Zu viele Ziele auf einmal
In der Eurozone hat die Inflationsrate mit 8,1 Prozent einen neuen Rekord erreicht. Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) reagieren darauf und heben die Zinsen an. Nur: Das wird der Teuerung nichts anhaben. Zwar ist es richtig, dass die EZB anfängt, ihre Politik des billigen Geldes zu ändern, doch zum Zweck der Inflationsbekämpfung taugt es nicht. Die Preissteigerungen kommen ja nicht von einer überhitzten Nachfrage, sondern von Energieknappheit und Importengpässen. Und dagegen kann die EZB nichts ausrichten. Die richtigen Mittel dagegen liegen in der Wirtschaftspolitik: Und für eine gemeinsame Währung braucht es deswegen unbedingt eine koordiniertere, eine gemeinsame Wirtschaftspolitik in der Eurozone.
Da die Energiepreise nicht sinken werden, müssen wir uns wohl auf eine langanhaltende Inflation gefasst machen. Weil Benzin, Diesel und Gas so teuer sind, verteuert sich auch die Herstellung von Waren und deren Transport. Dabei wird uns schmerzlich bewusst, wie abhängig wir uns von teils absurd langen Transportwegen machten. Jetzt bremst der Materialmangel die Wirtschaft aus – und zeigt, wie wichtig das lange verschlafene Thema Wiederverwertung ist. Oder die jahrzehntelang versäumte Gewinnung von Strom aus Solarkraft. Zu teuer, wurde stets argumentiert. Noch teurer aber ist jetzt die Rechnung, die wir serviert bekommen. Dabei sind die Fundamentaldaten eigentlich gut: der Auftragsstand der Industrie ist hoch, der Beschäftigungsstand ebenso, und auch das Finanzpolster der privaten Haushalte ist in der Pandemie gestiegen. Doch mit den Lockdowns in China stauten sich Anfang des Monats die Containerschiffe erstmals auch in der Nordsee. Insgesamt sollen derzeit etwa zehn Prozent aller weltweit verschifften Waren im Stau stehen – Material, das fehlt. Und jeder Materialmangel treibt den Preis hoch. Das lässt sich mit Zinspolitik nicht ändern. Genauso vergeblich die EZB sich jahrelang mühte, die Inflation anzutreiben, wird sie sich nun vergeblich mühen, die Inflation zu bekämpfen. Es darf aus diesem Grund nicht darum gehen, mit drakonischen Zinsanhebungen die Inflation bekämpfen zu wollen, sondern es sollte nur darum gehen, die Geldpolitik von Null- und Minuszinsen zu normalisieren. Statt sich der Geldwertstabilität zu widmen, hatte sich die EZB die letzten Jahre als Konjunkturmotor betätigt, Klimapolitik betrieben und sich als günstiger Finanzier für Staaten betätigt. Diese Zeit des Niedrigstzinses hat dazu geführt, dass Staaten mit schlechten Finanzhaushalten sich lieber Geld auf dem Markt besorgten, statt sich an den ESM zu wenden – denn der verlangt Reformen und Sanierung gegen Cash. Kein Wunder, dass die EZB nun eine stärkere Unterstützung für hochverschuldete Mitgliedsstaaten ankündigt. Denn die steigenden Zinsen verteuern die Schulden. Die Währungshüter wollen deswegen die Einführung eines neuen Staatsanleihe-Kaufprogramms prüfen. In diesem Dilemma steckt die EZB, da sie für Preisstabilität verantwortlich ist in einem gemeinsamen Währungsraum, der keine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik hat. Die Verantwortlichen müssen jetzt dafür Sorge tragen, dass die Inflation nicht zu einer Rückkehr der Euro-Krise führt.
Inflationsbekämpfung mit höheren Zinsen wird nicht gelingen.