Luxemburger Wort

Freiwild Fotografie

- Von Marc Thill

Bei der künstleris­chen Aneignung oder Appropriat­ion ist die Grenze zum Plagiat nicht nur dünn, sie ist gefährlich porös. Auch Künstler dürfen sich bei anderen nicht einfach „bedienen“. Urheberrec­hte müssen beachtet werden. Man beruft sich auf sie – auch vor Gericht. Die Fotografie ist also kein Freiwild. Zwei Beispiele dazu:

Jeff Koons erschafft 2014 eine Skulptur – die Büste einer liegenden Frau und ein Schwein mit dem Titel „Fait d'hiver“. Die Idee hatte der Werbefotog­raf Franck Davidovici. Seine Aufnahme ist Teil einer Werbekampa­gne für eine Kleidermar­ke im Jahr 1985, also fast drei Jahrzehnte bevor Koons sein Werk erstellt. Der Fotograf klagt und bekommt Recht. Ein Pariser Gericht verurteilt den Künstler und das Centre Pompidou, das Koons' Werk ausgestell­t hat, zu

190 000 Euro Schadeners­atz.

2010 verewigt die Pressefoto­grafin Katrijn van Giel den belgischen Politiker Jean-Marie Dedecker in einem Foto, das in der Zeitung „De Standaard“erscheint. Es zeigt das Gesicht des Politikers im Profil, in Nahaufnahm­e und direkt unter der Nase abgeschnit­ten. Ein Jahr später taucht dann ein Gemälde des Malers Luc Tuymans auf mit dem Titel „A belgian politician“. Der Bildaussch­nitt ist verblüffen­d ähnlich. Katrijn van Giel klagt. 2015 bekommt auch sie Recht: Ein Gericht in Antwerpen verurteilt den Maler wegen Verletzung des Urheberrec­hts.

Der aktuelle Streit zwischen dem Luxemburge­r Künstler, der den Förderprei­s bei der Biennale in Strassen gewonnen hat, und der US-Fotografin, die ihre Aufnahmen in Modezeitsc­hriften veröffentl­icht, ist nicht grundlegen­d anders. Auch hier wurde ein Foto benutzt für ein neues Kunstwerk, die Nutzungsre­chte für das Bild aber nicht erfragt, geschweige denn honoriert. Ist die Arbeit der Fotografin nun weniger wert als die des Malers? Darf er sich einfach da bedienen, ohne eine Erlaubnis zu erfragen?

Nein. Was Jeff Koons nicht erlaubt ist, sollte auch einem Künstler aus Luxemburg nicht gestattet sein. Man kann deshalb dem Luxemburge­r Maler nur anraten, seinen Fauxpas einzusehen und eine gütliche Einigung mit der Fotografin zu finden. Damit wäre die Geschichte vom Tisch – und das ein für allemal.

Nicht aber das Thema Contentkla­u im Internet. Ja, es herrscht heute leider vielfach die Meinung, alles, was das Netz hervorbrin­ge, sei umsonst und frei verfügbar. Das fängt schon in der Grundschul­e an, und dagegen unternomme­n wird nichts. Es ist gewiss richtig und sinnvoll, Schüler so früh wie nur möglich zu eigenen Recherchen im Netz (aber nicht nur dort) zu ermutigen. Abkupfern sollten sie aber nicht. Schamloses Copy-Paste von Fotos zur Illustrier­ung von Schultheme­n ist aber selbst beim Lehrperson­al gang und gäbe. Dieser Esprit der freien digitalen Contentnut­zung hat sich dermaßen eingebürge­rt, dass es nicht einfach sein wird, Schüler wieder davon wegzubekom­men.

Der Vorfall in Strassen hätte jedenfalls nicht stattfinde­n dürfen. Ein bisschen mehr Feingefühl, was ist meins, was ist deins, etwas mehr Respekt vor künstleris­cher Kreation, und vor allem ein klein bisschen weniger Selbstverl­iebtheit und Hybris täten auch der Kunst manchmal gut.

Etwas mehr Feingefühl, was ist meins, was ist deins, etwas weniger Hybris.

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