Luxemburger Wort

„Seine Helden zu treffen kann gefährlich sein“

Austin Butler über den „Elvis“-Film, Parallelen zum Leben des King of Rock 'n' Roll und ein Geschenk von Tom Hanks

- Interview: Patrick Heidmann

Austin Butler war bereits als Teenager ein Star: Mit 16 Jahren übernahm er Rollen in Jugendseri­en wie „Hannah Montana“oder „iCarly“, später war er in „CSI: Miami“, „Switched at Birth“oder „The Carrie Diaries“zu sehen. Berühmt wurde er auch durch seine langjährig­e Beziehung mit Kollegin Vanessa Hudgens. Vom Image des Teenie-Idols begann sich Butler vor ein paar Jahren zu befreien – etwa mit seinem Broadway-Debüt „The Iceman Cometh“an der Seite von Denzel Washington oder Quentin Tarantinos „Once Upon a Time in Hollywood“. Nun spielt er in Baz Luhrmanns Biopic „Elvis“, das nun in den Kinos zu sehen ist, seine mit Abstand größte Rolle. Das „Luxemburge­r Wort traf den 30-Jährigen anlässlich der Weltpremie­re in Cannes zum Interview.

Austin Butler, „Elvis“ist Ihre bislang mit Abstand wichtigste Hauptrolle, die Dreharbeit­en sind nun über ein Jahr her. Steckt immer noch ein wenig des King of Rock ’n’ Roll in Ihnen?

Ich glaube, man kann gar nichts dagegen tun, dass eine solche Rolle irgendwie an dir haften bleibt. Ich habe mich da so sehr mit Haut und Haar hineingest­ürzt, die Arbeit an diesem Film war eine enorm immersive Erfahrung. Und ganz generell hinterlass­en emotional anstrengen­de Rolle immer ihre Spuren. Als ich am Broadway in „The Iceman Cometh“von Eugene O’Neill auf der Bühne stand, spielte ich jeden Abend jemanden, der sich das Leben nimmt. Danach musste ich meine Hirnsynaps­en wie neu programmie­ren, weil ich sonst echt in diesen psychologi­schen Untiefen stecken geblieben wäre, in die ich mich begeben hatte. Aber auch Elvis und seine Welt steckten so tief in mir drin, dass ich nicht weiß, ob ich am Ende nicht immer ein wenig von ihm in mir tragen werde.

Sind Sie denn froh oder eher traurig, wenn Sie eine Rolle wie diese hinter sich lassen?

Das hängt von der Rolle ab. Am Ende der Dreharbeit­en zu „Elvis“hatte ich jedenfalls eine existenzie­lle Krise. Was aber auch an den besonderen Umständen lag, unter denen der Film entstand. Ich war für die Vorbereitu­ng und den Dreh nach Australien gezogen, doch nicht lange nachdem wir begonnen hatten, brach die CoronaPand­emie aus. Wir konnten monatelang nicht arbeiten, aber ich entschied mich dagegen, zurück in die USA zu fliegen. Ich wollte mit meiner Konzentrat­ion ganz bei Elvis bleiben, also sah ich am Ende meine Familie zu Hause fast zwei Jahre lang nicht. Als dann am Ende alles im Kasten war und das, worauf ich so lange meine ganze Energie gerichtet hatte, plötzlich weg war, brach die Realität auf eine Weise über mich ein, die mich buchstäbli­ch umhaute.

Sie landeten im Krankenhau­s, nicht wahr?

Es war wirklich absurd. Die ganzen Dreharbeit­en über war ich eigentlich nie krank, und das, obwohl ich in meinem Adrenalinr­ausch selten mehr als drei Stunden schlief. Aber kaum war mein Job erledigt, kaum hatte ich mich von allen verabschie­det und das Studio zum letzten Mal verlassen, versagte mein Körper. Ich wachte morgens um 4 Uhr auf und hatte Schmerzen, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Ich konnte mich kaum bewegen, es war, als habe mir jemand in den

Bauch gestochen. Mein Manager rief einen Arzt, der mich zum ersten Mal in meinem Leben mit dem Krankenwag­en in die Notaufnahm­e bringen ließ. Da war man schon auf eine Operation vorbereite­t, alle gingen davon aus, dass es mein Blinddarm sei. Doch dann stellte sich heraus, dass ich eine Virusinfek­tion hatte, die meine Lymphknote­n angriff. Letztlich lag ich eine Woche flach, sehr surreal. Und nicht unähnlich wie Elvis, der in unserem Film ja auch eine Weile ans Krankenhau­sbett gefesselt ist, hinter mit Alufolie verdunkelt­en Fenstern.

Als Sie geboren wurden, war Elvis auf den Tag genau 14 Jahre und einen Tag tot. Hatten Sie überhaupt einen Bezug zu ihm, bevor Sie sich um die Rolle bewarben?

Ja, dank meiner Großmutter. Die ging in den 1950er-Jahren zur Highschool, und an ihrer großen Liebe zu dem jungen, rebellisch­en Elvis ließ sie mich teilhaben. Dafür bin ich total dankbar, denn viele Menschen meines Alters haben vermutlich nur den Elvis aus seinen Hollywood-Filmen im Kopf. Oder denken bloß an all die Imitatoren, die Parodien seiner Stimme oder den schlechten Gesundheit­szustand in den Jahren vor seinem

Tod. Der Fifties-Elvis war für mich dagegen der Prägende. Mit anderem, etwa seinen Vegas-Shows 20 Jahre später, war ich tatsächlic­h nicht vertraut.

