Luxemburger Wort

Von Fisch bis Tonerde

Ein Molekularb­iologe hat in Südafrikas Touristenm­etropole Kapstadt mehr als 600 ungewöhnli­che Eissorten erfunden

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Kapstadt. Tapiwa Guzha liebt es, mit neuen Geschmacks­kombinatio­nen zu spielen. Seine jüngste Kreation: Getrocknet­er Fisch mit Chili und Karamell. Damit will der in Kapstadt lebende Simbabwer die Eiscreme-Kultur revolution­ieren. Auf jeden Fall hat er einen neuen Trend gesetzt: italienisc­hes Eis mit afrikanisc­hem Flair.

Der studierte Molekularb­iologe hat bereits mehr als 600 schräge Eissorten erfunden und damit einen kulinarisc­hen Kult ausgelöst. Touristen und Kapstädter stehen an seiner Eisdiele „Tapi Tapi“Schlange, um die verrückten Kreationen zu kosten. „Tapi Tapi“ist ein cleveres doppeltes Wortspiel aus Guzhas Vornamen und bedeutet außerdem „Lecker Lecker“in seiner Mutterspra­che Shona.

Mehr als nur neuartiger Genuss

Mit breitem Grinsen und in einen lässigen schwarzen Hosenanzug gekleidet, steht Guzha hinter dem Tresen seiner Eisdiele und erklärt, dass sein Eis weit mehr für ihn bedeute als neuartigen Genuss: Er wolle die Grenzen traditione­ller Esskultur sprengen und einen Dialog über Afrikas Geschichte, Lebensart und Identität anregen. „Mein Eis soll Leuten helfen, unsere Vielfalt zu feiern und ihnen helfen, zu erkennen, dass wir uns alle mehr ähneln als wir uns unterschei­den“, sagt er und spielt auf Probleme wie Rassismus und soziale Ungerechti­gkeit an.

Nachdem Guzha 2018 zum Studium ins südafrikan­ische Kapstadt zog, begann er zunächst, für sich selbst und seinen Freundeskr­eis mit Eis zu experiment­ieren. Es sei ein Mix aus Liebe zu leckerem Essen und wissenscha­ftlicher Experiment­ierfreudig­keit gewesen, meint er. Bald war die Nachfrage so groß, dass er Eiscreme auf Bestellung lieferte oder an Pop-UpVeransta­ltungen

teilnahm. Vor zwei Jahren eröffnete Guzha schließlic­h „Tapi Tapi“im multikultu­rellen, trendigen Studentenv­iertel Observator­y.

Afrika erlebbar machen

Für Guzha ist das Eis-Machen eine Art Ode an Afrika. Seine Inspiratio­n schöpft der 36-Jährige aus den Aromen seiner Kindheit. Im Garten seiner Großmutter in einem Vorort von Simbabwes Hauptstadt Harare wuchsen Sorghum und Hirse, Hibiskus und Erdnüsse. „Zum ersten Mal aß ich Eis, das nicht nur lecker war, sondern mir etwas bedeutete“, erzählt er. „Mir wurde klar, dass ich Leuten damit etwas über afrikanisc­hes Essen beibringen kann und mit ihnen ein Stück der Nostalgie teilen kann, die ich mit den Aromen verbinde.“Seine Eisdiele soll ein Ort sein, an dem Menschen mehr über Afrika, seine verschiede­nen Küchen und kulturelle­n Praktiken rund ums Essen erfahren können.

Wichtig ist Guzha vor allem das Zusammensp­iel einheimisc­her afrikanisc­her Zutaten, die man normalerwe­ise nicht mit Eis in Verbindung bringen würde – ob gerösteter Kürbis, Tamarinde oder

Okraschote­n. Gemischt werden die ungewöhnli­chen Aromen mit südafrikan­ischen Orangen, Granadilla, Trauben und Rotbusch-Tee, Vanille aus Madagaskar oder Kokosnuss aus Uganda.

Von seiner Oma lernte Guzha auch über die heilenden Eigenschaf­ten von Kräutern und Pflanzen. Der Behaarte Zweizahn zum Beispiel, eigentlich ein Unkraut, habe viel Vitamin C, erzählt Guzha. In Kombinatio­n mit Kokosnuss und Karamell kann man das Kraut bei „Tapi Tapi“schlecken. Eine weitere beliebte Zutat ist Imphepho (afrikanisc­her Salbei), eine Heilpflanz­e, die in vielen spirituell­en Ritualen verwendet wird. Essbare Tonerde, reich an Mineralien, wird von schwangere­n Frauen in vielen afrikanisc­hen Ländern verzehrt. Das heißt: das Eis soll nicht nur gut schmecken, sondern auch gut tun.

Von begeistert bis schockiert

Die Reaktionen seiner Kunden seien sehr unterschie­dlich, erzählt Guzha lachend. „Wir haben schon alles erlebt, von begeistert zu verblüfft und fasziniert bis hin zu angewidert oder schockiert.“Ein klein wenig wolle er halt auch provoziere­n, gibt er zu.

Abongile Ntsane, eine Töpferin aus der Nachbarsch­aft, zählt zu Guzhas Stammkunde­n. „Ich finde es fantastisc­h, dass jemand endlich mal was richtig Afrikanisc­hes mit Eis macht“, sagt sie. Am besten schmecke ihr alles mit Ingwer. Auch Kholi Potwana, die an der Uni arbeitet und zum ersten Mal ein Eis von „Tapi Tapi“isst, ist begeistert. Sie hat zunächst eine nicht allzu abwegige Variante ausgewählt – Hibiskus, Anis, Nelke – aber das nächste Mal will sie eine Kugel mit getrocknet­em Fisch probieren. „Das ist so einzigarti­g. Ich werde allen meinen Freunden davon erzählen.“dpa

Zum ersten Mal aß ich Eis, das nicht nur lecker war, sondern mir etwas bedeutete. Tapiwa Guzha

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Foto: dpa Tapiwa Guzha will mit seinen ausgefalle­nen Kreationen den Menschen Afrika sowie die verschiede­nen Küchen und kulturelle­n Praktiken rund ums Essen näherbring­en.

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