Zweifel am grünen Daumen
Für Banken führt an ESG kein Weg vorbei – dennoch gibt es einige Fallstricke
Die letzten Wochen waren nicht leicht für Verfechter nachhaltiger Anlagen. Erst gab es Ende Mai eine Razzia bei der Deutschen Bank und von deren Fondstochter DWS in Frankfurt am Main aufgrund des Verdachts auf Kapitalmarktbetrug. Der Vermögensverwalter soll, so der Vorwurf, falsche Angaben zu Nachhaltigkeitskriterien gemacht haben. Dann wurde in der vorvergangenen Woche bekannt, dass die amerikanische Börsenaufsicht SEC ebenfalls gegen Goldman Sachs wegen mutmaßlichen Greenwashings ermittelt.
Auch bei den Anlegern scheint sich die Begeisterung für sogenannte ESG-Anlagen (Environmental, Social and Corporate Governance) nach einem enormen Schub in den letzten Jahren wieder abzukühlen. Laut dem Informationsdienstleister Morningstar gingen die Zuflüsse in ESG-Fonds zuletzt weltweit um 36 Prozent zurück.
Kundenerwartungen ändern sich
Endet der grüne Boom in der Finanzwirtschaft also, bevor er angefangen hat? Wohl kaum. Der Klimawandel und Energiewende erfordern in den nächsten Jahrzehnten Investments in Billionenhöhe, die nur die Finanzwirtschaft bereitstellen und managen kann. Die Herausforderung wird vielmehr sein, die Kriterien, die für ESG-Investments angelegt werden, schärfer zu definieren, und sicherzustellen, dass die Anleger für ihr Geld das bekommen, was ihnen im Beratungsgespräch versprochen wurde. Für Banken birgt das enorme Chancen, aber auch Risiken, wie sich im Fall der Deutsche BankUntersuchungen gezeigt hat, die DWS-Chef Asoka Wöhrmann wohl den Job kosteten.
Ignorieren können die Finanzhäuser das Thema jedenfalls nicht. Dafür sorgt zum einen der Druck der Regulierungsbehörden und zum anderen die veränderte Erwartungshaltung
der Kunden, so Daniel Theobald, Berater für den Bereich Finanzdienstleistungen bei PwC Luxemburg. In seiner vorherigen langjährigen Tätigkeit bei Banken habe er in der Vergangenheit von Kunden nie die Frage nach nachhaltigen Investments gestellt bekommen, sagt er, während heute Verbraucherumfragen zufolge jeder Zweite angibt, in Zukunft nur Anlageprodukte kaufen zu wollen, die einen nachhaltigen Effekt haben.
Das gilt insbesondere für die nächste Generation von Bankkunden. Laut dem PwC-Bankenreport sagten 2019 70 Prozent der befragten Millennials, dass sie großes Interesse am nachhaltigen Investieren haben. Noch vier Jahre zuvor waren es lediglich 28 Prozent gewesen. „Für viele Banken war es eine Herausforderung zu realisieren, dass es jetzt eine neue Situation in der Kundennachfrage gibt. Aber für diejenigen Institute, die das als erste verstanden haben, war das gerade im Niedrigzinsumfeld der letzten Jahre eine Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle und Anlageprodukte zu entwickeln und somit zusätzliche Kunden zu gewinnen“, so Theobald.
Für die Finanzhäuser bedeutet die Entwicklung, dass die Themen Nachhaltigkeit und ESG aus der manchmal stiefmütterlich behandelten Ecke des freiwilligen Engagements ins Zentrum der Unternehmensstrategie rücken müssen. Die veränderte Erwartung betrifft nicht nur die Produktseite, sondern das gesamte Verhalten der Bank. „Wenn ich als Bank eine sehr grüne Produktpalette in der Anlageberatung verkaufe und mich hier als nachhaltig positioniere, gleichzeitig jedoch Kredite mit negativer Umweltwirkung vergebe, ist das nicht sehr konsistent. Daher benötigen die Finanzhäuser eine umfassende ESG-Strategie“, sagt Jörg Ackermann, als Partner bei PwC Luxemburg für den Bankensektor verantwortlich. Dabei sei es nicht
Durch Energiewende und Klimawandel besteht ein riesiger Finanzierungsbedarf – für Banken ein zunehmend wichtiges Betätigungsfeld.
Nachhaltigkeit wird in den Banken zur Chefsache gemacht. Jörg Ackermann, PwC Luxemburg
ist das regulatorisch noch nicht sauber definiert, dass die Regeln vollkommen eindeutig sind, sondern es gibt noch immer einen großen Interpretationsspielraum“, sagt Daniel Theobald. Zudem seien viele Finanzhäuser überfordert, mit der Geschwindigkeit mitzuhalten, mit der die Regulierungsbehörden neue Vorschriften in dem Bereich erlassen. „Die Banken versuchen, das so schnell wie möglich zu verstehen und umzusetzen, aber die Fristen sind häufig so kurz, dass man das System überfordert.“
Transparenz erforderlich
Durch den Wandel kommen auf die Banken auch zusätzliche Kosten für Compliance und Dokumentation zu, wenn sie nachweisen wollen, dass ihre Anlagen tatsächlich ESGkonform sind. „Die Beschaffung von ESG-Daten zu den Investments stellt sich schwierig dar und es müssen gegebenenfalls Daten von Dienstleistern zugekauft werden. Zudem müssen auch die einzelnen Regulierungsmaßnahmen umgesetzt werden. Das alles verursacht Kosten“, sagt Ackermann. „Aber wenn ich das Thema ESG vernachlässige, besteht die Gefahr, dass meine Produktentwicklung komplett am Markt vorbeigeht. Das kommt mich als Bank noch teurer zu stehen.“
Um zu vermeiden, dass sich Unternehmen Greenwashing-Vorwürfen ausgesetzt sehen und sich plötzlich im Zentrum der Kritik wiederfinden, ist größtmögliche Transparenz gefordert. Dabei sollten die Banken klar offenlegen, welche Kriterien sie angelegt haben, die dazu geführt haben, dass eine Anlage als nachhaltig klassifiziert wird. Dazu gehöre gegebenenfalls auch, ein externes Gutachten einzuholen, sagt Ackermann.