Der Preis steigt – bald auch für Endkunden
Die Luxemburger Haushalte, die Gas beziehen, müssen sich auf drastisch höhere Rechnungen gefasst machen
Gas galt die letzten Jahre immer als billiger Energieträger. Seit Februar sieht die Sache anders aus. Russland, Europas wichtigster Erdgaslieferant, hat die Lieferungen nach Europa deutlich gedrosselt. Die Folge: das knappere Angebot auf dem europäischen Markt lässt den Preis in die Höhe schießen. Das spüren die Gasversorger in Luxemburg seit geraumer Zeit – und bald auch deren Kunden.
„Die Gaspreise auf den Großhandelsmärkten haben sich seit Februar mehr als verdoppelt“, erklärt der Energieversorger Enovos. Für diesen Winter sei der Großhandelspreis im Vergleich zu Ende Februar um etwa 135 Prozent gestiegen. „Die unvorhersehbare Entwicklung der russischen Gaslieferungen wird über die nächsten Monate den Preis auf den Großhandelsmärkten weiterhin maßgeblich beeinflussen.“
Offiziell hält sich Gazprom an seine Verträge – allerdings wurden bereits mehrere Länder von der Lieferung abgeschnitten, weil sie nicht in Rubel bezahlen, und die wichtigste Leitung nach Europa, Nord Stream 1, liefert nur noch 20 Prozent dessen, was sie liefern könnte, angeblich, weil eine gewartete Turbine noch immer nicht in der Pumpstation eingebaut ist.
Aktuell gehen wir für Durchschnittskunden von Preiserhöhungen um die 80 Prozent aus. Enovos
Fest steht: auf die Kunden kommen deutliche Preiserhöhungen zu. „Nachdem wir die Preise über die letzten Monate konstant halten konnten, werden wir diese leider für Lieferungen ab Oktober anpassen müssen“, sagt der größte Luxemburger Gaslieferant Enovos.
Höhe der Preissteigerung nur schwer vorhersagbar
Aktuell geht man bei Enovos für Durchschnittskunden von Preiserhöhungen um die 80 Prozent aus. „Die Preisentwicklung wird aber auch weiterhin durch die sehr nervösen Märkte getrieben“, so das Unternehmen.“Man versuche, diese Preisentwicklung so weit wie möglich abzufedern, werde aber auch in den nächsten Wochen eine große Energiesparkampagne lancieren, „um unsere Kunden bei Sparmaßnahmen noch besser zu beraten und zu unterstützen.“
Für das Lieferjahr 2022 bezahlte Electris Anfang Februar dieses Jahres 60,20 Euro pro Megawattstunde (MWh), aktuell sind es 208 Euro. „Unsere Beschaffungspreise für den Energiebedarf des Kalenderjahrs 2022 haben sich zwischen Februar und Anfang August dieses Jahres um 240 Prozent erhöht“, erklärt Electris. Der Preis, der an der Börse gehandelt werde, sei von im Februar mit etwa 60 Euro pro MWh auf nun 208 Euro pro MWh gestiegen. „Um den Energiebedarf des kommenden Jahres zu beschaffen, wurde im Februar noch 41,5 Euro je MWh verlangt. Anfang August liegen wir bei einem Preis von knapp 162 Euro, was einer Preissteigerung von fast 300 Prozent entspricht“, rechnet das Unternehmen vor, das darum bereits ab September eine Preisanpassung vornehmen müsse. „Hierin sind aber die realen Kostensteigerungen noch nicht enthalten, so dass wir derzeit von einer erneuten Notwendigkeit der Preisanpassungen zum 1. Januar 2023 ausgehen.“Preiserhöhungen oder veränderte Abschlagzahlungen müssen die Gasanbieter nicht behördlich beantragen. Kunden haben zwar das Recht, innerhalb einer bestimmten Frist wegen einer Preiserhöhung den Anbieter zu wechseln, ob das in diesem Fall sinnvoll ist, müssen die Kunden selbst entscheiden, wozu das Tool www.calculix.lu hilft.
