Die Welt benötigt eine Ressourcenpartnerschaft
Unsere Zukunft war noch nie so unvorhersehbar wie heute: Der Klimawandel und seine Konsequenzen, der Verlust an Ackerflächen und die akute Nahrungsmittelkrise, der Schwund der Biodiversität, die Ressourcenunsicherheit, die sich vergrößernde Kluft zwischen Reich und Arm, der wachsende Mangel an Demokratie und der unsägliche Ukraine-Krieg verheißen keine „glückliche Zukunft“. Wo ist sie geblieben, die versprochene Friedensdividende zu Beginn der 1990er Jahre?
Hinsichtlich des Klimawandels ist gewiss, dass die Weltwirtschaft binnen weniger Jahre ohne fossile Energieträger funktionieren muss, deshalb sollte alles in die Wege geleitet werden, die Energie- und Ressourcenwende umgehend einzuleiten. Zögern die reichen Nationen noch weiter mit dieser Umsetzung – dann werden sie und die Schwellen- und Drittweltländer immer größeren Risiken ausgesetzt: Wer sich dem Wandel heute widersetzt, gerät unweigerlich morgen ins Hintertreffen.
Stichtag 28. Juli 2022
Für Luxemburg ist dies umso schwieriger, da unser Erdüberlastungstag am 14. Februar 2022 begangen wurde, nur noch Katar am 10. Februar 2022 war „anspruchsvoller“– die Welt wird diesen Tag voraussichtlich erst am 28. Juli 2022 begehen. Unser Erdüberlastungstag markierte den Tag, an dem die Bevölkerung Luxemburgs mehr Ressourcen verbraucht hatte, als innerhalb eines Jahres wieder reproduziert werden können; demzufolge leben wir auf Pump und auf Kosten der Menschen im globalen Süden. Die Menschheit verbraucht im Jahr 2022 weltweit die Ressourcen, die der Biokapazität von 1,7 Erden entsprechen – Luxemburg hingegen liegt bei acht Erden!
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigt, wie begrenzt die weltweiten Rohstoffe sind, welche für ein funktionierendes Weltwirtschaftssystem unentbehrlich sind. Da die Weltbevölkerung beständig wächst – bald leben acht Milliarden Menschen auf der Erde – und da jeder Mensch das „gleiche Glück“einfordert, bleiben die sozialen Spannungen nicht aus. In unserem verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen ist die Ursache für die Verknappung von Energieträgern und Metallen, von Wasser und Böden zu suchen. Die Einsicht kann nur lauten: In einer begrenzten Welt kann es keine unbegrenzte Nutzung der natürlichen Ressourcen geben.
Der weltweite Bedarf an Energierohstoffen, an Baustoffen und an Metallen hat sich im Laufe des vergangenen Jahrhunderts verzehnfacht. Er beträgt aktuell etwa 85 Milliarden Tonnen und laut den UN-Prognosen dürfte er sich bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln. An drei Beispielen möchte ich die sinnlose Verschwendung aufzeigen.
Die Verschrottung von Hochseeschiffen, unter anderem in Indien, Bangladesch und Pakistan. Man schätzt die Flotte der Hochseeschiffe auf den Ozeanen auf 50 000 und nach etwa 30 Jahren Dienst werden sie verschrottet. Bedingt durch den wachsenden Welthandel erhöht sich die Zahl beständig. Das durchschnittliche Gewicht der abzuwrackenden Schiffe wird mit 13 000 Tonnen angegeben, diese bestehen zu 95 Prozent aus Stahl, welcher mit Blei, Arsen, Zink, Chrom und Kadmium beim Bau beschichtet wurde. Zudem wurden zig Kilometer Kabel eingebaut und Tausende Elektronikgeräte.
Eine lebensgefährliche Handarbeit Wurden die Schiffe früher artgerecht in den Herstellungsländern abgewrackt, so werden diese Arbeiten seit fast 40 Jahren in den Billiglohnländern durchgeführt. Unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen wird dieser „Abwrackprozess“in lebensgefährlicher Handarbeit an den Stränden durchgeführt. Wenn auch der Stahl vor Ort recycelt wird, so darf nicht übersehen werden, dass Tonnen von Schadstoffen unter anderem PCB-haltige Stoffe und Ölreste, in die Flüsse und das Meer abfließen, aus denen die Menschen ihre Nahrungsmittel fischen.
Es ist erschreckend, dass die reichen Länder gegen die Baseler Konvention verstoßen, laut der kontaminierter Metallschrott nicht exportiert werden darf. Diese Verschrottungspraxis ist illegal und widerlich. Da sie auf Kosten der armen Menschen
durchgeführt wird und es klingt zynisch, wenn gesagt wird, dies bedeute sichere Arbeitsplätze. Nein, das sind sie nicht, da diese Arbeiten mit schleichenden Gesundheitsgefahren einhergehen, unter anderem durch das Einatmen von giftigen Dämpfen, des Asbeststaubes und von Dioxinen. Fazit: Die Reichen der Welt leben auf Kosten der Armen.
