„Politik ist ein dreckiges Geschäft“
Fred Keup (ADR) über seine erste Legislaturperiode als Abgeordneter
Der Sprung in die Politik ist dem ehemaligen Geografielehrer nicht einfach gefallen. Beflügelt von seiner Erfahrung 2015 als führender Kopf der Nein-Kampagne im Rahmen des Referendums zum Ausländerwahlrecht wagte Fred Keup 2018 den Schritt, bei den Parlamentswahlen auf der Südliste der ADR zu kandidieren. Als Drittgewählter rückte der 42-Jährige 2020 für Gaston Gibéryen ins Parlament nach. Warum eine „Spiegel“-Ausgabe, die „Kielbaach“und die Liebe zum Luxemburgischen die Weichen für seine Karriere gestellt haben, erklärt Keup im Interview mit dem „Luxemburger Wort“.
Mit welchen vier Adjektiven würden Sie sich beschreiben?
Mit nur positiven … treu, ehrlich, naturbegeistert und Vereinsmensch, auch wenn letzteres kein Adjektiv ist. Treu kann man sowohl positiv als auch negativ einschätzen. Ich bin halt ein Mensch, der im Leben große Veränderungen nicht mag. Wenn mir etwas passt, dann möchte ich es auch bewahren. Ich würde mich definitiv als konservativ beschreiben, denn ich bleibe meiner Linie treu, ziehe mein Ding durch und lasse mich von niemandem davon abbringen.
Ehrlichkeit ist in der Politik zwar selten erwünscht, aber ich war schon immer direkt und habe mich nie davor versteckt, das zu sagen, was ich denke. Naturverbunden, da ich mich in der Natur wohlfühle. Ich bin kein Stadtmensch, sondern eher vom Land. Natur, Pflanzen, Tiere, mein Garten – das alles liegt mir. Ein Vereinsmensch bin ich zudem, weil ich gerne unter Leuten bin. Ich war ja mein Leben lang im Fußballgeschäft involviert und bin mittlerweile Präsident des FC Kehlen.
Was hat Sie dazu bewogen, nationalpolitisch aktiv zu werden?
Ich war als Kind schon immer politisch interessiert. Mit elf Jahren bin ich zum ersten Mal dem Schöffenrat meiner Gemeinde entgegengetreten und habe mich darüber beschwert, dass die „Kielbaach“verschmutzt war. Mit zwölf Jahren habe ich mein ganzes Taschengeld dafür verwendet, eine Ausgabe vom „Spiegel“zu kaufen. Ich war damals wie verrückt nach
Politik. 1993 muss es gewesen sein, als es in Deutschland ein Superwahljahr gab. Ich kaufte mir damals eine Spezialausgabe vom „Spiegel“zu den Wahlen, was selbst meine Mutter verwunderte, die zu mir meinte: „Warum liest du so einen Dreck?“
Politisch aktiv war ich in meiner Jugend aber nie. Es war auch nicht mein Lebensziel, in die Politik zu gehen, weil ich wusste, dass es ein dreckiges Geschäft sein kann. Man muss sich teilweise verstellen, den Menschen etwas vormachen – davor fürchtete ich mich anfangs.
Das Referendum 2015 zum Ausländerwahlrecht hat meinen Willen, in die Politik zu gehen, aber verstärkt. Einen langjährigen Kollegen und mich störte es, dass die ganze Berichterstattung damals so einseitig ausfiel. Wir wollten damals dem „Nein“eine Stimme geben. Das war für mich der richtige Moment, um politisch aktiv zu werden. Für mich kam damals aufgrund ihrer Inhalte nur die ADR infrage, um mich in der Politik zu engagieren. Obwohl auch andere Parteien an mir interessiert waren.
Mit welchen Erwartungen traten Sie Ihr Mandat an und wurden diese erfüllt?
Mit welchen Erwartungen kann man als Oppositionspolitiker sein Amt antreten? Schwierige Frage … Als Opposition besteht unser Ziel darin, die Regierung zu überwachen, uns aktiv an allen Debatten zu beteiligen und viele parlamentarische Anfragen zu stellen. Ich habe im letzten Jahr den Rekord aufgestellt für die meisten parlamentarischen Anfragen und denke, dass ich in diesen zwei Jahren bewiesen habe, dass ich nicht hier bin, um nur herumzusitzen. Wir wollten eine neue Sichtweise, Politik zu denken, an die Chamber herantragen und ich denke, dass wir dieses Ziel erreicht haben.
Ich kann Ihnen aber nicht vorenthalten, dass es eine schwere Aufgabe ist, als Oppositionspartei in der Chamber Politik zu machen. Manchmal schaffen wir es, dass andere Abgeordnete unsere Sichtweise verstehen und manchmal scheitern wir.
Wer ist Ihr politisches Vorbild und warum?
Ich habe kein direktes Vorbild. Ich halte nicht viel davon, eine historische Persönlichkeit zu nennen, das liegt mir nicht. Was ich an der Politik allgemein sehr bewundere, ist, dass jeder eine positive Seite hat, die man sich als Beispiel
nehmen kann, um selber ein besserer Politiker zu werden. Man sollte sich von mehreren Menschen inspirieren lassen, und zwar nur von ihren positiven Eigenschaften. Aber einen bestimmten Politiker möchte ich nicht nennen.
Für welchen Bereich interessieren Sie sich besonders und warum?
Der Erhalt unserer Luxemburger Sprache liegt mir am Herzen. In dem Bereich sehe ich mich als Experten und weiß, dass mir niemand was vormachen kann. Auch was den Integrationsbereich anbelangt und die Rolle, die unsere Nationalsprache darin spielt. Schulpolitik liegt mir zudem aufgrund meiner Vergangenheit als Gymnasiallehrer. Auch mein Vater war Grundschullehrer, ich bin also damit aufgewachsen und kenne mich im Bildungssystem bestens aus.
