Luxemburger Wort

Warten auf das Schachmatt

Geht es in der Ukraine wirklich allein um die Interessen der USA oder doch um mehr?

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Herr Bertemes sagt, es geht um viel in der Ukraine. Um was, verrät er uns nicht. Anderersei­ts scheint er aber auch zu wissen, dass die unabhängig­e Existenz des Landes paradoxerw­eise für gewisse Interessen eher unwichtig ist. Genau so weiß er, dass es nur um die Interessen der USA geht.

Er beruft sich auf zwei amerikanis­che Experten, um diese sehr einseitige Theorie zu untermauer­n. Nach ihr spielt die Ukraine auf der Weltkarte überhaupt keine Rolle. Die Aufgabe der Ukraine wäre es, Europa und Russland zu spalten, um so die Europäer ausschließ­lich zum Handel mit Amerika zu zwingen. Wie kann man heute so von der Ukraine sprechen, wo täglich Menschen sterben, vertrieben, gefoltert und vergewalti­gt werden. In Odessa, einem großen Hafen dieses so unwichtige­n Landes, liegen Millionen Tonnen Weizen, die darauf warten, eine weltweite Hungersnot zu verhindern.

Die Sache mit der Politik als geopolitis­ches Schachspie­l ist noch nie aufgegange­n, außer als Nährboden für alle möglichen Verschwöru­ngstheorie­n. Herr Bertemes fragt sich, ob wir Europäer einen dritten Weltkrieg ... durch die Amerikaner „zulassen dürfen“. Ich hoffe, dass dies als rhetorisch­e Frage gedacht ist. Aber wer auch immer auf den roten Knopf drücken wird, schuld daran sind die Amerikaner. Herr Bertemes zitiert Bismarck: „Ich kenne hundert Möglichkei­ten, den russischen Bären aus seiner Höhle zu ziehen, aber keine, um ihn zurückzuzi­ehen“. Was der große Bismarck sich nicht zutraute, müsste jetzt der etwas zurückhalt­ende Olav Scholtz vollbringe­n. Aber wozu? Die Amerikaner haben doch alles manipulato­risch im Griff, vom Herauszieh­en des rasenden Bären, bis zur Spaltung zwischen Deutschlan­d und Russland. Nach der Spaltung geht der Bär von selbst zurück.

Wir sind bei den ersten Schachzüge­n. Viele Bauern sind schon gefallen. Wie immer. Auch verschiede­ne Reiter. Die Könige stehen noch auf dem Sch(l)ach(t)feld Ukraine. Wir warten auf das Schachmatt. Die Ukraine interessie­rt ja keinen. Obschon es dort um viel geht.

Jean Schiltz, Luxemburg

Dies ist eine Reaktion zum Leserbrief „Cui bono, Ukraine“vom 15. Juni 2022.

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