Vom Butler zum Benimm-Experten
Raymond Bernard war vier Jahrzehnte am großherzoglichen Hof tätig – nun hat er ein Buch zum Thema Etikette geschrieben
Crauthem. Gutes Benehmen ist bekanntlich nicht jedermanns Sache. Andere ständig in einem Gespräch zu unterbrechen, mit seinem Auto zwei Parkplätze zu blockieren oder – ganz plump – als Gast in fremdem Hause die Füße auf den Tisch zu legen, gehört sicher nicht zur feinen englischen Art. Aber wo hört gutes Benehmen auf. Und wo fängt Schlechtes an? Das hat nun einer, der es wissen muss, in einem Buch niedergeschrieben: Raymond Bernard, der mehr als 40 Jahre als Butler am großherzoglichen Hof tätig war.
Während seiner Laufbahn hat der Mann aus Crauthem für das Wohlergehen von Königen, Staatschefs, Kaisern, Ministern und zahllosen Reichen und Schönen aus aller Welt gesorgt. Er hat dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt einen Aschenbecher gereicht und bei einer hungrigen spanischen Königin Sophia die Liebe für den Kachkéis geweckt.
Beherzigt man die Etikette, versteht man sein Gegenüber besser und bezieht sein Benehmen weniger auf sich selbst. Raymond Bernard
In seinem Werk „Die Besonderheiten der Etikette“, das seit Mai dieses Jahres in den Buchhandlungen und Onlineshops erhältlich ist, berichtet Raymond Bernard auf humorvolle Weise von seinen Begegnungen mit Etiketteprofis und Menschen, die es damit nicht so genau genommen haben.
Etikette geht weiter als die Knigge-Regeln
Auf rund 300 Seiten hat der 64-Jährige aber keinen neuen „Knigge“verfasst. Bernard, der dem „Luxemburger Wort“sein Buch in seinem stilvollen Zuhause vorgestellt hat, erklärt: „Die Etikette geht einen Schritt weiter als andere Benimmregeln. Die meisten Regelwerke lehren uns, was gutes Benehmen ist, also welche Regeln zu befolgen sind. Diesen Ansatz finde ich etwas zu strikt. Die Etikette bringt uns bei, warum man sich in einer gewissen Situation auf eine bestimmte Art verhalten sollte.“Im Gegensatz zu den Knigge-Regeln könne man die Etikette dadurch auch in Bereichen anwenden, für die es keine Vorlage gibt.
Der Autor selbst sieht sein Buch, für das seine Tochter Cynthia die Illustrationen geschaffen hat, als einen „Wegweiser durch das Leben“. Auf den ersten Blick beschreibe das Werk auf unterhaltsame Weise eine Welt, zu der nur wenige Zugang haben. Wer aber ein wenig zwischen den Zeilen lese, merke schnell, dass gutes Benehmen sehr hilfreich dabei sein könne, ein entspanntes und friedvolles Leben zu führen. Ganz einfach
Unter Etikette versteht Raymond Bernard höfliches Benehmen, das in jeder Lebenslage angebracht ist. dadurch, weil höfliches Benehmen das Zusammenleben mit unseren Mitmenschen erleichtert, wie Bernard erklärt: „Beherzigt man die Etikette, versteht man sein Gegenüber besser, bezieht schlechtes Benehmen weniger auf sich selbst und kann in den meisten Fällen schneller verzeihen. So können wir in vielen Situationen über Negatives hinwegsehen und auch verhindern, dass wir davon aufgefressen werden“, so der Autor
weiter. Schlechte Gefühle wie Angst, Frust oder gar Hass könne man so nicht nur besser aus den eigenen Gedanken fernhalten. Auch geringschätzende Verhaltensweisen wie Arroganz oder Gehässigkeit ließen sich durch einen höflichen Abstand leichter umschiffen. „Man kommt damit einfach weg von den rauen Umgangsformen. Die Etikette ist der Schlüssel für ein sanftes, friedvolles und entspanntes Leben“, so der Autor.
Die Frage, ob eine gelebte Etikette auch heutzutage noch zeitgemäß ist, beantwortet Raymond Bernard daher mit einem entschiedenen „Ja“. In seiner langjährigen Karriere als Butler habe er mehrfach erlebt, dass einige seiner Gäste ihm selbst oder seinen Mitarbeitern mit Herablassung begegnet seien.
Gute Manieren sind zu stark im Abseits
„Wir wurden von Zeit zu Zeit wie Luft behandelt. Ein solches Verhalten bringt uns als Gesellschaft aber nicht weiter. Indem man von oben herab auf bestimmte Berufsgruppen blickt, wertet man sie als Gesellschaft ab. Viele verlieren dadurch den Spaß an der Arbeit, dabei brauchen wir in vielen Berufen viele Arbeitskräfte.“
Besonders gut sei dies zu Beginn der Corona-Pandemie im Falle der Pflegekräfte zu sehen gewesen – eine Berufsgruppe, der zuvor wenig Wertschätzung entgegengebracht, die dann aber mit Standing Ovations von den Balkonen beklatscht wurde. „Man hat plötzlich gemerkt, wie wichtig diese Menschen für eine funktionierende Gesellschaft sind und welche Arbeitsleistung sie Tag für Tag erbringen. Die Etikette lehrt uns, dass wir das nicht vergessen und respektvoll bleiben“, sagt Raymond Bernard. Er glaubt, dass gute Manieren in der jüngsten Vergangenheit zu stark ins Abseits gedrängt worden sind.
Klassische Regeln werden unterschätzt
Besonders gut könne man diesen Umstand in den sozialen Netzwerken beobachten. „Facebook ist viel zu viel gegeneinander. Für mich ist das keine Art einer sozialen Kommunikation. Seinen Ärger auf Facebook abzulassen, trägt meist nur zur Spaltung der Gesellschaft bei“, so Bernard.
Aber auch ganz klassische Benimmregeln wie Esskultur, Tischmanieren und ein angebrachter Kleidungsstil hält Raymond Bernard für mittlerweile unterschätzt. Er zieht den Gebrauch von Besteck und Servietten als Beispiel heran. „Sich beim Essen gut zu benehmen, hat sich über Tausende von Jahren entwickelt. Heutzutage wird wieder viel mehr mit den Händen gegessen. In FastFood-Restaurants bekommt man Servietten, mit denen man sich kaum sauber machen kann. Ich finde, dass sich die Menschen in vielen Situationen nicht mehr angemessen kleiden. Das fängt in den Schulen an, wo viele Schüler angezogen sind, als gingen sie gleich zum Strand. Das sind Entwicklungen, die ich für rückläufig halte.“
Raymond Bernard: „Die Besonderheiten der Etikette“, Romeon Verlag, 286 Seiten, ISBN: 978-3-96229-3604, € 36,95.
Herablassendes Verhalten bringt uns nicht weiter. Raymond Bernard