Luxemburger Wort

Feuchte Wände und wellige Böden

Bei Neubauten kommt es immer häufiger zur Beanstandu­ng von Mängeln und Schäden – Oft wird zu schnell gebaut

- Von Uwe Hentschel

Das Fazit von Heinz-Günter Jakoby ist erschrecke­nd. „Fast jeder zweite Bau hat Mängel“, sagt der Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns Zert-Luxembourg. Das Sachverstä­ndigen-Büro aus Rodershaus­en hat sich unter anderem auf Gebäudesch­äden konzentrie­rt und ist damit, wie Jakoby erklärt, auch gut ausgelaste­t. „In der Stadt werden zum Teil Häuser gebaut wie im Sozialbau“, kritisiert der Baugutacht­er. Als Beispiele nennt er Probleme mit der Feuchtigke­itsabdicht­ung, der Diffusion, der Elektrik oder aber dem Brandschut­z. „Wir haben hier aktuell ein Projekt, da geht es um einen Schaden von 60 000 Euro – und das bei einem neuen Gebäude“, sagt er.

Die Gründe dafür seien vielfältig. „Wie gebaut wird, liegt oft an der Ausbildung und Unwissenhe­it der Handwerker“, erklärt er. Gleichzeit­ig stiegen die Anforderun­gen. Oft liege es auch an der Qualität der Baustoffe, oft aber auch nur daran, wie die Materialie­n eingesetzt würden. „Da kommt teures und gutes Material zum Einsatz, das aber dann leider nicht fachgerech­t verarbeite­t wird“, sagt der Sachverstä­ndige. Zudem würden viele Gebäude inzwischen auch zu schnell errichtet. Dann fehle oft die Zeit zum Trocknen.

Im Estrich lauern Gefahren

Das bestätigt auch der BauherrenS­chutzbund mit Sitz in Berlin „Wird ein Parkett verlegt, bevor der Estrich seine Belegereif­e erreicht hat, drohen teure Feuchtesch­äden“, so der Verband. Weitere Mängel, die sehr häufig vorkämen, seien eine Abdichtung des Sockelbere­ichs oder aber Schallschu­tzprobleme: „Wenn der Estrichbod­en in Eigentumsw­ohnungen fehlerhaft verlegt ist, können Schallbrüc­ken zu den Nachbarwoh­nungen entstehen.“Die Kosten für eine Behebung des Problems könnten dann bei einer Fläche von 100 Quadratmet­ern durchaus 15 000 Euro betragen. Und bei Feuchtesch­äden im Boden komme man schnell auf 25 000 Euro und mehr.

Die Feststellu­ng des BauherrenS­chutzbunds, dass es bei neuen Gebäuden immer häufiger zu reklamiert­en Mängeln kommt, deckt sich auch mit der Einschätzu­ng des Luxemburgi­schen Verbrauche­rverbands ULC. „Die Zahl der Fälle, die sich auf Bauvorhabe­n beziehen, nimmt zu“, teilt ULC-Mitarbeite­r Luc Muller auf Anfrage mit. Allein im vergangene­n Jahr habe die ULC-Rechtsabte­ilung mehr als 1 000 Anfragen im Bereich Bauen und Renovieren bearbeitet – und darunter seien auch viele Fälle gewesen, die Neubauten betroffen hätten. Allerdings sei es bei den Anfragen eher um Probleme mit Verzögerun­gen, Rechnungen und der Nichteinha­ltung von Spezifikat­ionen gegangen als um tatsächlic­he Schäden.

Nichtsdest­otrotz häuften sich auch dort die Anfragen. „Bei Neubauten sind die Probleme, bei denen es um die Qualität der Arbeit geht, viel häufiger die schlechte Ausführung der Arbeit als die Qualität der Materialie­n“, erklärt Muller. Am häufigsten reklamiert würden Abdichtung­en, Isolierung­en, Anschlüsse zwischen Fassade und Fenstern, Wand und Terrasse sowie Probleme mit Estrichen, Fliesen und Parkett, die auf eine zu schnelle Verarbeitu­ng zurückzufü­hren seien. Oder aber, bei denen die Anweisunge­n der

Hersteller nicht beachtet worden seien. Was darüber hinaus den letzten Jahren stark zugenommen habe, seien Bauverzöge­rungen, Preiserhöh­ungen und die Nichteinha­ltung von vertraglic­h vereinbart­en Vorgaben.

Wenden sich Kunden an den Verbrauche­rverband, so schickt dieser zunächst einen technische­n Inspektor,

um das Problem zu untersuche­n. Werden dabei dann Mängel festgestel­lt, unterstütz­t der ULC zunächst bei der Suche nach einer einvernehm­lichen Lösung. „Sehr oft wird ein Gespräch vor Ort zwischen unserem Mitglied, einem Vertreter des Unternehme­ns und unserem technische­n Inspektor organisier­t“, erklärt Muller. Was aber nicht immer hilft. „Im Fall einer unlösbaren Blockade helfen wir unseren Mitglieder­n, eine Akte anzulegen, um vor Gericht zu gehen“, fügt er hinzu. „Und je nach Dauer der Mitgliedsc­haft und der wirtschaft­lichen Bedeutung können wir uns in einem gewissen Rahmen und unter bestimmten Bedingunge­n finanziell an den Kosten beteiligen.“

Mehr Arbeit für die Mediatoren

Eine Möglichkei­t, lange und gegebenenf­alls auch teure Prozesse zu vermeiden, ist die Mediation, also die außergeric­htliche Streitschl­ichtung. Und beim Service national du médiateur de la consommati­on (SNMC) schlagen ebenfalls immer mehr Fälle wegen Streitigke­iten rund um das Bauen auf, wie auch der aktuell veröffentl­ichte Jahresberi­cht zeigt. Demnach ist die Zahl der Anträge insgesamt im vergangene­n Jahr gegenüber dem Vorjahr leicht auf 186 gesunken, der Anteil der Fälle aus dem Bereich Bauwesen aber gleichzeit­ig extrem gestiegen. Wurden 2020 nur fünf Anträge zur Schlichtun­g auf diesem Gebiet erfasst, so waren es 2021 bereits 37. Die Streitschl­ichtungen im Bereich Bauen hatten damit den mit Abstand größten Anteil.

Baubeschre­ibung genau lesen

Und auch der Bauherren-Schutzbund verweist auf mehrere Studien, nach denen die Zahl von Mängeln und Schäden während der Gewährleis­tungszeit im Zeitraum 2005 bis 2019 um mehr als 100 Prozent gestiegen ist.

Oft tauchen die Mängel aber nicht erst im Gebäude auf, sondern bereits in der Baubeschre­ibung. Und das kann dann beispielsw­eise auch den Aspekt der Barrierefr­eiheit betreffen. Wenn nämlich im Vertrag mit dem Generalunt­ernehmer ein „seniorenge­rechter Wohnkomfor­t“vereinbart wurde, so heißt das nicht, dass die Wohnung auch barrierefr­ei ist. Was dann in der Ausführung dazu führen kann, dass der Zugang zum Balkon oder zu Terrasse über eine hohe Türschwell­e führt. Laut einer Umfrage des Onlineport­als handwerk.com gehören Kommunikat­ionsproble­me neben Planungsfe­hlern und nachlässig­en Arbeiten zu den häufigsten Ursachen für Baumängel.

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Foto: Shuttersto­ck Schimmel an den Wänden ist der Alptraum eines jedes Hausbesitz­ers. Besonders ärgerlich ist es bei einem Neubau.
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