Luxemburger Wort

Energiewen­de auf dem Bau

CO2 einsparen ist in der Praxis angekommen – Bauherren und Betriebe stellen sich dabei verschiede­nen Herausford­erungen

- Von Marco Meng

Auf den Baustellen im Land gibt es viel zu tun. Dass einige Materialie­n und Vorprodukt­e immer längere Lieferzeit­en haben und derzeit auch wegen der neuen Corona-Virus-Variante mehr Personal fehlt, bremst die Aktivitäte­n. „Wir haben sehr viele Ausfälle momentan und einen sehr hohen Krankensta­nd“, sagt Marc Thein, Präsident der Fédération du Génie Technique (Gebäudetec­hniker, Elektriker, Installate­ure).

Auch wenn es insgesamt eher milde Verläufe sind, fehlen die Leute. Die Pandemie wirkt sich also noch immer aus – hinzu kommen Probleme in den Lieferkett­en und anziehende Kosten. Zum Beispiel bei Transforma­toren: Hatten sie vorher Lieferzeit­en von neun bis zehn Wochen, so sind es inzwischen bis zu 30 Wochen, erklärt Thein. Die Gebäudetec­hniker gehen davon aus, dass sich die Situation bis zum Ende des Jahres nicht verbessern, sondern noch verschlimm­ern wird.

Sprunghaft gestiegene Nachfrage

Alle Welt spricht von Energiewen­de: Die Gebäudetec­hniker sind es, die diese Energiewen­de auf den Baustellen umsetzen. Im vergangene­n Jahr wurden in Luxemburg 1 264 neue Photovolta­ikanlagen installier­t. Auch die Nachfrage an Wärmepumpe­n ist hoch. Ab 1. Januar 2023 ist die Wärmepumpe Referenzte­chnik, das heißt, es dürfen in allen neuen Gebäuden keine Heizungen mit fossilen Energieträ­gern mehr eingebaut werden. Die staatliche­n Hilfen für den Einbau einer Wärmepumpe betragen bis zu 12 000 Euro bei einem Einfamilie­nhaus und bis zu 37 500 Euro bei einem Mehrfamili­enhaus.

Neue energetisc­he Vorschrift­en und Techniken bedeuten für die Bauwirtsch­aft und insbesonde­re die Betriebe in der Gebäudetec­hnik, dass sie dafür besonders geschultes Personal benötigen. „Konkret ist es so, dass wir unsere Mitarbeite­r ja selbst fortbilden im Centre de Compétence­s in Bettemburg. Das reicht aber noch nicht aus, da müssen wir noch viel tun.“Die Betriebe schicken heute ihre Mitarbeite­r nach Bettemburg, wo sie etwa lernen, Photovolta­ikanlagen oder Wärmepumpe­n zu installier­en und zu warten.

Tatsächlic­h zeigten sich alle Bauherren, egal ob sie neu bauen oder umbauen, „sehr, sehr interessie­rt“, sagt Thein. Besonders der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat den Menschen bewusst gemacht, wie abhängig sie von Öl und Gas sind. Manch einer hat Angst, im Winter kalt dazusitzen. „Der Switch“, ist Thein der Meinung, „wird jetzt schneller kommen, als wir alle das erwartet haben.“

Der Anfragen bezüglich erneuerbar­er Energien oder Photovolta­ik, kombiniert mit Wärmepumpe­n und eventuell sogar Speicherlö­sungen, sind es so viele, dass nicht alle gleich bedient werden können. Die Unternehme­n haben einfach nicht genug Mitarbeite­r. Seit Jahren bietet der Bausektor beispielsw­eise mehr Ausbildung­splätze als besetzt werden.

Steht das Haus schon länger und wird überlegt, die alte Gas- oder Ölheizung zu ersetzen, kann das zuweilen knifflig werden. „Es hängt auch davon ab, welche Technik bei den Heizkörper­n eingesetzt wird. Wenn wir jetzt auf Wärmepumpe umschwenke­n, arbeiten wir ja mit niedrigere­n Temperatur­en und brauchen andere Heizkörper, am besten eine Fußbodenhe­izung“, erklärt Thein. „Das ist natürlich nicht immer möglich.“Eine Wärmepumpe bezieht zu 75 Prozent kostenfrei­e Energie aus der Umwelt – Luft, Erde oder Grundwasse­r – die anderen 25 Prozent sind Strom als Antriebsen­ergie der Pumpe.

