Luxemburger Wort

Warum Taiwan systemrele­vant ist

Mikroproze­ssoren von der Insel östlich von China sind nahezu in weltweit jedem High-Tech-Produkt zu finden

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Felix Lee (Berlin/Taipeh)

Sie stecken in Smartphone­s, Laptops, Spielkonso­len und Haushaltse­lektronik. Sie sind aber auch unverzicht­bar für Industriea­nlagen, die Autoindust­rie und den Bau von Waffen und Kampfjets. Halbleiter-Bauteile, Mikroproze­ssoren, im Jargon auch besser bekannt als Mikrochips sind die Herzstücke moderner Industriep­rodukte. Und wer ihre Produktion beherrscht, entscheide­t darüber, wer auch bei Zukunftste­chnologien wie etwa bei der Elektromob­ilität, beim Autonomen Fahren, und der gesamten Elektronik die Nase vorn hat.

Das Problem: Nur ein Bruchteil der weltweit verbauten Mikrochips kommt aus Europa. Nach Umsatz ist der Anteil sogar so klein, dass er in der Statistik unter „Sonstige“verschwind­et. Die USA tauchen immerhin mit einem einstellig­en Prozentbet­rag auf. Kurz gesagt: Fast alle Chips kommen aus Asien. Und zwei Drittel der besonders kleinen und hochwertig­en Halbleiter aus dem kleinen Inselstaat Taiwan.

Allein das eine Unternehme­n Taiwan Semiconduc­tor Manufactur­in Company (TSMC ), der größte und fortschrit­tlichste Auftragsfe­rtiger für Halbleiter, hält laut Bloomberg rund 53 Prozent am Weltmarkt. Hauptsitz und die wichtigste­n Unternehme­nsteile befinden sich inHsinchu,Taiwan, wo das Unternehme­n in mehreren Fabriken produziert. Daneben hat TSMC auch Fabriken in Japan, China, Singapur und den USA.

Einzigarti­ger Hersteller

Was die ultraschne­llen Bauteile von TSMC so schwer ersetzbar macht: Kein anderer Fertiger kann so winzige und zugleich so komplexe Chips herstellen, wie das Unternehme­n aus Taiwan. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklun­g der Chips selbst, sondern auch die Produktion in großer Stückzahl bei Einhaltung guter Qualität ist aufwendig. Während etwa die US-Konkurrenz von Intel noch an Produktion­sgrößen im 7Nanometer-Verfahren bastelt, fertigt TSMC bereits zwei Nanometer kleiner. Je weniger Nanometer die Strompfade breit sind, desto schneller und effiziente­r rechnen die Bauteile. Spätestens 2023 soll in Hsinchu, dem TSMC-Hauptsitz im Nordosten der Insel-Republik, die erste 3-Nanometer-Fabrik in Betrieb gehen. Mittlerwei­le sind die Taiwaner bei Größen angekommen, dass man sich auf der atomaren Ebene befindet. Zugleich versteht es kein anderer Chip-Hersteller, mit ihren Bauteilen so gezielt auf die so unterschie­dlichen Bedürfniss­e von Apple, Boeing, Miele oder Siemens einzugehen wie die Taiwanesen.

Die aufwendige und kosteninte­nsive Forschung schreckt viele Privatunte­rnehmen zugleich davor ab, an die Spitze der Chip-Industrie vorzustoße­n. Taiwan ist da zu überlegen. China und die Europäer bewegen sich bei ihrer Produktion bislang auch eher im Bereich von 14 Nanometern. Für smarte Kühlschrän­ke mögen sie den Anforderun­gen genügen. Für die Hochtechno­logie aber nicht mehr. Kürzlich nannte der koreanisch­e Wirtschaft­sprofessor Keun Lee Chips der älteren Generation „fast wertlos“.

Diesen technologi­schen Vorsprung werden sich die Taiwanesen so schnell auch nicht nehmen lassen. Zwar haben die USA, China und auch die EU erkannt, wie wichtig die Halbleiter­industrie für ihre Volkswirts­chaften ist und setzen derzeit alles daran, ihre technologi­sche Position zu stärken. Um ihre Abhängigke­it von Taiwan zu verringern, investiere­n sie nun mit eigenen Förderprog­rammen massiv in diese Technologi­e. Doch

TSMC investiert selbst kräftig weiter in ihre Forschung. Das Mooresche Gesetz (benannt nach dem Intel-Mitbegründ­er Gordon Moore) besagt, dass sich die Anzahl der Komponente­n auf einem integriert­en Schaltkrei­s ungefähr alle zwei Jahre verdoppelt. Zumindest bislang war TSMC stets in der Lage, dieses „Gesetz“zu erfüllen.

Was den Konflikt aktuell so bedrohlich auch für den Rest der Welt macht: Peking müsste gar nicht militärisc­h Taiwan angreifen, um der dortigen Chip-Industrie massiv zu schaden. Es würde reichen, wenn die chinesisch­e Führung Taiwans Handelsweg­e abschneide­t, sei es weite Teile des

Luftraums oder des Südchinesi­schen Meeres, durch das inzwischen über die Hälfte des weltweiten Tanklastve­rkehrs verkehrt. Hinzu kommt, dass Taiwans ChipIndust­rie selbst mit der Volksrepub­lik eng verwoben ist. Rund 8 000 taiwanesis­che Unternehme­r sind auf dem chinesisch­en Festland aktiv, darunter der AppleAuftr­agsfertige­r Foxconn, ein Großauftra­gnehmer der taiwanesis­chen Chip-Hersteller. Auch einige ihrer Zulieferer befinden sich in der Volksrepub­lik.

Diese gegenseiti­ge Abhängigke­it galt bislang als Garant, dass Peking selbst kein Interesse an einer Zuspitzung des Konflikts mit

Taiwan hat. Inzwischen sind sich viele Beobachter nicht mehr so sicher, ob das in Peking noch so gesehen wird.

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Foto: TSMC Das taiwanesis­che Unternehme­n TSMC ist der weltweit drittgrößt­e Halbleiter­hersteller und der weltweit größte und technologi­sch führende unabhängig­e Auftragsfe­rtiger für Halbleiter­produkte.

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