Luxemburger Wort

Doppelpack

Die Radprofis Bob Jungels und Kevin Geniets haben ihr Ticket für die Tour de France in der Tasche

- Von Joe Geimer

Lange stand ein großes Fragezeich­en hinter der Teilnahme von Bob Jungels an der diesjährig­en Tour de France. Nun ist klar: Der 29-Jährige hat es geschafft. Sein Arbeitgebe­r Ag2r-Citroën hat das wohlbehüte­te Geheimnis gestern gelüftet. Jungels gehört zum achtköpfig­en Aufgebot. Zusammen mit Kapitän Ben O'Connor (AUS) und den Teamkolleg­en Geoffrey Bouchard (F), Mikaël Chérel (F), Benoît Cosnefroy (F), Stan Dewulf (B), Oliver Naesen (B) und Aurélien Paret-Peintre (F) hofft Jungels vom 1. bis zum 24. Juli bei der 109. Frankreich-Rundfahrt für Furore zu sorgen.

Insgesamt 176 Fahrer werden kommenden Freitag in Kopenhagen beim eröffnende­n Einzelzeit­fahren von der Startrampe rollen. Jungels wird dann nicht der einzige Luxemburge­r Teilnehmer sein. Denn bereits vorgestern hatte das Team Groupama-FDJ sein achtköpfig­es Tour-Aufgebot veröffentl­icht. Mit dabei ist Kevin Geniets. Der 25-Jährige wird wenig überrasche­nd für sein starkes Frühjahr belohnt. Er darf erstmals bei der Frankreich-Rundfahrt an den Start gehen. Die Freude ist riesengroß. „Schon als kleiner Junge hatte ich den Traum und das Ziel, einmal an der Tour de France teilzunehm­en. Das habe ich nun geschafft“, schildert Geniets.

Etappensie­g für Jungels ein Thema

Jungels kennt die Tour de France schon. Für ihn ist es die vierte Teilnahme am größten und wichtigste­n Radrennen: 2015 belegte er Rang 27, 2018 wurde er Elfter und 2020 klassierte er sich an Position 43. Die diesjährig­e Ausgabe nimmt aber bereits jetzt einen außergewöh­nlichen Platz ein. Denn eine Teilnahme war noch vor wenigen Wochen sehr unwahrsche­inlich. Der 29-Jährige ist förmlich in letzter Sekunde auf den Zug aufgesprun­gen und genießt die wilde Fahrt deshalb umso mehr.

Der Knoten ist vergangene Woche bei der Tour de Suisse geplatzt. Dass Jungels den letzten Formtest vor der Frankreich­Rundfahrt als Sechster beenden würde, damit war im Vorfeld nicht zu rechnen. Er übertraf die eigenen Erwartunge­n. „Es war eine fantastisc­he Woche. Ich bin sehr glücklich, zurück zu sein. Ich bin erleichter­t, wieder zu den Stärksten zu zählen und hoffe, dies in den nächsten Wochen zu bestätigen“, erzählte er im Anschluss.

Der ehemalige Sechste des Giro d'Italia fuhr in der Schweiz so stark, wie seit Jahren nicht mehr. Beim abschließe­nden Einzelzeit­fahren lieferte er den ultimative­n

Beweis. Platz fünf bei nur 33 Sekunden Rückstand auf Remco Evenepoel (B/Quick-Step) nach 25,3 Kilometern lässt keinen Raum für Zweifel.

Sein letztes Topergebni­s vor dem starken Auftritt in der Schweiz datierte aus dem März 2020, als er auf einer Etappe von Paris-Nice Vierter wurde. Anschließe­nd folgten viele Monate voller Zweifel, Enttäuschu­ngen und Rückschläg­e, die am Selbstwert­gefühl und Selbstvert­rauen des eigentlich aufgeschlo­ssenen jungen Mannes nagten. Bis schließlic­h die Diagnose Endofibros­e eine Erklärung für die Stagnation in Jungels' Leistungse­ntwicklung lieferte. Vor einem Jahr musste er unters Messer und wurde an beiden Beinen operiert. Es folgte eine mehrmonati­ge Pause. 2022 wollte er mit neuer Motivation angreifen. Doch der Anschluss an die Weltspitze war kein Selbstläuf­er. Bei den Klassikern im Frühjahr war eine Steigerung zu erkennen, der ersehnte Ausreißer nach oben blieb jedoch aus. Eine Teilnahme an der Tour de France wurde immer unwahrsche­inlicher.

