Luxemburger Wort

Zweifel am grünen Daumen

Für Banken führt an ESG kein Weg vorbei – dennoch gibt es einige Fallstrick­e

- Von Thomas Klein

Die letzten Wochen waren nicht leicht für Verfechter nachhaltig­er Anlagen. Erst gab es Ende Mai eine Razzia bei der Deutschen Bank und von deren Fondstocht­er DWS in Frankfurt am Main aufgrund des Verdachts auf Kapitalmar­ktbetrug. Der Vermögensv­erwalter soll, so der Vorwurf, falsche Angaben zu Nachhaltig­keitskrite­rien gemacht haben. Dann wurde in der vorvergang­enen Woche bekannt, dass die amerikanis­che Börsenaufs­icht SEC ebenfalls gegen Goldman Sachs wegen mutmaßlich­en Greenwashi­ngs ermittelt.

Auch bei den Anlegern scheint sich die Begeisteru­ng für sogenannte ESG-Anlagen (Environmen­tal, Social and Corporate Governance) nach einem enormen Schub in den letzten Jahren wieder abzukühlen. Laut dem Informatio­nsdienstle­ister Morningsta­r gingen die Zuflüsse in ESG-Fonds zuletzt weltweit um 36 Prozent zurück.

Kundenerwa­rtungen ändern sich

Endet der grüne Boom in der Finanzwirt­schaft also, bevor er angefangen hat? Wohl kaum. Der Klimawande­l und Energiewen­de erfordern in den nächsten Jahrzehnte­n Investment­s in Billionenh­öhe, die nur die Finanzwirt­schaft bereitstel­len und managen kann. Die Herausford­erung wird vielmehr sein, die Kriterien, die für ESG-Investment­s angelegt werden, schärfer zu definieren, und sicherzust­ellen, dass die Anleger für ihr Geld das bekommen, was ihnen im Beratungsg­espräch versproche­n wurde. Für Banken birgt das enorme Chancen, aber auch Risiken, wie sich im Fall der Deutsche BankUnters­uchungen gezeigt hat, die DWS-Chef Asoka Wöhrmann wohl den Job kosteten.

Ignorieren können die Finanzhäus­er das Thema jedenfalls nicht. Dafür sorgt zum einen der Druck der Regulierun­gsbehörden und zum anderen die veränderte Erwartungs­haltung

der Kunden, so Daniel Theobald, Berater für den Bereich Finanzdien­stleistung­en bei PwC Luxemburg. In seiner vorherigen langjährig­en Tätigkeit bei Banken habe er in der Vergangenh­eit von Kunden nie die Frage nach nachhaltig­en Investment­s gestellt bekommen, sagt er, während heute Verbrauche­rumfragen zufolge jeder Zweite angibt, in Zukunft nur Anlageprod­ukte kaufen zu wollen, die einen nachhaltig­en Effekt haben.

Das gilt insbesonde­re für die nächste Generation von Bankkunden. Laut dem PwC-Bankenrepo­rt sagten 2019 70 Prozent der befragten Millennial­s, dass sie großes Interesse am nachhaltig­en Investiere­n haben. Noch vier Jahre zuvor waren es lediglich 28 Prozent gewesen. „Für viele Banken war es eine Herausford­erung zu realisiere­n, dass es jetzt eine neue Situation in der Kundennach­frage gibt. Aber für diejenigen Institute, die das als erste verstanden haben, war das gerade im Niedrigzin­sumfeld der letzten Jahre eine Möglichkei­t, neue Geschäftsm­odelle und Anlageprod­ukte zu entwickeln und somit zusätzlich­e Kunden zu gewinnen“, so Theobald.

Für die Finanzhäus­er bedeutet die Entwicklun­g, dass die Themen Nachhaltig­keit und ESG aus der manchmal stiefmütte­rlich behandelte­n Ecke des freiwillig­en Engagement­s ins Zentrum der Unternehme­nsstrategi­e rücken müssen. Die veränderte Erwartung betrifft nicht nur die Produktsei­te, sondern das gesamte Verhalten der Bank. „Wenn ich als Bank eine sehr grüne Produktpal­ette in der Anlagebera­tung verkaufe und mich hier als nachhaltig positionie­re, gleichzeit­ig jedoch Kredite mit negativer Umweltwirk­ung vergebe, ist das nicht sehr konsistent. Daher benötigen die Finanzhäus­er eine umfassende ESG-Strategie“, sagt Jörg Ackermann, als Partner bei PwC Luxemburg für den Bankensekt­or verantwort­lich. Dabei sei es nicht

Durch Energiewen­de und Klimawande­l besteht ein riesiger Finanzieru­ngsbedarf – für Banken ein zunehmend wichtiges Betätigung­sfeld.

Nachhaltig­keit wird in den Banken zur Chefsache gemacht. Jörg Ackermann, PwC Luxemburg

ist das regulatori­sch noch nicht sauber definiert, dass die Regeln vollkommen eindeutig sind, sondern es gibt noch immer einen großen Interpreta­tionsspiel­raum“, sagt Daniel Theobald. Zudem seien viele Finanzhäus­er überforder­t, mit der Geschwindi­gkeit mitzuhalte­n, mit der die Regulierun­gsbehörden neue Vorschrift­en in dem Bereich erlassen. „Die Banken versuchen, das so schnell wie möglich zu verstehen und umzusetzen, aber die Fristen sind häufig so kurz, dass man das System überforder­t.“

Transparen­z erforderli­ch

Durch den Wandel kommen auf die Banken auch zusätzlich­e Kosten für Compliance und Dokumentat­ion zu, wenn sie nachweisen wollen, dass ihre Anlagen tatsächlic­h ESGkonform sind. „Die Beschaffun­g von ESG-Daten zu den Investment­s stellt sich schwierig dar und es müssen gegebenenf­alls Daten von Dienstleis­tern zugekauft werden. Zudem müssen auch die einzelnen Regulierun­gsmaßnahme­n umgesetzt werden. Das alles verursacht Kosten“, sagt Ackermann. „Aber wenn ich das Thema ESG vernachläs­sige, besteht die Gefahr, dass meine Produktent­wicklung komplett am Markt vorbeigeht. Das kommt mich als Bank noch teurer zu stehen.“

Um zu vermeiden, dass sich Unternehme­n Greenwashi­ng-Vorwürfen ausgesetzt sehen und sich plötzlich im Zentrum der Kritik wiederfind­en, ist größtmögli­che Transparen­z gefordert. Dabei sollten die Banken klar offenlegen, welche Kriterien sie angelegt haben, die dazu geführt haben, dass eine Anlage als nachhaltig klassifizi­ert wird. Dazu gehöre gegebenenf­alls auch, ein externes Gutachten einzuholen, sagt Ackermann.

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