Nicht alle Tassen im Shop
Die SPD wirft Altkanzler Gerhard Schröder nicht aus der Partei – aber das muss nicht endgültig sein
Bei den Tassen ist die Sache klar. Im SPD-Shop heißen sie „KaffeeBecher“– und auf rotem Grund prangen SPD-Heroinnen und -Heroen. Gerhard Schröder gehörte dazu; er hat, das ist bekannt, aber eher ein Faible für Rotwein. Oder Bier. Und für kontroverse Ansagen. Es gab Zeiten – etwa am Abend der Bundestagswahl 2005 – da liebte die SPD Schröders Selbstgewissheit auch dann, wenn sie ein bisschen alkoholschwanger schien. Inzwischen finden viele Genossinnen und Genossen den Altkanzler nur noch stur und peinlich. Und manche wollen ihn sogar aus der Partei werfen.
Das hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Allerdings hatte die Republik auch noch keinen Kanzler, der seine politischen Entscheidungen in persönlichen Profit verwandelte. Als Kanzler beschloss Schröder den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 – als Ex wechselte er direkt aus dem Bundestag in russische Staatsdienste. Als Gas-Lobbyist. Auf Vermittlung von Präsident Wladimir Putin, Schröders Männerfreund.
Schon das nannte die politische Konkurrenz – je nach Temperament – unmoralisch bis indiskutabel. In der SPD schämte man sich erst einmal fremd. Oder hieß Schröder einen Abzocker. Aber hinter vorgehaltener Hand. Bis Russland die Ukraine mit einem Angriffskrieg überzog. Und Schröder weder mit Putin brach noch von seinen Geschäften ließ.
Das war nicht nur der SPD-CoVorsitzenden zu viel. Für sie, gab Saskia Esken kund, sei „die Sache klar“– und Schröder reif für den Rauswurf. Insgesamt 17 SPD-Gliederungen beantragten ein Parteiordnungsverfahren, einige explizit den Ausschluss des Altkanzlers. „Wenn man bei einem Diktator, einem Aggressor, der für Folter, für Mord verantwortlich ist, auf der Gehaltsliste steht“, zürnte zwei Monate nach Kriegsbeginn, Jessica Rosenthal, die Chefin der Jugendorganisation Jusos: „Das geht einfach gar nicht.“
Verstoß gegen Parteiordnung „nicht nachweisbar“
Der Unterbezirk Hannover findet – doch. Gestern Nachmittag gibt das dortige Parteischiedsgericht bekannt, es werde den Altkanzler nicht einmal rügen. Denn: Er habe sich „eines Verstoßes gegen die Parteiordnung nicht schuldig gemacht“. Übersetzt: Der SPD durch sein Verhalten keinen schweren Schaden zugefügt.
Die Begründung ist seitenlang. Zusammengenommen steht darin, man finde keine Belege dafür, dass Schröder den russischen Angriffskrieg unterstützt oder gar gefördert hätte. Seine Freundschaft zu Putin bedeute nicht, dass er den in seinen Kriegsplänen unterstützt habe. Und auch seine Geschäftsbeziehungen zu den russischen
Staatskonzernen seien nicht als Unterstützung des Krieges gegen die Ukraine zu werten.
Allerdings gibt das dreiköpfige Gremium auch zu verstehen, dass vom Handeln Schröders bis zu dem eines wirklich aufrechten Sozialdemokraten Luft bleibt. „So sehr eine deutliche Distanzierung von der Russischen Föderation und ihrem Präsidenten und ein Ausscheiden aus den Gremien der Erdgasunternehmen politisch wünschenswert wäre“, schreibt es bedauernd – ein Verstoß gegen die
Parteiordnung sei „nicht nachweisbar“. SPD-Co-Chef Lars Klingbeil hatte es in einem Appell an den Altkanzler so formuliert: „Mit einem Aggressor, mit einem Kriegstreiber wie Putin macht man keine Geschäfte.“
Nachspiel
Wahrscheinlich redet man als künftiger SPD-Kanzler auch besser nicht mit Bankern, die in den größten Steuerskandal der Republik namens Cum-ex verwickelt sind und versuchen, um eine millionenschwere Rückzahlung herumzukommen. Olaf Scholz, amtierender Schröder-Nachnachfolger, hat genau das getan, 2016, als er Bürgermeister von Hamburg war. Da traf er Christian Olearius, Gesellschafter der Privatbank M. M.Warburg & Co – will sich aber an so gut wie nichts mehr erinnern. Tatsache ist, dass die Hamburgische Finanzverwaltung nach den Treffen auf 47 Millionen Euro verzichtete – auf Anweisung des Bundesfinanzministeriums und nach einem Gerichtsurteil musste Warburg dann bislang 90 Millionen zurückzahlen: Kapitalertragssteuer, die sich die Bank erstatten ließ – ohne sie zuvor je entrichtet zu haben.
Am 19. August muss Scholz vor dem Cum-ex-Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft aussagen – der herausfinden will, ob der jetzige Kanzler sich damals nicht doch eingemischt hat. Drei Tage länger, bis zum 22., haben die Kontrahenten in der Causa Schröder Zeit, um das Urteil des Schiedsgerichts anzufechten.
Nur bei den Tassen ist der Fall schon geklärt. Die mit Scholz-Konterfei gibt es noch – die mit Schröder sind aus der Kollektion. Aber nicht weg. Der Altkanzler hat es dem „Stern“verraten. Seine Frau hat alle gekauft.