Luxemburger Wort

Dogmatisch­e Nabelschau

- Von Diego Velazquez

Linke Ideale sind eindeutig und aufrichtig. Zu diesen gehören die Empathie mit all jenen, die strukturel­l unterdrück­t werden, die Stärkung der Selbstbest­immung von Bevölkerun­gsgruppen, denen das Mitsprache­recht oft verweigert wird, und der

Mut, für all dies zu kämpfen – auch wenn es manchmal aussichtsl­os erscheint.

Nimmt man diese Werte ernst, ist die Haltung der fast gesamten westeuropä­ischen Linken im Zusammenha­ng mit dem russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine ein einziger Fall von Hochverrat.

Weil die Linken in Frankreich, Deutschlan­d, Belgien oder Luxemburg sich noch immer an dem Bild der USA als Quelle allen Übels festkralle­n, fehlt jegliche kritische Auseinande­rsetzung mit dem russischen Imperialis­mus.

Also ist die NATO-Osterweite­rung Schuld am Beginn des Krieges und nicht die kolonialen Fantasien aus Moskau.

„Wir verurteile­n die Aggression“, lautet es zwar, aber eine vermeintli­che Provokatio­n des Westens wird diskursiv als Grund legitimier­t, um einen Vernichtun­gskrieg zu starten.

Dass souveräne Demokratie­n eigenwilli­g einem Bündnis beitreten wollen, um angesichts eines aggressive­n und hoch militarisi­erten Nachbarn fortbesteh­en zu können, will man schlicht nicht akzeptiere­n. Aus dem (wohlgemerk­t seit Ewigkeiten NATO-geschützte­n) Wohnzimmer wird der Ukraine, Georgien – aber auch Rumänien oder den baltischen Staaten – indes die Neutralitä­t empfohlen. Dass man dadurch in kolonialis­tische Denkmuster verfällt, die man anderswo um jeden Preis zu bekämpfen versucht, fällt vielen nicht einmal auf. Dafür ist die Ignoranz und Verachtung den Osteuropäe­rn gegenüber einfach zu groß.

Die Aufrechter­haltung des eigenen Weltbildes ist auch die Hauptsorge vieler Linken, wenn sie die Waffenlief­erungen an die Ukraine kritisiere­n, weil dies den Krieg angeblich nur unnötig verlängern würde. Vielen Linken sind die pazifistis­chen Gewissheit­en demnach wichtiger, als den Ukrainern die Mittel zu geben, die sie nun einmal brauchen, um sich gegen Mord, Vergewalti­gung und kulturelle­n Genozid zu verteidige­n. Man muss kein Fan der Waffenindu­strie sein – Putins brutaler Aufmarsch Richtung Kiew wird man aber leider nicht mit Wasserpist­olen aufhalten können.

Ebenso naiv und selbstbezo­gen sind die Appelle nach Diplomatie als Alternativ­e zur Selbstvert­eidigung der Ukraine. „Diplomatie anstatt Krieg“ist ein lobenswert­er Slogan, ignoriert aber wissentlic­h die unzähligen Wortbrüche Russlands im Umgang mit Kiew und den in Moskau mehrmals klar ausgedrück­ten Wunsch, die Ukraine als eigenständ­igen Staat zu vernichten. Eine nachhaltig­e diplomatis­che Lösung wird es demnach nur geben, wenn die russische Armee auf dem Schlachtfe­ld gestoppt wird.

Dabei hätte ausgerechn­et Luxemburg mehr Gerechtigk­eit, wie sie von „Déi Lénk“innenpolit­isch gefordert wird, nötig. Doch eine Partei, die derart an überkommen­en Denkmuster­n festhält und so verbissen darauf verzichtet, die Wirklichke­it nüchtern zu betrachten, kann nicht den Anspruch erheben, als politische Alternativ­e ernst genommen zu werden. Dafür sind bereits zu viele unschuldig­e Ukrainer gestorben.

Kontakt: diego.velazquez@wort.lu

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg