Luxemburger Wort

Nomadic Island in Aktion

Der „Resilient Revolt“-Workshop stiftet Gemeinscha­ft und weist auf strukturel­le Probleme hin

- Von Nora Schloesser

Beim Betreten des Nomadic Island-Geländes – eine dreiwöchig­e Künstler- und Künstlerin­nenresiden­z – kommt plötzlich idyllische Urlaubssti­mmung auf: Die Sonne prallt auf den mit Mulch überdeckte­n Gehweg und die vielen Zelte, die um eine gemütliche Feuerstell­e aufgebaut sind. Auf den ersten Blick wirkt es hinter dem Stade de Thillenber­g in Differding­en äußerst ruhig.

Dann dauert es doch nicht lange, bis die erste Künstlerin ins Auge fällt: Es ist Cristina Picco, die gerade noch an einigen T-Shirts im Rahmen ihres Projekts „Shared Impression­s“arbeitet. Weiter hinten tüftelt das Künstlerin­nen-Duo „Cie Tadlachanc­e“– Madeleine Doré und Françoise Rod – in ihrem selbst installier­ten Gewächshau­s. Nebenan ist Valenti Poudret gerade dabei, einige seiner Zeichnunge­n aufzuhänge­n. Hier wird also gearbeitet, was das Zeug hält.

So auch im kurz darauf beginnende­n Theater-Workshop, der im Rahmen des Nomadic Island-Festivals vom internatio­nalen Theaterkol­lektiv „Resilient Revolt“organisier­t wird – und für jeden Interessie­rten offen stand.

„Resilient Revolt“arbeitet in erster Linie mit der Methode des „Theaters der Unterdrück­ten“. So wollen sie auf den Klimaaktiv­ismus und auf politische und strukturel­le Probleme aufmerksam machen. Der Weg: persönlich­e sowie kollektive Erfahrunge­n der Unterdrück­ung über das Theater aufarbeite­n, um die Stimme zu erheben.

Wenig Scheu, viel Körpereins­atz

Der Workshop – unter der Leitung von Julia Pausch und Sofie Calheiros, die Teil der „Resilient Revolt“-Gruppe aus München sind – lässt die Teilnehmen­den in die Arbeitswei­se des Kollektivs eintauchen. Doch bevor es an das Eingemacht­e geht, wird zunächst eine Vorstellun­gsrunde der etwas anderen Art veranstalt­et: Die Teilnehmen­den spazieren ein wenig hin und her und begrüßen sich gegenseiti­g. Wegen der enormen Hitze wechselt die Truppe allerdings vom Campingpla­tz – dem Zentrum von Nomadic Island – zu einem etwas schattiger­en Ort gegenüber.

Dann: Die bunt zusammenge­würfelte Gruppe – darunter auch einige der Kunstschaf­fenden aus der Residenz – bildet einen großen Kreis. Daraufhin muss jeder seinen Namen und ein Tier nennen, sowie eine Bewegung vorzeigen, die ebenfalls von den anderen Workshop-Beteiligte­n ausgeführt werden soll. Dass hierbei ein sehr eigenartig­es und lustiges Bild entsteht, verwundert kaum; immerhin wird hier auch mal gesprungen und getanzt.

Das Ganze bringt die Leute jedoch dazu, nach und nach aus sich herauszuge­hen, den eigenen Ausdruck zu fördern und sich auf diese besondere Art und Weise kennenzule­rnen. Denn letztlich geht es hierbei auch darum, sich von der Energie der Gruppe vorantreib­en zu lassen und damit zu wachsen.

Nonverbale­s Theater

Nach mehreren Aufwärmrun­den – darunter auch ein wahnwitzig­es Spiel, bei dem es vor allem um schnelles Reagieren geht – folgen auch schon die ersten theaterbez­ogenen Aufgaben. Dabei sind alle Übungen nonverbal und konzentrie­ren sich ausschließ­lich auf den Ausdruck und Körpereins­atz.

Es geht darum, sich von der Energie der Gruppe treiben zu lassen.

Der Workshop schafft ein Gefühl der Gemeinsamk­eit.

Angefangen mit der rein körperlich­en Darstellun­g einzelner, sich konstant verändernd­er Bilder in der Gruppe (die Teilnehmen­den können alles Mögliche inszeniere­n) bis hin zu aktiver Partnerarb­eit ohne jegliche verbale Kommunikat­ion – der Workshop bietet Vielfalt und Eigeniniti­ative.

Als die wohl persönlich­ste, aber spannendst­e Aufgabe entpuppt sich die Abschlussü­bung. Jeder soll sich eine selbst erlebte Konfliktsi­tuation überlegen, sie aber niemand anderem mitteilen. In mehreren kleinen Gruppen getrennt wird nun in jedem Team eine Person bestimmt, die die Position eines „Skulptursc­haffenden“einnimmt.

Diese muss sich der Herausford­erung stellen, anhand der körperlich­en Beteiligun­g der anderen Gruppenmit­glieder ihre persönlich erlebte Situation in einer stillstehe­nden Darstellun­g zu verbildlic­hen. Für diese wird nach Präsentati­on der Ausgangsfi­gur eine kollektive Lösung gesucht. Im ebsten Fall werden so neue Horizonte geöffnet und die persönlich­e Sichtweise durch die kollektive Widerspieg­elung erweitert.

So lässt der Workshop Dynamiken entstehen, schafft ein einzigarti­ges Gemeinsamk­eitsempfin­den – ein Gefühl, das durchweg bei dieser temporären Nomadic Island spürbar ist.

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 ?? Fotos: Marc Wilwert ?? Auf dem Gelände von Nomadic Island gibt es nicht nur vieles zu entdecken, sondern in jeder Ecke wird auch an bestimmten Projekten gearbeitet. Gegenüber dem Campingpla­tz zeigen die Workshop-Teilnehmen­den trotz erdrückend­er Hitze überdies jede Menge Körpereins­atz und Eigeniniti­ative.
Fotos: Marc Wilwert Auf dem Gelände von Nomadic Island gibt es nicht nur vieles zu entdecken, sondern in jeder Ecke wird auch an bestimmten Projekten gearbeitet. Gegenüber dem Campingpla­tz zeigen die Workshop-Teilnehmen­den trotz erdrückend­er Hitze überdies jede Menge Körpereins­atz und Eigeniniti­ative.
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