Das muss sein, Herr Asselborn!
Zur Reise von Nancy Pelosi nach Taipeh
„Ich hatte gehofft, dass diese Reise uns erspart geblieben wäre“, so äußerte sich der Luxemburgische Außenminister Asselborn hinsichtlich der Reise von der Sprecherin des Repräsentantenhauses der USA nach Taipeh am 2. August 2022. Hierbei stellt sich die Frage, wer mit „uns“gemeint ist: Luxemburg, das sich einerseits gerade zur Hälfte im Urlaub befindet und von diesem unverschämt demokratischen Land / Gebiet / Gebilde (je nach Definition) in Fernost aus seiner Beschaulichkeit gerissen wird, andererseits mit Inflation, Corona- und UkraineKrise beschäftigt ist; Europa, das im Krisenmodus ansatzweise überfordert scheint, der Westen, der sich dem drohenden Bedeutungsverlust mittelmäßig effektiv entgegensetzt oder doch die Welt insgesamt, was jedoch wohl eine nur schwer fassbare (und somit wenig aussagekräftige) Größenordnung wäre?
Schon wieder geht es darum ein autokratisch-diktatorisches Regime (sprich Festlandchina) nicht allzu sehr zu reizen, damit wir in Europa nicht noch eine zusätzliche Krise zu bewältigen haben, schon wieder darf ein einziger Mann (in diesem Falle Xi Jinping) nicht ermutigt werden seine hochgerüstete Armee gegen ein Nachbarland / Nachbargebiet / Nachbargebilde in Bewegung zu setzen. Bei dieser sehr eurozentristischen Sichtweise wird gerne übersehen, dass die Taiwaner sich in jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit ihrem eigenen diktatorischen Regime (dem der Familie Chiang) die Demokratie als Staatsform mühsam erkämpft haben. Taiwan erfüllt heutzutage alle Kriterien eines unabhängigen Staates (Kontrolle über das eigene Territorium, Eigenverwaltung, eigene Sicherheitskräfte und Armee, eigene Währung…), dieser Status wird der Insel aber wegen den Expansionsgelüsten des Großen Nachbars vorenthalten. Des Weiteren erwähnt unser Außenminister, dass der Diplomatie mehr Platz eingeräumt werden sollte, was im Ansatz wohl stimmt.
Doch welche Kompromisse sind angesichts folgender Aussagen möglich, die heutzutage in der chinesischen Staatspresse vertreten werden: „Die Aufrechterhaltung der territorialen Integrität ist der unbedingte Wille von 1,4 Milliarden Chinesen (…) Die Verwirklichung der Wiedervereinigung ist die heilige Pflicht aller Söhne und Töchter Chinas (…) Die Herstellung der vollständigen Einheit ist ein unaufhaltsamer geschichtlicher Trend“?
Taiwan verdient die Unterstützung anderer demokratischer Staaten, auch wenn Eigenstaatlichkeit als Ziel für Taiwan unrealistisch angesichts der Haltung Chinas erscheint. Wie wir aus der Ukraine wissen, so brauchen autokratische Diktaturen keinen Stimulus, um einen Krieg zu provozieren, deswegen: Ja, das muss sein, Herr Asselborn!
Yves Berna, Sinologe, Luxemburg