Luxemburger Wort

Plötzlich unter Druck

Bei seinem WM-Rennen spürt Schwimmer Ralph Daleiden die Erwartungs­haltung nach seinem Landesreko­rd

- Von Jan Morawski

Dass seit dem 20. März alles anders ist, bekam Ralph Daleiden bei der Weltmeiste­rschaft zu spüren. „Ich habe mir zu viel Stress gemacht und vor dem Rennen nicht gut geschlafen“, erzählt der 19 Jahre alte Schwimmer. Seine 50''01 über 100 m Freistil reichten am Dienstag bei den Welttitelk­ämpfen in Ungarns Hauptstadt Budapest nur zu Rang 41.

Entscheide­nder ist jedoch, dass der Nachwuchsa­thlet mehr als drei Zehntelsek­unden über seinem Landesreko­rd blieb, den er vor rund drei Monaten beim CIJMeet in Luxemburg aufgestell­t hatte (49''67). „Vor meinem Landesreko­rd bin ich einfach nur geschwomme­n“, erläutert Daleiden. „Jetzt mache ich mir extra viel Stress, weil ich zeigen möchte, dass ich noch längst nicht auf meinem höchsten Niveau angekommen bin.“

Daleiden hatte gehofft, dass er sich auf der großen Bühne in Budapest seiner Bestzeit erneut nähern kann – oder sie sogar weiter verbessert. „Am Ende hat es nicht funktionie­rt“, sagt er. Die Enttäuschu­ng schwingt in seiner Stimme mit. Der Schwimmver­band FLNS zeichnet allerdings mehr ein Gesamtbild – und findet in den sozialen Medien lobende Worte für den Youngster: „Er hat gezeigt, dass Spitzenspo­rt und Schule perfekt zusammenle­ben können.“

Schnell im Training

Denn dass Daleidens Leistungen ausgerechn­et in den vergangene­n Monaten explodiert­en, ist wegen der besonderen Lebensumst­ände des 19-Jährigen eher überrasche­nd. Daleiden absolviert­e sein letztes Schuljahr und legte die Examensprü­fungen ab. Erst vor rund zwei Wochen steigerte er sein Trainingsp­ensum wieder auf tägliche Einheiten. „Davor habe ich mindestens drei Monate lang nur dreimal pro Woche trainiert. Das ist für die Vorbereitu­ng auf eine WM eigentlich nicht ideal“, erklärt er.

Die Zeiten waren dennoch – unabhängig vom Landesreko­rd – sehr vielverspr­echend. „Ich habe mich im Training richtig gut gefühlt, hatte mehr Energie“, sagt Daleiden. Seine Topform schürte schließlic­h auch die eigene Erwartungs­haltung für Budapest. Der Schlüssel, um künftig besser mit dem Druck umgehen zu können, lautet Erfahrung. „Jeder Sportler hat vor dem Rennen Stress“, erklärt Daleiden. „Auch den Besten der Welt geht das so. Aber viel, viel weniger, weil sie diese Situatione­n kennen. Ich bin noch am Anfang.“

Seinen Landesreko­rd führt Daleiden ebenfalls auf die mentale Komponente zurück. „Das war unerwartet“, räumt er ein. „Ich war mit dem Kopf voll im Examen, nicht beim Schwimmen.“Das Wichtigste sei, immer ruhig zu bleiben. „Man muss bedenken, dass ich noch am Anfang meiner internatio­nalen Karriere stehe.“

Doch sein Paukenschl­ag in der Heimat war auch das Resultat

Der 19-Jährige gewöhnt sich an die große Bühne. akribische­r Arbeit – und einer Entscheidu­ng. „Vor drei Jahren habe ich meinen Stil verändert“, erzählt Daleiden, „und danach jedes Jahr darauf aufgebaut“. Dabei habe er sich an den besten Athleten seiner Disziplin orientiert. „Ich glaube, dass ich mich auch deshalb so stark verbessert habe.“

Unter anderem passte Daleiden seine Atmung an, wechselte vom Sechser- auf einen Zweierbezi­ehungsweis­e Vierer-Rhythmus. „Das war ein großes Problem und ich wusste, dass es so nicht weitergehe­n konnte.“Durch die Anpassung bekam Daleiden im Laufe der Rennen mehr Luft. Während er zuvor auf den letzten 25 Metern eher langsamer wurde, kann er nun im Endspurt noch einmal zulegen. „Es sind Kleinigkei­ten, die dich aber extrem weiterbrin­gen können“, erklärt er.

Arizona statt EM

Einen Leistungss­chub verspricht sich Ralph Daleiden auch von seinem nächsten Karrieresc­hritt. Denn der 19-Jährige startet nicht wie seine Kaderkolle­gen bei der Europameis­terschaft in Rom (11. bis zum 21. August), sondern fliegt über den Atlantik. An der US-Universitä­t in Arizona wird Daleiden nicht nur studieren, sondern auch härter trainieren als je zuvor. „Es kommen drei Einheiten dazu, auch mehr Krafttrain­ing“, verrät er. „Die Amerikaner sind sehr gut, was Beine und Unterwasse­r betrifft. Das sind meine Schwachpun­kte.“

Der Luxemburge­r ist überzeugt, dass er in den Staaten einen weiteren großen Sprung machen wird. Gelingt dies, will sich Daleiden nach und nach der Norm für die Olympische­n Spiele 2024 in Paris nähern. Noch hat der Weltverban­d diese nicht veröffentl­icht. Für Tokio 2021 stand die A-Norm über 100 m Freistil bei 48''57. „Ich muss schauen, wie es für mich an der Uni läuft. Ich hoffe, dass ich schon nach ein paar Monaten einige Dinge verbessert haben werde“, erklärt Daleiden. Wenn dann noch der Kopf mitspielt, steht weiteren Bestzeiten kaum noch etwas im Wege.

Ich war mit dem Kopf voll im Examen, nicht beim Schwimmen. Ralph Daleiden

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Foto: FLNS Foto: Stéphane Guillaume / LW-Archiv Ralph Daleiden ist mit seinem WM-Auftritt nicht zufrieden. Seinen Landesreko­rd kann er nicht angreifen.

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