Ein Licht der Hoffnung
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht von einer „historischen Woche“. Zurecht! Beim EU-Gipfel in Brüssel kommt es am Donnerstag und Freitag zum Showdown, nachdem die EU-Kommission bereits empfohlen hat, die Ukraine und ihren kleinen Nachbarstaat Moldau offiziell zu Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union zu ernennen. Die EU, die sich gerne als Wertegemeinschaft verkauft, muss jetzt eine eindeutige Botschaft der Solidarität gegenüber einem Nachbarn in Not nach Kiew senden: Europa lässt euch nicht allein und zeigt euch eine klare Perspektive auf, eine Chance auf eine bessere Zukunft nach dem furchtbaren Krieg.
Die offizielle Verleihung des EU-Beitrittskandidatenstatus wäre dabei ein Bekenntnis, dass die Ukraine Teil der Familie der europäischen Demokratien ist und dort in Zukunft auch einen festen Platz haben soll. Und die gleiche Botschaft sollte an Moldau und Georgien gehen, deren Souveränität etwa in Transnistrien oder Südossetien ebenfalls von Russland in Frage gestellt wird. Zurecht hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen darauf hingewiesen, dass die Ukraine den Status verdiene, weil sie bereit sei, „für den europäischen Traum zu sterben“. Und für Ukrainer ist das nicht nur eine leere Floskel.
Der Schritt wäre auch eine eindeutige Botschaft an Russlands Präsident Wladimir Putin: Es gibt keine sogenannten Pufferstaaten, über deren Schicksal er mit brutaler militärischer Gewalt einfach so verfügen kann. Die Ukraine wie auch die Republik Moldau und Georgien haben das souveräne Recht unabhängiger Staaten, selbst zu entscheiden, welchem Club sie angehören wollen.
Eine Einladung auszusprechen, ist allerdings der einfachere Teil. Die EU-Staats- und Regierungschefs müssen nun einen kühlen Kopf bewahren. Denn es muss parallel garantiert werden, dass die Länder, die jetzt möglicherweise im Schnellverfahren zu Beitrittskandidaten werden, ebenso wie die früheren Bewerber, dieselben Beitrittskriterien lückenlos erfüllen müssen. Alles andere würde einen faden Beigeschmack hinterlassen, vor allem auf dem Balkan. Denn eines muss ebenso klar sein: Die Ukraine muss sich reformieren, bevor sie EU-Mitglied wird. Von einem demokratischen Rechtsstaat ist das Land nämlich noch weit entfernt – Stichwort Korruption. Diese Tatsache darf trotz des Krieges nicht übersehen werden. Und erst wenn nachprüfbar Reformen durchgeführt werden, darf die EU mit den Beitrittsverhandlungen beginnen, die, wenn alles gut läuft, eines Tages zum EU-Eintritt der Ukraine führen. Es darf keine Sonderbedingungen geben, auch wenn das Land gerade um sein Überleben als Nation kämpfen muss.
Die EU-Staats- und Regierungschefs sind demnach Ende der Woche in der Pflicht, der Ukraine – sowie Moldau und Georgien – nicht die Tür vor der Nase zuzuschlagen, sondern ihnen eine klare EU-Beitrittsperspektive zu bieten. Für Kiew, Chisinau und Tiflis wäre es das herbeigesehnte Licht der Hoffnung am Ende eines langen Tunnels und nicht nur ein rein symbolischer Akt.
Die EU muss jetzt eine eindeutige Botschaft der Solidarität senden.