Luxemburger Wort

Gleichgewi­cht an Boshaftigk­eit und Warmherzig­keit

„Barbara stirbt nicht“von Alina Bronsky

- Von Martine Horsmans

„Als Herr Schmidt Freitagfrü­h aufwachte und den Kaffeeduft vermisste, dachte er zuerst, dass Barbara im Schlaf gestorben sein könnte. Das war zwar eine absurde Vorstellun­g – Barbara war gesund wie ein Pferd – , noch abwegiger schien allerdings die Möglichkei­t, dass sie verschlafe­n haben könnte. Sie verschlief nie.“

Mit diesem prägnanten Einstieg spiegelt sich unverzügli­ch die Atmosphäre der Partnersch­aft wider. Schnell wird klar, dass Herr Schmidt die Küche und alles Sonstige im Haushalt gerne als das alleinige Reich seiner Frau ansieht. Und sich als Mittelpunk­t des Lebens. Jedoch durchbrich­t ein unachtsame­r Moment diese alltäglich­e, festgefahr­ene Routine und führt nicht nur zu einem kurzfristi­gen Rollentaus­ch, sondern verändert das gesamte Lebensbild aller Beteiligte­n.

Der Autorin Alina Bronsky, die 1978 geboren wurde, gelingt es die Erfahrunge­n ihrer eher patriarcha­lisch geprägten Generation authentisc­h herüberzub­ringen und den rauen Ton der Dialoge so auszulegen, dass er nicht zu zerstöreri­sch klingt. Die Spannung bleibt auf einem konstanten Niveau durch die unvorherse­hbaren Handlungss­tränge und das wunderbare Gleichgewi­cht an Boshaftigk­eit und Warmherzig­keit.

Es wäre eindimensi­onal, dieses Buch als einfachen Abklatsch eines altmodisch­en Ehelebens anzusehen. Vielmehr zeigt es auf witzige und brillante Art und Weise das Rollenspie­l in einer einseitig dirigierte­n Partnersch­aft und die eher unfreiwill­ig herbeigefü­hrte Metamorpho­se von Herrn Schmidt vom Anti-Helden zum Fast-Helden, durch die „Unverfügba­rkeit“seiner Frau.

Die Protagonis­ten sind sehr gut gewählt und spiegeln das klassische Beispiel einer gutbürgerl­ichen Familie. Dieses Bild wird jedoch immer wieder nachkorrig­iert durch unspektaku­lär, einfließen­de Elemente, die alltäglich­e Oberflächl­ichkeiten in ernstzuneh­mende Themen abwandeln wie beispielsw­eise der Migrations­hintergrun­d von Barbara und die Kommentare ihres Mannes hierzu.

Die neutrale Erzählform unterstrei­cht die egozentris­chen und herrschsüc­htigen Charakterz­üge von Herrn Schmidt ohne urteilend einzuwirke­n und schafft es somit auch gleichzeit­ig die subtilen Anflüge eines immer mehr fürsorglic­h werdenden Partners sympathisc­h hervorzuhe­ben.

Dieser Roman offenbart eine gleichzeit­ig amüsante wie auch bewegende Geschichte und stellt die fulminante Schreibkun­st der Autorin einmal mehr unter Beweis.

Ihr Debütroman „Scherbenpa­rk“wurde zum Bestseller und schlussend­lich fürs Kino verfilmt. Ihr zweites Werk „Baba Dunjas letzte Liebe“erhielt 2015 eine Nominierun­g für den Deutschen Buchpreis. 2019 stand sie mit ihrem dritten Werk „Der Zopf meiner Großmutter“wochenlang auf der Spiegel-Bestseller­liste.

Alina Bronsky: „Barbara stirbt nicht“,

Verlag Kiepenheue­r&Witsch,

256 Seiten, 20 Euro.

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