Entscheidend ist die Reichweite
Im Land sind immer mehr Elektrobusse unterwegs – bis 2030 soll im RGTR-Netz kein Verbrenner mehr fahren
Als im Herbst 2021 das Video in den sozialen Netzwerken kursiert, sorgt das für Irritationen. Zu sehen sind Ladestationen für Elektrobusse, die mit Dieselaggregaten betrieben werden. Das Busunternehmen Sales-Lentz, durch dessen Grundstückszaun dieses Filmchen aufgenommen wurde, reagiert recht schnell und stellt den Sachverhalt klar. Das, was dort zu sehen sei, diene lediglich als Übergangslösung, teilt das Unternehmen auf Facebook mit und verweist auf die sieben Millionen Euro, die in die Elektrifizierung des Betriebshofs investiert würden. „Wir hatten damals für unser Depot neue Pantographen bekommen, die aber noch nicht an den Trafo angeschlossen waren“, erklärt Xavier Kieffer, Mitarbeiter des Busunternehmens, und betont, dass damit lediglich die Funktion der Pantographen getestet worden sei. „Wir haben während dieser Zeit keine einzige kommerzielle Fahrt gemacht“, sagt Kieffer.
Pantographen sind Stromabnehmer, wie man sie von Straßenbahnen oder Elektrozügen kennt. Die Busse werden also von oben über einen beweglichen Arm mit Kontaktflächen geladen. Die Technik ist aufwendiger als ein Laden über den Stecker, ermöglicht dafür aber auch eine hohe Ladeleistung in kurzer Zeit. In Luxemburg sind bereits einige dieser Pantographen-Stationen im Einsatz. „Man kann damit je nach Busmodell das Fahrzeug innerhalb von 30 Minuten zu 30 bis 60 Prozent laden“, erklärt Kieffer. Weshalb solche Ladestationen zum Beispiel auch bei Bushaltestellen sinnvoll seien: „Wenn der Bus hält, lädt er kurz auf, und dann geht es weiter.“
Bis zu 65 Busse gleichzeitig laden
Die Möglichkeit, zwischendurch ein wenig aufzuladen, ist wichtig, weil bei den Elektrobussen die Reichweite noch vergleichsweise kurz ist. Während Diesel mit einer Tankfüllung gut 500 bis 550 Kilometer fahren können, liegt die Reichweite bei E-Bussen derzeit bei ungefähr 250 Kilometern. Wobei das extrem schwanken kann, wie Kieffer erklärt. „Die Reichweite hängt von den Wetterkonditionen, dem Streckenprofil, aber auch von den Fahrern ab“, sagt er. Entscheidend für die Umstellung auf Elektro ist also, die Busse so einzusetzen, dass sie mit dem, was ihnen an Reichweite zur Verfügung steht, auch zurechtkommen.
„Manche Fahrzeuge verlassen morgens den Betriebshof und fahren den ganzen Tag durch, da sie an gewissen Endhaltestellen immer wieder nachladen können. Andere Fahrzeuge kommen zum Nachladen in eines unserer Depots, wenn sie nach einer Linienfahrt in der Nähe sind“, erklärt Sven Regnery vom Busunternehmen EmileWeber. Dank eines intelligenten Lademanagements könnten am Hauptstandort Canach bis zu 65 Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden.
2018 hat das Busunternehmen die ersten Elektrobusse angeschafft: eine Flotte von sieben Fahrzeugen. „Sie wurden eingesetzt, um eine ganze Buslinie zwischen Bettemburg und Düdelingen auf einmal zu elektrifizieren“, sagt Regnery. Und damals sei das die erste komplett elektrisch betriebe Linie in Luxemburg gewesen. Im selben Jahr folgten dann die teilweise Elektrifizierung der Linie 290 zwischen Mersch und Luxemburg sowie die Einführung
des ersten elektrischen Schulbusses in Luxemburg für die Gemeinde Bissen.
Inzwischen hat das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits gut zwölf Millionen Kilometer rein elektrisch zurückgelegt. Derzeit sind bei Emile Weber rund 70 E-Busse im Einsatz, bis Oktober sollen es sogar 140 sein. Und auch bei Sales-Lentz, das mit Emile Weber zu den größten Busunternehmen des Landes gehört, wird die Flotte an E-Fahrzeugen derzeit ordentlich aufgerüstet. Der Grund dafür ist aber nicht der hohe Dieselpreis, sondern vielmehr die Ausschreibung für das neue Liniennetz des RGTR (Régime général des transports routiers). Bei der europaweit größten Ausschreibung dieser Art wurden die Linienbündel neu vergeben. Und das mit Auflagen. „Von Regierungsseite her steht das Ziel, dass bis 2030 das gesamte RGTR-Netz elektrisch bedient wird. Demnach sollen 2030 nur noch E-Busse
in diesem Netz fahren“, erklärt dazu Hendrik Kühne von der Fédération luxembourgeoise des exploitants d'autobus et d'autocars (FLEAA). Angesichts dieser Umstände sei es derzeit schwierig, verlässliche Angaben zum Anteil der Elektrobusse zu machen. Die letzten zuverlässigen Zahlen des Verbands stammten von Oktober 2021. Von den knapp 3 000 Bussen seien damals rund 140 elektrisch unterwegs gewesen, also etwa 5,8 Prozent. „Seitdem ist allerdings viel passiert, da viele neue E-Busse für die RGTR-Linien gekauft wurden“, so Kühne.
Andere Lösungen für Reisebusse
Die Unternehmen investieren eifrig in die Elektrifizierung, probieren neue Techniken aus, optimieren die Ladevorgänge, wissen aber auch trotz aller Innovationen, wo die Grenzen sind. Denn was im öffentlichen Personennahverkehr bereits verlässlich funktioniert, ist für den Fernverkehr derzeit noch keine wirkliche Alternative zum herkömmlichen Antrieb. „Es gibt zwar bereits einige vollelektrische Reisebusse, aber die sind zum einen noch sehr teuer und zum anderen ist die Reichweite auch noch nicht so, wie man sie bräuchte“, sagt Kieffer, der deshalb davon ausgeht, dass beim Thema Langstrecken eher der Wasserstoff die fossilen Brennstoffe ersetzen wird.
Ähnlich sieht man das auch bei Emile Weber. So wie es sich bereits bei der Elektromobilität bewährt habe, wolle man auch bei allen anderen zukünftigen Technologien eng mit den Herstellern zusammenarbeiten, um gegenseitig voneinander zu lernen, sagt Regnery. „Beim Thema Wasserstoff sind wir in zwei Forschungsprojekten aktiv, eines davon im europäischen Kontext des Förderprogramms Interreg“, sagt er.
Bis die ersten Wasserstoffbusse unterwegs sein werden, wird es aber wohl noch dauern. „Alternativen sind noch nicht weit genug entwickelt, um praxisrelevant zu sein“, meint dazu FLEAA-Sprecher Kühne. Ganz abgesehen davon, dass es derzeit in Luxemburg ohnehin noch keine WasserstoffTankstelle gibt. Auf Busse mit Dieselantrieb wird man deshalb vorerst also nicht verzichten können – und ganz ohne Diesel funktioniert es in vielen Fällen auch bei den Elektrobussen noch nicht. Denn trotz Akkuantrieb werden deren Heizungen oft noch mit Diesel betrieben. Weil sonst im Winter einfach die Reichweite zu kurz wäre.
Alternativen sind noch nicht weit genug entwickelt, um praxisrelevant zu sein Hendrik Kühne, Fédération luxembourgeoise des exploitants d'autobus et d'autocars