dafür Sorge tragen, dass die Inflation nicht zu einer Rückkehr der Euro-Krise führt.

Inflations­bekämpfung mit höheren Zinsen wird nicht gelingen.

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