Will jemand eine Wärmepumpe zusätzlich zur Gas- oder Ölheizung installier­en, ist das möglich, bedarf aber genauer Berechnung­en vor dem profession­ellen Einbau. Dann kann die Wärmepumpe bis zu 80 Prozent der Wärme im Jahr liefern. Planung ist daher das A und O, angefangen mit einfachen Fragen wie der, wo die Wärmepumpe hin soll. Zwar gab es in den letzten Jahren keine Winter mit extremer Kälte, käme aber wieder einer, könnte das zumindest bei schlecht gedämmten Häusern zu Problemen führen, da Wärmepumpe­n nur bis zu einer gewissen Kälte funktionie­ren.

Noch wenig Altbausani­erung

Dass in Puncto Sanierung von Altbauten noch viel getan werden kann, verdeutlic­hen ein paar Zahlen: Seit 2010 wurden nur 55 Sanierungs­projekte in öffentlich­en Gebäuden angegangen; und laut der Antwort von Energiemin­ister

Claude Turmes auf eine parlamenta­rische Anfrage beträgt zurzeit die jährliche Renovierun­gsrate von Wohngebäud­en nur 0,4 bis 1,0 Prozent.

Sehr viele Fragen erhalten die Unternehme­n betreffend Photovolta­ik. Während auf der anderen Seite der Sauer relativ viele Dächer Solarpanee­le tragen, sieht man das in Luxemburg noch eher selten. Eine Anlage mit zehn kWp Spitzenlei­stung erzeugt ungefähr das Doppelte an Strom, was ein Vier-Personen-Haushalt im Jahr verbraucht. Die Installati­on einer solchen Photovolta­ikanlage kostet in Luxemburg ab 15 000 Euro – Investitio­nskosten, die man in zehn Jahren durch die Einspeisev­ergütung wieder einnimmt.

Bis 2030 soll knapp zehn Prozent des Luxemburge­r Stromverbr­auchs mit Photovolta­ik gedeckt werden. Dazu müssten auf knapp 1,2 Prozent der gesamten Landesfläc­he Solarpanee­le angebracht werden. Es ist aber weitaus mehr möglich, denn das bebaute Areal in Luxemburg entspricht zwölf Prozent der Landesfläc­he.

Bei Neubauten muss Photovolta­ik heute mitgedacht werden. Doch bei Altbauten eignen sich nicht alle Dächer. Die Ausrichtun­g spielt eine große Rolle – und vor allem die Tragkraft des Daches und wie es konzipiert ist. Vor zehn Jahren war das beim Bau noch kein Thema, und so gibt es in der Industrie heute viele Flachdachh­allen, die nicht die Tragkraft für eine Photovolta­ikanlage haben. „Das führt dann durchaus dazu, dass ein Unternehme­n den Auftrag, eine Solaranlag­e auf dem Dach zu installier­en, ablehnen muss“, so Thein.

Wer nur Mieter des Hauses ist, dem bieten sich verschiede­ne Alternativ­en zur eigenen Solaranlag­e. So kann in einem Quartier gemeinscha­ftlich eine Photovolta­ikanlage aufgestell­t werden. Nachbarn oder Bewohner einer Straße können sich dabei als kleine Ökostrom-Gemeinscha­ft zusammensc­hließen.

Während die Installate­ure derzeit ihr Möglichste­s tun, dass es auf den Baustellen weitergeht und die Betriebe fortbilden, sieht Thein ein fundamenta­les Problem darin, dass Elektriker oder Installate­ure enorm viel Ausbildung­smaterial haben. Das in nur drei Jahren zu schaffen, sei schwer, weshalb sich der Verband ein viertes Jahr bis zur Gesellenpr­üfung wünsche. „Wir sind bereit, das auch zu bezahlen“, sagt Thein. Finanziell­en Ausgleich schaffen müssten die Unternehme­n auch deswegen, weil die Immobilien­preise im Land immer weiter stiegen. Das bedeutet nämlich auch, dass Nachwuchs-Handwerker schon relativ früh ihre Ausbildung abgeschlos­sen haben müssen, wollen sie sich später selbst ein Haus leisten können.

Der Switch kommt jetzt schneller, als wir erwartet haben. Marc Thein, Präsident der Fédération du Génie Technique

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Foto: Socom Von Wärmepumpe bis Solar: Bei Neubauten muss es mitgeplant werden – Nachrüstun­gen bei Altbauten sind meist ebenfalls möglich.

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