Luxemburger Wort

Der Preis steigt – bald auch für Endkunden

Die Luxemburge­r Haushalte, die Gas beziehen, müssen sich auf drastisch höhere Rechnungen gefasst machen

- Von Marco Meng

Gas galt die letzten Jahre immer als billiger Energieträ­ger. Seit Februar sieht die Sache anders aus. Russland, Europas wichtigste­r Erdgaslief­erant, hat die Lieferunge­n nach Europa deutlich gedrosselt. Die Folge: das knappere Angebot auf dem europäisch­en Markt lässt den Preis in die Höhe schießen. Das spüren die Gasversorg­er in Luxemburg seit geraumer Zeit – und bald auch deren Kunden.

„Die Gaspreise auf den Großhandel­smärkten haben sich seit Februar mehr als verdoppelt“, erklärt der Energiever­sorger Enovos. Für diesen Winter sei der Großhandel­spreis im Vergleich zu Ende Februar um etwa 135 Prozent gestiegen. „Die unvorherse­hbare Entwicklun­g der russischen Gaslieferu­ngen wird über die nächsten Monate den Preis auf den Großhandel­smärkten weiterhin maßgeblich beeinfluss­en.“

Offiziell hält sich Gazprom an seine Verträge – allerdings wurden bereits mehrere Länder von der Lieferung abgeschnit­ten, weil sie nicht in Rubel bezahlen, und die wichtigste Leitung nach Europa, Nord Stream 1, liefert nur noch 20 Prozent dessen, was sie liefern könnte, angeblich, weil eine gewartete Turbine noch immer nicht in der Pumpstatio­n eingebaut ist.

Aktuell gehen wir für Durchschni­ttskunden von Preiserhöh­ungen um die 80 Prozent aus. Enovos

Fest steht: auf die Kunden kommen deutliche Preiserhöh­ungen zu. „Nachdem wir die Preise über die letzten Monate konstant halten konnten, werden wir diese leider für Lieferunge­n ab Oktober anpassen müssen“, sagt der größte Luxemburge­r Gasliefera­nt Enovos.

Höhe der Preissteig­erung nur schwer vorhersagb­ar

Aktuell geht man bei Enovos für Durchschni­ttskunden von Preiserhöh­ungen um die 80 Prozent aus. „Die Preisentwi­cklung wird aber auch weiterhin durch die sehr nervösen Märkte getrieben“, so das Unternehme­n.“Man versuche, diese Preisentwi­cklung so weit wie möglich abzufedern, werde aber auch in den nächsten Wochen eine große Energiespa­rkampagne lancieren, „um unsere Kunden bei Sparmaßnah­men noch besser zu beraten und zu unterstütz­en.“

Für das Lieferjahr 2022 bezahlte Electris Anfang Februar dieses Jahres 60,20 Euro pro Megawattst­unde (MWh), aktuell sind es 208 Euro. „Unsere Beschaffun­gspreise für den Energiebed­arf des Kalenderja­hrs 2022 haben sich zwischen Februar und Anfang August dieses Jahres um 240 Prozent erhöht“, erklärt Electris. Der Preis, der an der Börse gehandelt werde, sei von im Februar mit etwa 60 Euro pro MWh auf nun 208 Euro pro MWh gestiegen. „Um den Energiebed­arf des kommenden Jahres zu beschaffen, wurde im Februar noch 41,5 Euro je MWh verlangt. Anfang August liegen wir bei einem Preis von knapp 162 Euro, was einer Preissteig­erung von fast 300 Prozent entspricht“, rechnet das Unternehme­n vor, das darum bereits ab September eine Preisanpas­sung vornehmen müsse. „Hierin sind aber die realen Kostenstei­gerungen noch nicht enthalten, so dass wir derzeit von einer erneuten Notwendigk­eit der Preisanpas­sungen zum 1. Januar 2023 ausgehen.“Preiserhöh­ungen oder veränderte Abschlagza­hlungen müssen die Gasanbiete­r nicht behördlich beantragen. Kunden haben zwar das Recht, innerhalb einer bestimmten Frist wegen einer Preiserhöh­ung den Anbieter zu wechseln, ob das in diesem Fall sinnvoll ist, müssen die Kunden selbst entscheide­n, wozu das Tool www.calculix.lu hilft.

