„Seine Helden zu treffen kann gefährlich sein“
Austin Butler über den „Elvis“-Film, Parallelen zum Leben des King of Rock 'n' Roll und ein Geschenk von Tom Hanks
Austin Butler war bereits als Teenager ein Star: Mit 16 Jahren übernahm er Rollen in Jugendserien wie „Hannah Montana“oder „iCarly“, später war er in „CSI: Miami“, „Switched at Birth“oder „The Carrie Diaries“zu sehen. Berühmt wurde er auch durch seine langjährige Beziehung mit Kollegin Vanessa Hudgens. Vom Image des Teenie-Idols begann sich Butler vor ein paar Jahren zu befreien – etwa mit seinem Broadway-Debüt „The Iceman Cometh“an der Seite von Denzel Washington oder Quentin Tarantinos „Once Upon a Time in Hollywood“. Nun spielt er in Baz Luhrmanns Biopic „Elvis“, das nun in den Kinos zu sehen ist, seine mit Abstand größte Rolle. Das „Luxemburger Wort traf den 30-Jährigen anlässlich der Weltpremiere in Cannes zum Interview.
Austin Butler, „Elvis“ist Ihre bislang mit Abstand wichtigste Hauptrolle, die Dreharbeiten sind nun über ein Jahr her. Steckt immer noch ein wenig des King of Rock ’n’ Roll in Ihnen?
Ich glaube, man kann gar nichts dagegen tun, dass eine solche Rolle irgendwie an dir haften bleibt. Ich habe mich da so sehr mit Haut und Haar hineingestürzt, die Arbeit an diesem Film war eine enorm immersive Erfahrung. Und ganz generell hinterlassen emotional anstrengende Rolle immer ihre Spuren. Als ich am Broadway in „The Iceman Cometh“von Eugene O’Neill auf der Bühne stand, spielte ich jeden Abend jemanden, der sich das Leben nimmt. Danach musste ich meine Hirnsynapsen wie neu programmieren, weil ich sonst echt in diesen psychologischen Untiefen stecken geblieben wäre, in die ich mich begeben hatte. Aber auch Elvis und seine Welt steckten so tief in mir drin, dass ich nicht weiß, ob ich am Ende nicht immer ein wenig von ihm in mir tragen werde.
Sind Sie denn froh oder eher traurig, wenn Sie eine Rolle wie diese hinter sich lassen?
Das hängt von der Rolle ab. Am Ende der Dreharbeiten zu „Elvis“hatte ich jedenfalls eine existenzielle Krise. Was aber auch an den besonderen Umständen lag, unter denen der Film entstand. Ich war für die Vorbereitung und den Dreh nach Australien gezogen, doch nicht lange nachdem wir begonnen hatten, brach die CoronaPandemie aus. Wir konnten monatelang nicht arbeiten, aber ich entschied mich dagegen, zurück in die USA zu fliegen. Ich wollte mit meiner Konzentration ganz bei Elvis bleiben, also sah ich am Ende meine Familie zu Hause fast zwei Jahre lang nicht. Als dann am Ende alles im Kasten war und das, worauf ich so lange meine ganze Energie gerichtet hatte, plötzlich weg war, brach die Realität auf eine Weise über mich ein, die mich buchstäblich umhaute.
Sie landeten im Krankenhaus, nicht wahr?
Es war wirklich absurd. Die ganzen Dreharbeiten über war ich eigentlich nie krank, und das, obwohl ich in meinem Adrenalinrausch selten mehr als drei Stunden schlief. Aber kaum war mein Job erledigt, kaum hatte ich mich von allen verabschiedet und das Studio zum letzten Mal verlassen, versagte mein Körper. Ich wachte morgens um 4 Uhr auf und hatte Schmerzen, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Ich konnte mich kaum bewegen, es war, als habe mir jemand in den
Bauch gestochen. Mein Manager rief einen Arzt, der mich zum ersten Mal in meinem Leben mit dem Krankenwagen in die Notaufnahme bringen ließ. Da war man schon auf eine Operation vorbereitet, alle gingen davon aus, dass es mein Blinddarm sei. Doch dann stellte sich heraus, dass ich eine Virusinfektion hatte, die meine Lymphknoten angriff. Letztlich lag ich eine Woche flach, sehr surreal. Und nicht unähnlich wie Elvis, der in unserem Film ja auch eine Weile ans Krankenhausbett gefesselt ist, hinter mit Alufolie verdunkelten Fenstern.
Als Sie geboren wurden, war Elvis auf den Tag genau 14 Jahre und einen Tag tot. Hatten Sie überhaupt einen Bezug zu ihm, bevor Sie sich um die Rolle bewarben?