Genau wie bei Elvis starb auch Ihre Mutter, als Sie 23 Jahre alt waren. Haben Sie durch diese Gemeinsamk­eit eine besondere Verbindung zu ihm gespürt?

Ja, das habe ich so empfunden.

Aber es gab auch noch ein paar andere Parallelen, durch die ich mich ihm nahe gefühlt habe. Meine Nervosität und meine Ängste zum Beispiel. Zu meiner großen Verwunderu­ng stellte ich nämlich fest, dass sogar Elvis an riesigem Lampenfieb­er litt. Als junger Mann war er so schüchtern, dass er zwar eigentlich gerne vor Publikum Gitarre spielen wollte, aber dann immer das Licht ausmachen ließ und die Leute bat, sich umzudrehen. Noch zu Beginn seiner Karriere war er sich bei jedem Auftritt sicher, die Leute würden ihn mit Steinen bewerfen.

Gerade in den Konzert-Szenen des Films leisten Sie Eindrucksv­olles. Wie lange haben Sie gebraucht, bis Sie das alles draufhatte­n?

Da steckt schon wahnsinnig viel Arbeit drin. Man macht sich natürlich kein Bild davon, wenn einige dieser Sequenzen nur wenige Augenblick­e auf der Leinwand zu sehen sind. Aber vor den eigentlich­en Dreharbeit­en habe ich anderthalb Jahre fast nur an diesen Nummern gearbeitet. Eigentlich sogar länger, denn allein die Casting-Phase, in der der Regisseur Baz Luhrmann immer wieder Probeaufna­hmen machte, bevor ich die Rolle überhaupt sicher hatte, dauerte fünf Monate. Und als dann klar war, dass ich tatsächlic­h Elvis spiele, habe ich wirklich jede freie Minute über kleine Nuancen und Eigenarten seiner Stimme oder einzelne Handbewegu­ngen bei seinen Auftritten gebrütet. Das war schon ziemlich obsessiv.

Ihr wichtigste­r Partner im Film ist Tom Hanks. Wie war die Arbeit mit ihm?

Seine Helden zu treffen kann ja ziemlich gefährlich sein, denn diese Verehrung, die man jemandem entgegenbr­ingt, kann ein echtes Ungleichge­wicht nach sich ziehen. Und

Kaum war mein Job erledigt, kaum hatte ich mich von allen verabschie­det, versagte mein Körper.

Tom hat mich fest in den Arm genommen, und direkt angefangen, von seinen Ängsten und Sorgen zu erzählen.

das hat dann mitunter zur Folge, dass einem die Wahrhaftig­keit in der Arbeit flöten geht, dass man sich selbst kleiner macht als angebracht oder dass man sich selbst zensiert, weil man ständig Angst hat, etwas Blödes zu sagen. Doch das hat Tom, mit der enormen Warmherzig­keit, die er vom ersten Moment an verströmte, sofort auf clevere Weise verhindert.

Was hat er denn gemacht?

Erst einmal hat er mich richtig fest in den Arm genommen, und dann hat er direkt angefangen, mir von seinen Ängsten und Sorgen zu erzählen. Was mir natürlich die Tür öffnete, ihm zu gestehen, dass ich nicht nur Angst, sondern geradezu Panik verspürte. So standen wir sofort auf Augenhöhe und ich hatte gleich das Gefühl, mit ihm als Kollege zusammenar­beiten zu können. Was nicht heißt, dass meine große Bewunderun­g für ihn gelitten hätte. Ach, und ein typisches TomHanks-Geschenk hat er mich auch gemacht.

Nämlich?

Ich bekam von ihm eine Schreibmas­chine. Davon, dass er das mit Kollegen macht, hatte ich schon gehört. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass es dazu dann auch noch einen Brief gab, den er – in seiner Rolle als Colonel Tom Parker – an mich, also Elvis geschriebe­n hatte. Er gab mir die Schreibmas­chine mit den Worten: So können wir jetzt kommunizie­ren. Tatsächlic­h antwortete ich ihm dann, und so begann eine Korrespond­enz von Hotelsuite zu Hotelsuite, die für mich etwas sehr Besonderes war. Denn wenn man solche Briefe aus der Position eines anderen Menschen heraus schreibt, begibt man sich nochmals tiefer in dessen Psychologi­e und Gedankenwe­lt hinab.

 ?? Foto: Warner Bros./dpa ?? Das 159 Minuten lange Biopic „Elvis“handelt nicht nur vom Aufstieg und Fall des weltbekann­ten Musikers, sondern thematisie­rt auch seine zwischenme­nschlichen Beziehunge­n.
Foto: Warner Bros./dpa Das 159 Minuten lange Biopic „Elvis“handelt nicht nur vom Aufstieg und Fall des weltbekann­ten Musikers, sondern thematisie­rt auch seine zwischenme­nschlichen Beziehunge­n.

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