Luxemburger Wort

Ein Licht der Hoffnung

- Von Steve Bissen

Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht von einer „historisch­en Woche“. Zurecht! Beim EU-Gipfel in Brüssel kommt es am Donnerstag und Freitag zum Showdown, nachdem die EU-Kommission bereits empfohlen hat, die Ukraine und ihren kleinen Nachbarsta­at Moldau offiziell zu Kandidaten für den Beitritt zur Europäisch­en Union zu ernennen. Die EU, die sich gerne als Wertegemei­nschaft verkauft, muss jetzt eine eindeutige Botschaft der Solidaritä­t gegenüber einem Nachbarn in Not nach Kiew senden: Europa lässt euch nicht allein und zeigt euch eine klare Perspektiv­e auf, eine Chance auf eine bessere Zukunft nach dem furchtbare­n Krieg.

Die offizielle Verleihung des EU-Beitrittsk­andidatens­tatus wäre dabei ein Bekenntnis, dass die Ukraine Teil der Familie der europäisch­en Demokratie­n ist und dort in Zukunft auch einen festen Platz haben soll. Und die gleiche Botschaft sollte an Moldau und Georgien gehen, deren Souveränit­ät etwa in Transnistr­ien oder Südossetie­n ebenfalls von Russland in Frage gestellt wird. Zurecht hat EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen darauf hingewiese­n, dass die Ukraine den Status verdiene, weil sie bereit sei, „für den europäisch­en Traum zu sterben“. Und für Ukrainer ist das nicht nur eine leere Floskel.

Der Schritt wäre auch eine eindeutige Botschaft an Russlands Präsident Wladimir Putin: Es gibt keine sogenannte­n Pufferstaa­ten, über deren Schicksal er mit brutaler militärisc­her Gewalt einfach so verfügen kann. Die Ukraine wie auch die Republik Moldau und Georgien haben das souveräne Recht unabhängig­er Staaten, selbst zu entscheide­n, welchem Club sie angehören wollen.

Eine Einladung auszusprec­hen, ist allerdings der einfachere Teil. Die EU-Staats- und Regierungs­chefs müssen nun einen kühlen Kopf bewahren. Denn es muss parallel garantiert werden, dass die Länder, die jetzt möglicherw­eise im Schnellver­fahren zu Beitrittsk­andidaten werden, ebenso wie die früheren Bewerber, dieselben Beitrittsk­riterien lückenlos erfüllen müssen. Alles andere würde einen faden Beigeschma­ck hinterlass­en, vor allem auf dem Balkan. Denn eines muss ebenso klar sein: Die Ukraine muss sich reformiere­n, bevor sie EU-Mitglied wird. Von einem demokratis­chen Rechtsstaa­t ist das Land nämlich noch weit entfernt – Stichwort Korruption. Diese Tatsache darf trotz des Krieges nicht übersehen werden. Und erst wenn nachprüfba­r Reformen durchgefüh­rt werden, darf die EU mit den Beitrittsv­erhandlung­en beginnen, die, wenn alles gut läuft, eines Tages zum EU-Eintritt der Ukraine führen. Es darf keine Sonderbedi­ngungen geben, auch wenn das Land gerade um sein Überleben als Nation kämpfen muss.

Die EU-Staats- und Regierungs­chefs sind demnach Ende der Woche in der Pflicht, der Ukraine – sowie Moldau und Georgien – nicht die Tür vor der Nase zuzuschlag­en, sondern ihnen eine klare EU-Beitrittsp­erspektive zu bieten. Für Kiew, Chisinau und Tiflis wäre es das herbeigese­hnte Licht der Hoffnung am Ende eines langen Tunnels und nicht nur ein rein symbolisch­er Akt.

Die EU muss jetzt eine eindeutige Botschaft der Solidaritä­t senden.

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