Der Gasanbieter Electris macht die Höhe der Preisanpassung davon abhängig, wie sich die Marktpreise und somit deren Auswirkung auf die Beschaffungspreise für das bevorstehende Kalenderjahr 2023 weiter entwickeln werden. „Hierbei kann man damit rechnen“, meint das Unternehmen, „dass sich die Preise für die Verbraucher umso mehr erhöhen werden, je länger das derzeit extreme Preisniveau auf dem Markt bestehen bleibt. Somit ist eine pauschale Vorhersage der tatsächlichen Kostensteigerungen für Verbraucher nicht möglich.“
Ähnlich ist es bei Sudenergie. „Gas für das vierte Quartal 2022 beispielsweise kostete Anfang Februar 2022 etwa 80 Euro pro MWh. Dieser Preis liegt aktuell bei 206 Euro, was einer Verteuerung um 158 Prozent gleichkommt. Nicht ganz so extrem verläuft bisher die Preisentwicklung beim Gas, das für 2023 eingekauft wird: hier beträgt die Steigerung rund 100 Prozent, von etwa 80 Euro im Februar auf nun aktuell 162 Euro pro MWh.“
Auch Sudenergie wird darum die Preise für die Endkunden „sicher im Herbst noch einmal deutlich steigen“. Den genauen Zeitpunkt der Tarifanpassungen „sowie die Höhe können wir aktuell noch nicht vorhersagen, da der Markt immer noch sehr dynamisch ist. Vor zwei Wochen haben wir unsere Kunden bereits in einem Begleitschreiben, das der Jahresabrechnung beigefügt war, über die zu erwartenden Steigerungen informiert.“In den zwei Wochen, die seit dem Versand des Briefs vergangen sind, seien die Preise am Gasmarkt bereits weiter gestiegen.
Menge und Datum der Bestellungen
beeinflussen den Preis
Um die Kunden vor hohen Nachzahlungen bei der Jahresabrechnung zu bewahren, werden die Abschlagszahlungen in den nächsten Monaten an die neuen Tarife angepasst, falls noch nicht geschehen.
Den Unterschied zwischen den einzelnen Einkaufspreisen – und letztlich damit auch der Endkundenpreise – erklärt das Institut luxembourgeois de régulation (ILR): „Diejenigen Lieferanten, die sich in der Vergangenheit mit längerfristigen Verträgen eingedeckt haben, können derzeit zu günstigeren Preisen an den Verbraucher liefern als solche, die eher kurzfristig einkaufen.“Aus diesem Grund sei auch eine pauschale Aussage über die Preisentwicklung nicht möglich.
Abgesehen von etwas Biogas, das im Land selbst produziert wird, ist das Gas in Luxemburg zu 99,99 Prozent importiert. Zumeist zwar aus Belgien und wohl nur zu einem geringen Teil aus Russland, doch je knapper das Gas insgesamt, umso höher der Preis. 2021 wurde in Luxemburg um 7,6 Prozent mehr Gas verbraucht als im Vorjahr: etwa 31 Prozent davon von Haushalten, 62,6 Prozent von Unternehmen und rund sechs Prozent zur Stromerzeugung.
Staat unterstützt Haushalte mit geringem Einkommen
Durchschnittlich zahlten die rund 81 000 Haushaltskunden letztes Jahr jeweils rund 1 600 Euro (etwa 133 Euro pro Monat) für ihre Gasrechnung. Bei einer Preiserhöhung um 80 Prozent wären es nun fast 2 900 Euro, also 242 Euro monatlich.
Um die Haushalte zu unterstützen, übernimmt der Staat die Netznutzungskosten für alle Haushaltskunden seit dem 1. Mai 2022. Diese Maßnahme ist bis zum 31. Dezember 2022 befristet. Zudem hat die Regierung für das Jahr 2022 eineEnergieprämieins Leben gerufen für Personen, deren Einkommen die Obergrenzen für die Teuerungszulage nicht überschreitet. Die Höhe der Energieprämie liegt zwischen 200 und 400 Euro. Für die Monate Mai und Juni hat das Energieministerium von den Erdgasnetzbetreibern bislang Rechnungen in Höhe von ungefähr 3,7 Millionen Euro erhalten.