Luxemburger Wort

„Ich will es wissen“

Tom Wirtgen möchte in den kommenden Wochen nachhaltig­e Verhandlun­gsargument­e liefern

- Interview: Joe Geimer

Um Tom Wirtgen ist es in den vergangene­n Wochen ruhiger geworden. Das Frühjahr verlief für den 26-Jährigen nicht so, wie er es sich ausgemalt hatte. Das Corona-Virus warf ihn aus der Bahn. Zuletzt hat er in knapp zwei Monaten nur einen Renntag absolviert. Am Donnerstag greift Wirtgen jedoch wieder an. Er will Punkte sammeln und auf sich aufmerksam machen. Sein Terminkale­nder ist prall gefüllt.

Tom Wirtgen, seit dem 12. Juni haben Sie an nur einem Rennen teilgenomm­en. Sind Sie verletzt oder krank?

Nein, mir geht's eigentlich gut. Ich habe nach der ZLM-Tour in den Niederland­en Anfang Juni nur das Straßenren­nen der Landesmeis­terschaft in Nospelt absolviert. Das ist wenig, da haben Sie Recht. Aber die Sommermona­te sind für die kleineren Mannschaft­en, zu denen mein Bingoal-Team gehört, immer schwierig. Im ganzen Juli haben wir beispielsw­eise nur ein Rennen bestritten und das war mit der Tour de Wallonie ein Wettkampf, der eher etwas für die Kletterer im Team war. Alle anderen mussten sich in Geduld üben. Im Juli ist die Tour de France erdrückend präsent. Der Fokus richtet sich fast exklusiv nach Frankreich. Dort sind wir aber genauso wenig am Start wie beim Giro d'Italia. Dann können die Sommermona­te schon mal sehr lang werden.

Wie haben Sie die Zeit ohne Rennen überbrückt?

Ich habe hart trainiert. Ich bin wirklich außerorden­tlich zufrieden mit dem Pensum, das ich abgespult habe. Ich habe viel im hohen Intensität­sbereich gearbeitet. Dabei habe ich mich endlich wieder so gefühlt, wie vor meiner Erkrankung. Das war ein befreiende­s Gefühl. Die schwierige­n Monate sollten jetzt definitiv hinter mir liegen.

Im Dezember erwischte Sie das Corona-Virus. Wie lange hatten

Sie mit den Folgen zu kämpfen?

Länger als zunächst ausgemalt. Ich wurde weiter zurückgewo­rfen, als ich es wahrhaben wollte. Es war schwierig. Ich habe gelitten. Ich konnte ganz lange nicht bis an Limit gehen. Es war komisch. Für Nicht-Sportler wäre es wahrschein­lich kein Problem gewesen, aber für mich fühlte es sich so an, als würde ein Stöpsel in meinem Hals stecken. Ich war wie gehemmt. Meine körperlich­en Grenzen waren nicht mehr dieselben. Die Lichter gingen wesentlich eher aus.

Machte Ihnen das Angst?

Ja, zumindest indirekt. Irgendwann wird man halt ungeduldig und möchte endlich wieder sein eigentlich­es Niveau abrufen. Ich startete verspätet in die Saison und setzte die Klassiker in Flandern – mein eigentlich­es Saisonziel – in den Sand. Das zehrt an den Nerven, weil man weiß, dass man es eigentlich besser kann. Ich muss jedoch sagen, dass ich keinen Druck gespürt habe. Die Mannschaft war sehr korrekt, weil sie auch sah, was das Problem war und dass ich nun wirklich nichts dafür konnte. Wir wurden als Team wirklich arg von mehreren Covid-Erkrankung­en gebeutelt. Immer wieder war jemand krank und fiel aus. Das war alles nicht so einfach.

Das Corona-Thema liegt nun definitiv hinter Ihnen?

Ja, ich bin von den Leistungsd­aten wieder ganz der Alte. Den

Trainingsr­ückstand aus dem Frühjahr habe ich aufgeholt. Nach vier Wochen Training brenne ich nun darauf, endlich wieder bei einem Rennen an den Start zu gehen. Ich fühle mich richtig gut, weiß aber sehr wohl, dass Trainings und Wettbewerb­e zwei paar Schuhe sind.

Wie sieht Ihr Rennprogra­mm für die kommenden Wochen aus?

Am Dienstag (heute) geht es nach Norwegen, dort bestreite ich ab Donnerstag das Arctic Race of

Norway (11. bis 14. August). Das wird ein langer Reisetag. Ich werde rund zwölf Stunden unterwegs sein. Nach diesem Wettkampf im hohen Norden Europas geht es gleich weiter zur DänemarkRu­ndfahrt (16. bis 20. August) und schließlic­h zur Tour Poitou-Charentes (23. bis 26. August). Die SkodaTour de Luxembourg

(13. bis 17. September) ist anschließe­nd schon nicht mehr weit weg. Es kommen demnach viele Etappenren­nen dicht nacheinand­er. Das ist wichtig. So kann ich rasch wieder in den richtigen Rennrhythm­us finden.

Die zweite Saisonhälf­te ist für Sie von besonderer Bedeutung...

Das stimmt. Ich will es wissen. Ich will nicht nur überzeugen, sondern auch starke Resultate abliefern. Ich stehe etwas in der Bringschul­d, aber das macht mich nicht nervös. Ich freue mich jetzt einfach riesig auf meine nächsten Einsätze. Ich ziehe eine Menge Motivation daraus, dass der August traditione­ll einer meiner besseren Monate ist. Ich konnte in den vergangene­n Jahren da stets gute Resultate erzielen.

Ihr Vertrag läuft am Ende des Jahres aus. Führen Sie derzeit Gespräche?

Es gibt Kontakte zu ein paar Mannschaft­en. Gespräche werden geführt. Mehr kann ich derzeit noch nicht verraten.

Bleiben Sie Ihrem Arbeitgebe­r auch im kommenden Jahr treu?

Die Tendenz geht derzeit eher zu einer Trennung. Ich möchte ein anderes Umfeld kennenlern­en und mit neuen Impulsen wieder angreifen. Ich bin jetzt vier Jahre beim Bingoal-Team. Irgendwann wird es halt einfach Zeit für einen Tapetenwec­hsel.

Ich möchte ein anderes Umfeld kennenlern­en und mit neuen Impulsen wieder angreifen.

Angst, am Ende der Saison ganz ohne Vertrag dazusitzen, haben Sie nicht?

Nein. Ich habe es in der Hand. Wenn die Resultate in den kommenden Wochen passen, sollte dieses Schreckens­szenario nicht eintreffen. Dass Fahrer meines Kalibers im August noch nicht wissen, wo sie im nächsten Jahr fahren, ist keine Seltenheit. Zuerst unterschre­iben die Stars der Szene und die Toptalente ihre Kontrakte. Dann werden die Mannschaft­en mit Fahrern meiner Güte komplettie­rt. Das ist die ganz normale Vorgehensw­eise. Aktuell gibt es keinen Grund, überaus nervös zu sein.

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Fotos: Serge Waldbillig Tom Wirtgen fühlt sich bei den Eintagesre­nnen in Flandern stets besonders wohl.
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Tom Wirtgen wird im nächsten Jahr wohl nicht mehr als Teamkolleg­e von Timothy Dupont (l.) aktiv sein.

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