Das unrühmliche Ende einer Business-Uni
Die Geschichte der „Sacred Heart University“in Luxemburg ist eine Geschichte der verpassten Chancen
Nach mehr als 30 Jahren gibt die „Sacred Heart University“(SHU) im Mai plötzlich bekannt, dass sie den Standort Luxemburg schließt – und zwar schon zum 1. Juli. Man werde dann nur noch Online-Kurse anbieten. Für die rund 40 Studierenden und die sechs Mitarbeiter ein Schock. Deren Arbeitsverträge wurden gekündigt. Dass die Uni ihre Studenten, die viel Geld für dieses Studium aufwenden und zum Teil eigens mit einem Studentenvisum ins Großherzogtum übergesiedelt sind, so kurzfristig vor die Tür setzt, findet der Luxemburger Unternehmer Norbert Becker „absolut katastrophal und einen Skandal“. Becker war einst Vorsitzender des Board of Regents (ein ehrenamtliches Beratergremium der SHU Luxembourg) und hatte in den letzten Jahren viele Aktivitäten rund um die SHU organisiert und finanziert – darunter einen Fonds für Studenten, die sich sonst die hohe Studiengebühr nicht hätten leisten können.
Der Campus Luxemburg und die Zentrale in Fairfield haben sich auseinandergelebt. Als die katholische Privatuniversität aus den USA Anfang der 1990er-Jahre in Luxemburg die Möglichkeit anbot, hier einen amerikanischen „Master in Business Administration“(MBA) zu erwerben, war das für den Wirtschaftsstandort eine Bereicherung. Eine Universität hatte Luxemburg damals noch nicht. Ursprünglich gesponsert von der Luxemburger Handelskammer und angesiedelt in deren Gebäude war das Ausbildungszentrum prädestiniert, ein wichtiger Moskaikstein in der Luxemburger Geschäftswelt zu werden.
Bis dato mussten aktuelle oder kommende Führungskräfte für solche Abschlüsse oder Fortbildungen ins Ausland: Einen MBA neben dem Beruf zu machen, war sonst schlicht nicht möglich. So kam es der Luxemburger Handelskammer mehr als gelegen, dass der Ableger des amerikanischen John F. Welch College of Business der Sacred Heart University in Fairfield, Connecticut, berufsbegleitende MBA-Programme für den Managementnachwuchs in Luxemburg ermöglichte. Amerikanisches Management zu studieren war in und versprach gute Berufsaussichten.
Holpriger Start
Jemand, der damals in leitender Position zur Sacred Heart kam, sieht es im Rückblick allerdings nüchterner: vieles in den Anfangsjahren war zu amerikanisch, die Professoren, die vorwiegend aus den Staaten kamen, versuchten hier Dinge zu vermitteln, die zur europäischen Wirtschaft nur schwerlich passten. Das zu ändern sei damals schwer gewesen, so der Insider. Zudem war die Leitung in den USA nicht geneigt, die erzielten Überschüsse in Luxemburg zu investieren. Und hierin liegt wohl auch begründet, warum sich Luxemburg und die Sacred HeartZentrale im ehemaligen Headquarter von GE, dem Mekka des Kapitalismus, immer mehr voneinander entfernten. Die Email-Korrespondenz zwischen Park Avenue und dem Campus Luxemburg zeigt, dass der Ton zuletzt nicht von Freundlichkeit geprägt war.
Interne Hinweise darauf, eine Gesellschaft benötige Gesellschafter, aber im Gesellschaftsregister seien keine eingetragen, wurden aus der Zentrale weggewischt mit den Worten, man brauche keine Ratschläge von Mitarbeitern der SHU Luxembourg, sondern habe dazu Anwälte. Das Gleiche bei dem Hinweis darauf, die 2019 eingeführte Gebühr über 15 Prozent der Gesamteinnahmen zur Deckung der „overheads“in den USA, die nachträglich bis zum Jahr 2006 zurück erhoben wurde, sei rechtlich fragwürdig und würde wie Steuervermeidung aussehen. Tatsächlich wurden dann im November 2020 immerhin vier Amerikaner aus der Leitung in Fairfield als Gesellschafter und als Geschäftsführer eingetragen.
Zuvor war die SHU 15 Jahre in Luxemburg aktiv, ohne irgendeine Struktur zu haben. Erst 2006 gab sie sich dann als Verein ohne Gewinnzweck einen rechtlichen Rahmen. Das lässt erahnen, dass es die amerikanische Muttergesellschaft von Anfang an wohl nicht sehr ernst mit Luxemburg nahm. Nach der Gründung als Asbl wurde in den folgenden 14 Jahren dann auch nur zweimal eine Jahresbilanz, 2007 und 2008, veröffentlicht mit jeweils einem dicken Minus – obwohl sie ihre Räumlichkeiten zu einem Vorzugspreis von der Handelskammer mietete. Dass die Uni bis 2011 weiterhin ein Minus aufwies, war keine gute Werbung für eine Management-Schule. Ob das ein Grund dafür war, dass keine Bilanzen mehr veröffentlicht wurden, bleibt Spekulation.