Ja, dank meiner Großmutter. Die ging in den 1950er-Jahren zur Highschool, und an ihrer großen Liebe zu dem jungen, rebellischen Elvis ließ sie mich teilhaben. Dafür bin ich total dankbar, denn viele Menschen meines Alters haben vermutlich nur den Elvis aus seinen Hollywood-Filmen im Kopf. Oder denken bloß an all die Imitatoren, die Parodien seiner Stimme oder den schlechten Gesundheitszustand in den Jahren vor seinem
Tod. Der Fifties-Elvis war für mich dagegen der Prägende. Mit anderem, etwa seinen Vegas-Shows 20 Jahre später, war ich tatsächlich nicht vertraut.
Genau wie bei Elvis starb auch Ihre Mutter, als Sie 23 Jahre alt waren. Haben Sie durch diese Gemeinsamkeit eine besondere Verbindung zu ihm gespürt?
Ja, das habe ich so empfunden.
Aber es gab auch noch ein paar andere Parallelen, durch die ich mich ihm nahe gefühlt habe. Meine Nervosität und meine Ängste zum Beispiel. Zu meiner großen Verwunderung stellte ich nämlich fest, dass sogar Elvis an riesigem Lampenfieber litt. Als junger Mann war er so schüchtern, dass er zwar eigentlich gerne vor Publikum Gitarre spielen wollte, aber dann immer das Licht ausmachen ließ und die Leute bat, sich umzudrehen. Noch zu Beginn seiner Karriere war er sich bei jedem Auftritt sicher, die Leute würden ihn mit Steinen bewerfen.
Gerade in den Konzert-Szenen des Films leisten Sie Eindrucksvolles. Wie lange haben Sie gebraucht, bis Sie das alles draufhatten?
Da steckt schon wahnsinnig viel Arbeit drin. Man macht sich natürlich kein Bild davon, wenn einige dieser Sequenzen nur wenige Augenblicke auf der Leinwand zu sehen sind. Aber vor den eigentlichen Dreharbeiten habe ich anderthalb Jahre fast nur an diesen Nummern gearbeitet. Eigentlich sogar länger, denn allein die Casting-Phase, in der der Regisseur Baz Luhrmann immer wieder Probeaufnahmen machte, bevor ich die Rolle überhaupt sicher hatte, dauerte fünf Monate. Und als dann klar war, dass ich tatsächlich Elvis spiele, habe ich wirklich jede freie Minute über kleine Nuancen und Eigenarten seiner Stimme oder einzelne Handbewegungen bei seinen Auftritten gebrütet. Das war schon ziemlich obsessiv.
Ihr wichtigster Partner im Film ist Tom Hanks. Wie war die Arbeit mit ihm?
Seine Helden zu treffen kann ja ziemlich gefährlich sein, denn diese Verehrung, die man jemandem entgegenbringt, kann ein echtes Ungleichgewicht nach sich ziehen. Und
Kaum war mein Job erledigt, kaum hatte ich mich von allen verabschiedet, versagte mein Körper.
Tom hat mich fest in den Arm genommen, und direkt angefangen, von seinen Ängsten und Sorgen zu erzählen.
das hat dann mitunter zur Folge, dass einem die Wahrhaftigkeit in der Arbeit flöten geht, dass man sich selbst kleiner macht als angebracht oder dass man sich selbst zensiert, weil man ständig Angst hat, etwas Blödes zu sagen. Doch das hat Tom, mit der enormen Warmherzigkeit, die er vom ersten Moment an verströmte, sofort auf clevere Weise verhindert.
Was hat er denn gemacht?
Erst einmal hat er mich richtig fest in den Arm genommen, und dann hat er direkt angefangen, mir von seinen Ängsten und Sorgen zu erzählen. Was mir natürlich die Tür öffnete, ihm zu gestehen, dass ich nicht nur Angst, sondern geradezu Panik verspürte. So standen wir sofort auf Augenhöhe und ich hatte gleich das Gefühl, mit ihm als Kollege zusammenarbeiten zu können. Was nicht heißt, dass meine große Bewunderung für ihn gelitten hätte. Ach, und ein typisches TomHanks-Geschenk hat er mich auch gemacht.
Nämlich?
Ich bekam von ihm eine Schreibmaschine. Davon, dass er das mit Kollegen macht, hatte ich schon gehört. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass es dazu dann auch noch einen Brief gab, den er – in seiner Rolle als Colonel Tom Parker – an mich, also Elvis geschrieben hatte. Er gab mir die Schreibmaschine mit den Worten: So können wir jetzt kommunizieren. Tatsächlich antwortete ich ihm dann, und so begann eine Korrespondenz von Hotelsuite zu Hotelsuite, die für mich etwas sehr Besonderes war. Denn wenn man solche Briefe aus der Position eines anderen Menschen heraus schreibt, begibt man sich nochmals tiefer in dessen Psychologie und Gedankenwelt hinab.