Ein schwerwiegendes ökologisches Desaster spielt sich auf den Weltmeeren ab. Jährlich werden etwa 4,8 bis 12,7 Millionen Kunststoff eingebracht und diese Müllmenge tötet jedes Jahr Zehntausende Tiere. Die Wissenschaftler heben hervor, dass der Hauptteil der Kunststoffpartikel in die Tiefensee verfrachtet wird und dort sein Unwesen treibt. Die Partikel werden von den Meerestieren über die Nahrung eingenommen und landen letztendlich auf den Tellern der Menschen. Da bis zur vollständigen Zersetzung zu Mikroplastik mehrere Hundert bis Tausende Jahre vergehen, wird das Problem zig Generationen „belasten“.
Ibrahim Thiaw, der Vize-Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) meinte hierzu, dass es im Jahre 2050 mehr Kunststoff in den Ozeanen als Fische gibt. Seit den 1950er Jahren sind 6,5 Milliarden Tonnen Kunststoffabfall weltweit angefallen, davon wurden nur neun Prozent recycelt und zwölf Prozent verbrannt. Der „Rest“wurde in Deponien oder in den Ozeanen „entsorgt“.
Ein stetig steigender Müllberg
Der Müllberg Elektroschrott hat sich in den vergangenen fünf Jahren dreimal schneller erhöht als die Weltbevölkerung und um 13 Prozent schneller als das weltweite Bruttoinlandsprodukt. Dieser Anstieg führt zu erheblichen Umwelt- und Gesundheitsbelastungen Derzeit werden weltweit nur etwa 18 Prozent aller nicht mehr gebrauchten elektronischen Geräte gesammelt und recycelt. Leider landet der in den Industrieländern eingesammelte Elektroschrott nicht im Recyclingprozess, sondern wird auf die Müllkippen in Afrika und Asien „verfrachtet“und gefährdet dort die Umwelt und die Gesundheit der Menschen.
Als Beispiel möge der Tiefseehafen Tema, am Ufer der KorleLagune gelegen, in Ghana genannt werden. Dort landen täglich Container gefüllt mit Elektrogeräten, unter anderem Laptops, Handys, Kühlschränke und Fernsehgeräte. Diese Deponie ist die größte in Afrika und einer der am stärksten verschmutzten Orte der Erde. Im Slum Agbogbloshie, eine giftige Müllhalde am Rande der Hauptstadt Accra, leben 40 000 Menschen auf einer Fläche von 1 600 Hektar. Sie fristen ihr karges Leben damit, den aufgetürmten Elektroschrott nach Spuren von Gold, Kupfer, Aluminium und Coltan zu untersuchen. Um an die begehrten Rohstoffe zu gelangen, werden die Geräte verbrannt und dabei werden gefährliche und höchst krebserregende
Gase eingeatmet. Die Jugendlichen und Kinder verkaufen ihre „wertvolle“Ausbeute für einige Euro an die Schrotthändler. Man schätzt die Lebenserwartung der Jugendlichen auf 20 bis 25 Jahre.
Diesem unmenschlichen Getue sehen die Reichen der Welt zu, für sie zählt nur, dass die dort „recycelten Rohstoffe“wieder in die Industrieländer und die aufstrebenden Schwellenländer rückgeführt werden. Durch die intelligente Kreislaufwirtschaft in den Industrieländern könnten die gewonnenen Edelmetalle wiedergewonnen werden. Allein der Hinweis, dass in einer Tonne gebrauchter Handys – etwa 6 000 Stück – rund 3,5 Kilogramm Silber, 170 Gramm Gold, 140 Gramm Palladium und 130 Kilogramm Kupfer enthalten sind, müsste uns hellhörig machen und ein sinnvolles Recycling in die Wege leiten.
Ein Denkansatz für alle Menschen In einer Welt mit begrenzten Ressourcen – der Ukraine-Krieg zeigt uns auf eine erschreckende Art die Abhängigkeit von Lieferanten mit wenig Skrupel – muss deren nachhaltige Nutzung zu einer der obersten Handlungsmaximen von Politik und Wirtschaft werden. Nur durch die faire Partnerschaft werden die natürlichen Ressourcen geschützt und die Lebensbedingungen von Hunderten Millionen Menschen verbessert.
Die Einsicht kann nur lauten: In einer begrenzten Welt kann es keine unbegrenzte Nutzung der natürlichen Ressourcen geben.
Der Autor ist Prof. Dr.-Ing. i.R. https://www.greenpeace.de/engagieren/ nachhaltiger-leben/gefahren-schiffsabwrackung
Laura Parker „A whopping 91 % of plastic isn’t recycled“National Geographic (20 déc 2018) https://www.br.de/nachrichten/wissen/ globaler-e-waste-monitor-2020-viel-mehrelektroschrott-weltweit,S3ZvJab