Trendwende 2011/2012
Norbert Becker verweist darauf, dass der Luxemburger Campus dann aber seit 2012 stets ein Plus habe verzeichnen können. Ihm zufolge vor allem dank der guten Programme, die seit 2011 aufgelegt wurden. Damals übernahm Professor Alfred Steinherr, ehemaliger Chefökonom der Europäischen Investitionsbank, die Leitung als akademischer Direktor. Im ersten Jahr wurde aus einem Verlust von 243 000 Dollar ein Überschuss von 123 000 Dollar. Vor allem baute Steinherr – gegen starke Widerstände aus den USA, wie er sagt – auf Lehrkräfte aus Luxemburg. „Das machte die Universität auch attraktiver für Studierende“, sagt heute Steinherr. Lokale Experten einbinden, die die Besonderheiten der europäischen Geschäftspraktiken kennen und Bezugspersonen für die Studenten werden, darum sei es ihm gegangen. „Insofern ist es sehr schade, dass dieses Projekt jetzt beendet wird. Warum es beendet wird, kann ich nicht sagen“, so Steinherr. Seine Idee war damals auch, Luxemburg mit seinem dynamischen Arbeitsmarkt für Führungskräfte aus der ganzen Welt, vor allem indische oder chinesische, interessant zu machen. Studiengebühren von 29 000 Euro bis 39 000 Euro bei einem MBA-Diplom sind kein Pappenstiel, konnten aber mit bezahltem Praktikum bei Luxemburger Unternehmen – darunter Amazon, Clearstream, PwC – und gepaart mit guten Einstiegschancen als interessante Investition gelten. Das hat natürlich auch die wirtschaftliche Situation des Campus Luxemburg merklich verbessert. Mit diesem Erfolg in den Segeln scheint sich aber der Standort Luxemburg vom Mutterhaus immer weiter entfernt zu haben. Das unabhängige Agieren war Fairfield ein Dorn im Auge.
Juristisch fragwürdig
Ob es rechtlich sauber ist, dass rückwirkend bis zur Gründung der Gesellschaft die angehäuften Überschüsse des Luxemburger Campus in die USA transferiert wurden, wodurch am Ende doch wieder unter jedem Jahr ein Minus in der Bilanz steht, darüber seien Zweifel angebracht, sagen verschiedene der SHU nahestehende
Absolut katastrophal und ein Skandal. Norbert Becker, ehemaliger Vorsitzender des Beratergremiums der SHU
Sehr schade, dass dieses Projekt jetzt beendet wird. Alfred Steinherr, ehemaliger akademischer Direktor der SHU
Personen. Die Bilanzen für die Jahre 2009 bis 2019, abzüglich dieser Gebühr für das Mutterhaus, wurden im Luxemburger Firmenregister erst im März 2020 hinterlegt. Dass jahrelang keine Bilanzen veröffentlicht wurden, hat in Luxemburg offenbar niemand beanstandet. Eine Aufsicht beispielsweise des Hochschulministeriums über die SHU bestand nicht, da sie keine Luxemburger Bildungsabschlüsse anbot, sondern mit dem MBA ein amerikanisches Diplom, das in Luxemburg anerkannt werden kann. Allerdings bedürfen Bildungseinrichtungen einer Zulassung. Und die läuft für die SHU zum 30. Juni aus. Eine neue zu beantragten, ersparten sich die Verantwortlichen.
Schriftliche Fragen zum Thema beantwortet die Uni nicht. Als Grund für die Schließung gab sie zuvor an, alles, was Luxemburg betrifft, werde auf „Online-Vorlesungen“umgestellt. Diese Erfahrung aus der Covid-Zeit wolle Sacred Heart nun ausbauen. Der Anreiz für ausländische Studenten, hier an der SHU zu studieren, um in Luxemburg Fuß zu fassen und vielleicht anschließend auch hier zu arbeiten, fällt damit aber weg. Aktuelle Lehrkräfte haben bislang auch noch keine vertragliche Zusage, dass sie ab Juli weiterhin dabei sein werden. Ob tatsächlich niemand wieder in seine Heimat zurückreisen muss wegen der Schließung der SHU, ist noch unklar. Die Institution hatte bisher etwa 700 Absolventen, die zum großen Teil nach wie vor in Luxemburg arbeiten.