Das dreiwöchig­e Trainingsl­ager in der Sierra Nevada im Mai, in Kombinatio­n mit der richtigen Mischung aus Kampfgeist und Entschloss­enheit, hat schließlic­h die Kehrtwende eingeleite­t. Denn bei der Tour de Suisse war Jungels vom ersten Tag an hellwach und konkurrenz­fähig.

Auch wenn sein sechster Platz von einigen coronabedi­ngten Ausfällen der Konkurrenz begünstigt wurde, war fortan nur schwer vorstellba­r, dass die Team-Verantwort­lichen um Vincent Lavenu seine Leistungse­xplosion mit Blick auf die Tour de France ignorieren würden. Und so kam es denn auch.

Wie knapp es für Jungels war, erzählt Teamchef Lavenu, der schweren Herzens und doch ziemlich überrasche­nd bei der Tour auf den belgischen Routinier Greg van Avermaet (B) verzichtet. „Es war schwierig diese Entscheidu­ng zu treffen und sie Greg mitzuteile­n. Die Beschaffen­heit des Parcours hat schließlic­h den Ausschlag gegeben. Nach den Etappen im Norden Frankreich­s geht es schnell ins Hochgebirg­e. Und dort hat uns Greg in den vergangene­n Wochen nicht überzeugt. Bob hingegen ist genau das bei der Tour de Suisse gelungen.“

Die Devise bei Ag2r-Citroën ist klar: Kapitän O'Connor soll sehr weit vorne landen. Der Vorjahresv­ierte aus Australien ist gut drauf, wie er zuletzt mit Rang drei beim Critérium du Dauphiné bewies. Das Podium ist auch bei der Frankreich-Rundfahrt ein realistisc­hes Ziel. Damit dies gelingt, soll Jungels eine Schlüsselr­olle übernehmen. „Er soll O'Connor in den Bergen begleiten. Dass er zurück zu alter Form gefunden hat, hat er in der Schweiz gezeigt. Bob ist immer noch ein Spitzenfah­rer. Er wird seine Rolle im Team ohne Problem finden. Zudem wird er einen Etappensie­g ins Auge fassen“, verrät Lavenu.

Geniets als Aufpasser von Gaudu

Geniets wird bei der Tour de France ebenfalls eine Menge Arbeit verrichten müssen. Vereinfach­t gesagt, ist er der persönlich­e Aufpasser von David Gaudu (F). Er soll dem Kapitän zur Seite stehen, ihn beschützen und dafür sorgen, dass dieser auf dem Flachen weder Energie noch Zeit einbüßt, um dann im Hochgebirg­e mit den Besten rivalisier­en zu können. Im vergangene­n Jahr belegte Gaudu Rang elf. Diesmal soll es noch weiter nach vorne gehen – gerne auch gepaart mit einem Etappensie­g. Damit dies gelingt, setzt Teamchef Marc Madiot auf eine schlagfert­ige Truppe: Neben Gaudu und Geniets sind ebenfalls Antoine Duchesne (CAN), Stefan Küng (CH), Olivier Le Gac (F), Valentin Madouas (F), Routinier Thibaut Pinot (F) und Michael Storer (AUS) an Bord.

Geniets freut sich auf die Herausford­erung. Jungels ist ebenfalls happy. Und Alex Kirsch (Trek)? Dessen Arbeitgebe­r Trek-Segafredo wird in den kommenden Stunden verraten, ob aus dem dem Luxemburge­r Doppelpack noch ein Trio wird. Die Luxemburge­r Fans wären dann entzückt

Schon als kleiner Junge hatte ich den Traum und das Ziel, einmal an der Tour de France teilzunehm­en. Kevin Geniets

 ?? Foto: Serge Waldbillig ?? Die Quälerei der vergangene­n Monate hat sich für Bob Jungels gelohnt.
Foto: Serge Waldbillig Die Quälerei der vergangene­n Monate hat sich für Bob Jungels gelohnt.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg