Gleichgewicht an Boshaftigkeit und Warmherzigkeit
„Barbara stirbt nicht“von Alina Bronsky
„Als Herr Schmidt Freitagfrüh aufwachte und den Kaffeeduft vermisste, dachte er zuerst, dass Barbara im Schlaf gestorben sein könnte. Das war zwar eine absurde Vorstellung – Barbara war gesund wie ein Pferd – , noch abwegiger schien allerdings die Möglichkeit, dass sie verschlafen haben könnte. Sie verschlief nie.“
Mit diesem prägnanten Einstieg spiegelt sich unverzüglich die Atmosphäre der Partnerschaft wider. Schnell wird klar, dass Herr Schmidt die Küche und alles Sonstige im Haushalt gerne als das alleinige Reich seiner Frau ansieht. Und sich als Mittelpunkt des Lebens. Jedoch durchbricht ein unachtsamer Moment diese alltägliche, festgefahrene Routine und führt nicht nur zu einem kurzfristigen Rollentausch, sondern verändert das gesamte Lebensbild aller Beteiligten.
Der Autorin Alina Bronsky, die 1978 geboren wurde, gelingt es die Erfahrungen ihrer eher patriarchalisch geprägten Generation authentisch herüberzubringen und den rauen Ton der Dialoge so auszulegen, dass er nicht zu zerstörerisch klingt. Die Spannung bleibt auf einem konstanten Niveau durch die unvorhersehbaren Handlungsstränge und das wunderbare Gleichgewicht an Boshaftigkeit und Warmherzigkeit.
Es wäre eindimensional, dieses Buch als einfachen Abklatsch eines altmodischen Ehelebens anzusehen. Vielmehr zeigt es auf witzige und brillante Art und Weise das Rollenspiel in einer einseitig dirigierten Partnerschaft und die eher unfreiwillig herbeigeführte Metamorphose von Herrn Schmidt vom Anti-Helden zum Fast-Helden, durch die „Unverfügbarkeit“seiner Frau.
Die Protagonisten sind sehr gut gewählt und spiegeln das klassische Beispiel einer gutbürgerlichen Familie. Dieses Bild wird jedoch immer wieder nachkorrigiert durch unspektakulär, einfließende Elemente, die alltägliche Oberflächlichkeiten in ernstzunehmende Themen abwandeln wie beispielsweise der Migrationshintergrund von Barbara und die Kommentare ihres Mannes hierzu.
Die neutrale Erzählform unterstreicht die egozentrischen und herrschsüchtigen Charakterzüge von Herrn Schmidt ohne urteilend einzuwirken und schafft es somit auch gleichzeitig die subtilen Anflüge eines immer mehr fürsorglich werdenden Partners sympathisch hervorzuheben.
Dieser Roman offenbart eine gleichzeitig amüsante wie auch bewegende Geschichte und stellt die fulminante Schreibkunst der Autorin einmal mehr unter Beweis.
Ihr Debütroman „Scherbenpark“wurde zum Bestseller und schlussendlich fürs Kino verfilmt. Ihr zweites Werk „Baba Dunjas letzte Liebe“erhielt 2015 eine Nominierung für den Deutschen Buchpreis. 2019 stand sie mit ihrem dritten Werk „Der Zopf meiner Großmutter“wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste.
Alina Bronsky: „Barbara stirbt nicht“,
Verlag Kiepenheuer&Witsch,
256 Seiten, 20 Euro.