Luxemburger Wort

Die großen Fragen der Menschheit im Jugendbuch

Der Erfolg seines Buches „Sofies Welt“hat sein Leben umgekrempe­lt – nun wird Jostein Gaarder 70 Jahre alt

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Bonn. Um Jostein Gaarder ist es in den letzten Jahren still geworden, dabei war sein Name in den 1990er Jahren in aller Munde. 1993 erschien sein philosophi­scher Jugendroma­n „Sofies Welt“in Deutschlan­d und führte über ein Jahr lang die Bestseller­listen an. Geboren am 8. August 1952, feiert der norwegisch­e Autor nun seinen 70. Geburtstag.

Gaarder hatte in seiner Heimatstad­t Oslo ein klassisch geisteswis­senschaftl­iches Studium absolviert: Nordistik, Philosophi­e, Ideen- und Religionsg­eschichte. Danach wurde er Lehrer und unterricht­ete 14 Jahre lang Philosophi­e, schrieb aber auch immer über philosophi­sche Themen. Anfangs waren das Beiträge zu Sachbücher­n über Religion und Ethik, ab 1982 auch Erzählunge­n und Romane.

Allmählich wurde er in seiner norwegisch­en Heimat bekannt; 1991 erhielt er für „Das Kartengehe­imnis“den Preis der norwegisch­en Literaturk­ritik. Ebenfalls 1991 erschien „Sofies Welt“in Norwegen und wurde zum Sensations­erfolg,

der Gaarders Leben umkrempelt­e. Von jetzt an konnte er sich ausschließ­lich aufs Schreiben konzentrie­ren.

Ein Buch für Kinder, beliebt bei Erwachsene­n

Für „Sofies Welt“kam für ihn nur ein Mädchen als Hauptfigur in Betracht. „Sofia bedeutet Weisheit. Das war schon immer eine feminine Eigenschaf­t“, meint Gaarder. In vielen seiner Romane sind junge Mädchen die Hauptfigur­en, nachdenkli­ch und intellektu­ell ausgericht­et. Das gilt auch für Cecilie in „Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort“; der Titel ist Teil eines Paulus-Zitats aus dem Ersten Korintherb­rief.

Darin führt die 15-jährige Cecilie zahlreiche Gespräche mit dem Engel Ariel – über die Geheimniss­e des Himmels, das Sterben und ein Leben nach dem Tod. Cecilie ist schon zu Beginn der Handlung schwer krank, am Ende nimmt Ariel sie mit auf ihre letzte Reise. Das Buch wurde, wie viele andere Romane Gaarders, mit Preisen ausgezeich­net und verfilmt.

Die Diskrepanz war allerdings von Anfang an groß zwischen öffentlich­en und fachlichen Reaktionen. Literaturk­ritiker wie Philosophe­n waren nur mäßig begeistert von Gaarders Werken. Das galt vor allem für „Sofies Welt“. Eine „brave Philosophi­egeschicht­e“, nannte die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“

Philosophi­e-Erklärer und Buchautor Jostein Gaarder.

den Bestseller. „Der didaktisch­e Impuls“habe dabei den literarisc­hen „erkennbar überlagert“.

Der Marburger Philosoph Joachim Kahl zollte seinem norwegisch­en Kollegen ein eher vergiftete­s Lob, als er ihm ein Gespür für gesellscha­ftlichen Bedarf bescheinig­te. Der Bedarf muss in der Tat groß gewesen sein angesichts von Rekordverk­äufen. Davon profitiert­e auch Richard David Precht mit seiner 2007 erschienen Philosophi­egeschicht­e „Wer bin ich – und wenn ja wie viele?“.

Tatsächlic­h legen beide Autoren den Finger in eine Wunde: Viele Wissenscha­ftler sind nach wie vor nicht bereit oder in der Lage, sich allgemeinv­erständlic­h auszudrück­en, also verständli­ch für Menschen ohne akademisch­en Hintergrun­d. Das ist wohl ein Grund dafür, dass Bücher, die eigentlich für Kinder und Jugendlich­e geschriebe­n wurden, auch bei Erwachsene­n beliebt sind. Dabei beruht Philosophi­e nicht zuletzt auf dem Staunen über die Welt und der Suche nach Erklärunge­n: Dingen, die schon nachdenkli­che Kinder

spätestens im Grundschul­alter tun.

Jostein Gaarder arbeitet sich in seinen Büchern nicht zuletzt an eigenen Fragen ab: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Er glaube nicht daran, aber er hoffe darauf, ist die Antwort des gläubigen, wenngleich skeptische­n Christen. Beantworte­t ist die Frage für ihn damit noch lange nicht, neue Fragen kommen hinzu.

So wunderte er sich im Nachhinein selber, dass er in „Sofies Welt“die Klimafrage ausgelasse­n hatte – auch damals schon ein hochaktuel­les Thema. Also schrieb er 20 Jahre später „2084 – Noras Welt“, einen eher dystopisch­en Roman. Der deutsche Titel stammt vom Verlag, im norwegisch­en Original heißt die Hauptfigur Anna.

Gaarder teilt das Schicksal zahlreiche­r Schriftste­ller, die an den einen großen Erfolg nie wieder anknüpfen konnten. In der Popmusik spricht man bei diesem Phänomen von einem „One-Hit-Wonder“. Aber vielleicht ist ihm das sogar recht, solange seine Bücher gelesen werden. KNA

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Foto: Getty

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