Heißer Herbst
Für Privathaushalte wie für Unternehmen wird es ein heißer Herbst. Die hohen Energiepreise sind eine Belastung – und die nächsten Gasrechnungen werden niemandem schmecken. Die Hoffnung ist, dass der Winter nicht zu kalt werden möge und die Gasspeicher bis zum Anbruch der frostigen Tage prall gefüllt sind. Dennoch haben die Energiepreise – in Europa allen voran der für Erdgas – kräftig angezogen. Gaskunden müssen sich auf eine Rechnung gefasst machen, die durchaus das Doppelte vom letzten Jahr betragen kann. Und da die Gasmenge nicht beliebig und erst recht nicht in kurzer Zeit erhöht werden kann, geht kein Weg am Einsparen vorbei. Heute tritt deswegen der EU-Notfallplan für Gas in Kraft, der die Mitgliedsländer dazu anhält, das Verbrennen von Gas so weit es geht einzuschränken. Glashersteller und andere Branchen können das nicht so leicht. Aber auch Stromsparen hilft beim Reduzieren des Gasverbrauchs, denn immerhin wird europaweit 15 Prozent des Gases verbrannt, um damit Elektrizität zu erzeugen. Gas durch Strom zu ersetzen kann also knifflig werden. Interessanterweise haben sich viele Haushalte und Unternehmen in den letzten Wochen mit Heizstrahlern versorgt. Doch wenn die mit Strom betrieben werden, der durch die Verbrennung von Gas entsteht, drehen wir uns im Kreis statt voranzukommen. Kein Gas mehr – oder zumindest erheblich weniger als bislang – für die Stromproduktion zu verbrennen, wäre darum hilfreich. Das geht aber nur, wenn der Stromkonsum sinkt.
Die spannende Frage ist jetzt, ob die EU-Staaten, so wie der Plan es will, freiwillig schaffen, ihren Gasverbrauch um 15 Prozent zu senken. Einige Länder haben schon „Ausnahmevereinbarungen“ausgehandelt, weil sie schon jetzt wissen, dass sie diese Zahl nicht schaffen werden. Sagen sie. Viele Unternehmen werden wohl kurzfristig ihren Verbrauch drosseln können, indem sie Produktionsprozesse anders gestalten und am besten optimieren. Gut gerüstet sind diejenigen, die sich schon vorher das Thema Energiesparen zu eigen machten, als Energie noch „im Überfluss“vorhanden war, indem sie zum Beispiel Techniken installierten, um Abwärme zu nutzen. Manche andere Unternehmen haben indes schon ihre Produktion wegen der hohen Gaspreise ausgesetzt – etwa Düngemittelhersteller – was wiederum dazu führen kann, dass Lebensmittelpreise weiter steigen. Kritische Stimmen aus der Wirtschaft mahnen an, dass eine längerfristige Gasrationierung Unternehmen in Schwierigkeiten bringen würde. Tatsächlich muss und kann aber jeder Energie sparen. Man weiß gar nicht, was man alles kann – bis man es tut. Den Verbrauch jetzt in der warmen Jahreszeit zu drosseln hilft, die Gasspeicher wieder aufzufüllen. Denn im Winter wird die Nachfrage groß sein, wenn die Haushalte anfangen, mit Gas zu heizen. Es ist kein Zuckerschlecken. Manch einer sieht darum auch schon die Welt untergehen („Alles geht den Bach runter ohne russisches Gas...“). Jetzt müssen wir die Zähne zusammenbeißen und unsere Komfortzone verlassen.
Insgesamt konnten die Speicher in Europa seit April wieder aufgefüllt werden mit einem Füllstand von fast 71 Prozent Anfang August. Immerhin.
Die nächsten Gasrechnungen werden niemandem schmecken.