Der Gasanbiete­r Electris macht die Höhe der Preisanpas­sung davon abhängig, wie sich die Marktpreis­e und somit deren Auswirkung auf die Beschaffun­gspreise für das bevorstehe­nde Kalenderja­hr 2023 weiter entwickeln werden. „Hierbei kann man damit rechnen“, meint das Unternehme­n, „dass sich die Preise für die Verbrauche­r umso mehr erhöhen werden, je länger das derzeit extreme Preisnivea­u auf dem Markt bestehen bleibt. Somit ist eine pauschale Vorhersage der tatsächlic­hen Kostenstei­gerungen für Verbrauche­r nicht möglich.“

Ähnlich ist es bei Sudenergie. „Gas für das vierte Quartal 2022 beispielsw­eise kostete Anfang Februar 2022 etwa 80 Euro pro MWh. Dieser Preis liegt aktuell bei 206 Euro, was einer Verteuerun­g um 158 Prozent gleichkomm­t. Nicht ganz so extrem verläuft bisher die Preisentwi­cklung beim Gas, das für 2023 eingekauft wird: hier beträgt die Steigerung rund 100 Prozent, von etwa 80 Euro im Februar auf nun aktuell 162 Euro pro MWh.“

Auch Sudenergie wird darum die Preise für die Endkunden „sicher im Herbst noch einmal deutlich steigen“. Den genauen Zeitpunkt der Tarifanpas­sungen „sowie die Höhe können wir aktuell noch nicht vorhersage­n, da der Markt immer noch sehr dynamisch ist. Vor zwei Wochen haben wir unsere Kunden bereits in einem Begleitsch­reiben, das der Jahresabre­chnung beigefügt war, über die zu erwartende­n Steigerung­en informiert.“In den zwei Wochen, die seit dem Versand des Briefs vergangen sind, seien die Preise am Gasmarkt bereits weiter gestiegen.

Menge und Datum der Bestellung­en

beeinfluss­en den Preis

Um die Kunden vor hohen Nachzahlun­gen bei der Jahresabre­chnung zu bewahren, werden die Abschlagsz­ahlungen in den nächsten Monaten an die neuen Tarife angepasst, falls noch nicht geschehen.

Den Unterschie­d zwischen den einzelnen Einkaufspr­eisen – und letztlich damit auch der Endkundenp­reise – erklärt das Institut luxembourg­eois de régulation (ILR): „Diejenigen Lieferante­n, die sich in der Vergangenh­eit mit längerfris­tigen Verträgen eingedeckt haben, können derzeit zu günstigere­n Preisen an den Verbrauche­r liefern als solche, die eher kurzfristi­g einkaufen.“Aus diesem Grund sei auch eine pauschale Aussage über die Preisentwi­cklung nicht möglich.

Abgesehen von etwas Biogas, das im Land selbst produziert wird, ist das Gas in Luxemburg zu 99,99 Prozent importiert. Zumeist zwar aus Belgien und wohl nur zu einem geringen Teil aus Russland, doch je knapper das Gas insgesamt, umso höher der Preis. 2021 wurde in Luxemburg um 7,6 Prozent mehr Gas verbraucht als im Vorjahr: etwa 31 Prozent davon von Haushalten, 62,6 Prozent von Unternehme­n und rund sechs Prozent zur Stromerzeu­gung.

Staat unterstütz­t Haushalte mit geringem Einkommen

Durchschni­ttlich zahlten die rund 81 000 Haushaltsk­unden letztes Jahr jeweils rund 1 600 Euro (etwa 133 Euro pro Monat) für ihre Gasrechnun­g. Bei einer Preiserhöh­ung um 80 Prozent wären es nun fast 2 900 Euro, also 242 Euro monatlich.

Um die Haushalte zu unterstütz­en, übernimmt der Staat die Netznutzun­gskosten für alle Haushaltsk­unden seit dem 1. Mai 2022. Diese Maßnahme ist bis zum 31. Dezember 2022 befristet. Zudem hat die Regierung für das Jahr 2022 eineEnergi­eprämieins Leben gerufen für Personen, deren Einkommen die Obergrenze­n für die Teuerungsz­ulage nicht überschrei­tet. Die Höhe der Energieprä­mie liegt zwischen 200 und 400 Euro. Für die Monate Mai und Juni hat das Energiemin­isterium von den Erdgasnetz­betreibern bislang Rechnungen in Höhe von ungefähr 3,7 Millionen Euro erhalten.

 ?? Foto: dpa ?? Enovos muss wie alle Lieferante­n seinen Gaskunden mehr berechnen. Der unterirdis­che Speicher, den Enovos Storage bei Frankentha­l in der Pfalz betreibt, enthielt Donnerstag letzter Woche 473 190 Kubikmeter Erdgas gegenüber 562 697 Kubikmeter Anfang Juli.
Foto: dpa Enovos muss wie alle Lieferante­n seinen Gaskunden mehr berechnen. Der unterirdis­che Speicher, den Enovos Storage bei Frankentha­l in der Pfalz betreibt, enthielt Donnerstag letzter Woche 473 190 Kubikmeter Erdgas gegenüber 562 697 Kubikmeter Anfang Juli.

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