Welches parlamentarische Ereignis hat Sie bisher am meisten beeindruckt?
Ein Moment, der mich stark beeindruckt hat, hat nicht innerhalb des Parlaments stattgefunden, sondern außerhalb. Als das erste Kapitel der Verfassungsreform gestimmt wurde, demonstrierten zu Mittag auf dem Krautmarkt Hunderte von Menschen für das Referendum. Es war beeindruckend, die Leidenschaft dieser vielen Menschen mitzuerleben, besonders da ich auf ihrer Seite war. Hierzulande passiert es eher selten, dass so viele Menschen gemeinsam auf die Straße gehen.
Welche persönlichen Lehren ziehen Sie aus den vergangenen vier Jahren?
Ich sitze seit nun zwei Jahren in der Chamber und kann mit Sicherheit behaupten, dass die Regierung vieles falsch macht. Ob CSV oder Piraten, beide sind keine wirklichen Oppositionsparteien, weswegen wir von der ADR zu viert die Opposition alleine anführen müssen, wenn keine andere Partei dazu in der Lage ist.
Eine persönliche Erkenntnis wäre zudem, dass man sich mit einem Familienleben und einem Doppelmandat nicht um alles kümmern kann. Und auch, dass ich mich trotz meiner emotionalen Ader nicht so mitreißen lassen sollte, wenn ich im Parlament sitze. Es nützt nicht immer was, sich aufzuregen, ich bin mir dessen jetzt bewusst, auch wenn die Regierung mir immer wieder Gründe dazu gibt, mich aufregen zu wollen. Wenn man zum siebten Mal hintereinander Schwachsinn erzählt bekommt von anderen Parteien, dann wird es einem zu viel und man muss sich mächtig aufregen. Es ist halt so.
Es war nicht mein Lebensziel, in die Politik zu gehen, weil ich wusste, dass es ein dreckiges Geschäft sein kann.
Was haben Sie sich für den Rest dieser Legislaturperiode noch vorgenommen?
Wir haben weiterhin vor, viel zu arbeiten und unsere Ideale zu vertreten. Ich habe bereits für den Herbst eine Interpellation angefragt, um über den Stand der Luxemburger
Sprache hierzulande zu debattieren. Auch eine Interpellation zur Schulpolitik steht an, weil wir nicht damit einverstanden sind, wie Herr Meisch unser Schulsystem über die letzten Jahre verdreht hat. Zur Kriminalität allgemein werden wir auch noch eine Interpellation anfragen.
Was verbirgt sich in Ihrem Abgeordnetenpult im Kammerplenum?
Ein Flachmann und eine Packung Maryland … Ich scherze na
seiner Umgebung um und sieht überall Französisch und Englisch, was ihn zum Gedankengang führt, Luxemburgisch könne ja keine wichtige Sprache sein für seinen Integrationsprozess, wenn sie im öffentlichen Raum kaum Platz einnimmt. Wenigstens Straßenschilder auf Luxemburgisch zu übersetzen, wäre ein kleiner, aber symbolträchtiger Akt, der niemandem weh tut. Diese Maßnahme würde wenig kosten, aber viele Mentalitäten verändern.
Bei welchem historischen Ereignis wären Sie gerne dabei gewesen?
Beim Einzug der Amerikaner in die Hauptstadt am Tag der Befreiung Luxemburgs am 10. September 1944.
Ich wiederhole des Öfteren meinem Sohn, dass nach 1990 keine guten Filme mehr gedreht wurden, was meistens dazu führt, dass er mich wegen der Aussage neckt.
Welches Buch empfehlen Sie als Sommerlektüre?
Auf jeden Fall das Buch, das ich gemeinsam mit Tom Weidig dieses Jahr herausgebracht habe, mit dem Titel „Mir gi Lëtzebuerg net op“. Ich lese zudem meist Sachbücher, aber achte auch darauf, leicht verdauliche Lektüre, die mich nicht zu sehr anstrengt, parat zu haben, wenn ich mich entspannen möchte.
Welche Serie oder welchen Film würden Sie für verregnete Tage empfehlen?
Ich bin kein Serienmensch, sondern schaue lieber Filme. Für Klassiker bin ich besonders leicht zu begeistern. Ich wiederhole des Öfteren meinem Sohn, dass nach 1990 keine guten Filme mehr gedreht wurden, was meistens dazu führt, dass er mich wegen der Aussage neckt, aber von Zeit zu Zeit schaut er sich dann mit mir einige Klassiker an. Ich bin ein Fan von alten Filmen und kann wirklich alle Klassiker empfehlen, die gängig sind, wie zum Beispiel die ganz alten James-Bond-Filme, die ersten Indiana-Jones-Filme, aber auch ItaloWestern dürfen nicht fehlen.
Wie verbringen Sie am liebsten Ihre Zeit außerhalb der Chamber?
Ich verbringe die meiste Zeit natürlich mit meiner Familie und zuhause in meinem Garten. Vorhin meinte ich ja, dass ich ein Vereinsmensch bin, was sich darin spiegelt, dass ich gerne in guter Gesellschaft und mit meinen Freunden unterwegs bin, sei es um gemeinsam etwas trinken zu gehen oder Fußballspiele zu verfolgen.
Werden Sie 2023 erneut bei den Chamberwahlen kandidieren?
Ja, ich werde bei den Chamberwahlen mit aller Sicherheit wieder kandidieren. Es warten auf nationaler Ebene noch genügend Herausforderungen auf uns, also werde ich mit von der Partie sein.